Andor
ist die grösste und zugleich eine der ältesten Nationen des Landes.
Das Land, welches sich heute von den Verschleierten Bergen bis zum Erinin
erstreckt, war zur Zeit Artur Falkenflügels eine Provinz unter der Herrschaft
von Gouverneurin Endara Casalain.
Eine eigenständige Nation wurde Andor nach dem Tod Falkenflügels,
als Ishara, die Tochter der Gouverneurin, sich mit Souran Maravaile, Falkenflügels
bestem General, verbündete und ihrer Mutter die Herrschaft entzog. Ishara
war die erste Königin der Nation Andor. Zu Beginn ihrer Regierungszeit
umschlossen Andors Grenzen nur die Hauptstadt Caemlyn und ein paar umliegende
Dörfer, da Ishara nicht wie andere Herrscher den Fehler machte, mehr
Land erobern zu wollen, als sie auch verteidigen konnte. Im Gegensatz zu anderen
Herrschern dehnte sie ihr Reich langsam immer weiter aus, während andere
in kurzer Zeit viel Land eroberten, um es dann kurz darauf wieder zu verlieren,
weil sie es nicht halten konnten.
Das führte dazu, dass sie nach fünf Jahren ihr Land, in dem sie
die unbestrittene Herrscherin war, bis zum Erinin ausgedehnt hatte.
Ishara heiratete Souran Maravaile. Historiker sagen, dass dieses hauptsächlich
aus taktischen Gründen geschah, da sie so praktisch zwei Fliegen mit
einer Klappe schlug. Zu diesem Zeitpunkt belagerte nämlich Souran mit
seinem nicht zu verachtendem Heer Tar Valon. Durch die Heirat bekam Ishara
also erstens ein Heer, und zweitens, nachdem sie Souran gebeten hatte die
Belagerung abzubrechen, und ihre Tochter zur Ausbildung in die Weisse Burg
geschickt hatte, die Sympathien Tar Valons. Andor war die erste Nation, deren
Herrscher eine Aes Sedai Beraterin hatte.
Es ist Tradition, und inzwischen auch Gesetz, dass nur eine Königin
den Löwenthron einnehmen und die Rosenkrone tragen darf, nicht aber ein
König. Daher wird der Thron nicht dem ältesten Sohn, sondern der
ältesten Tochter, Tochter-Erbin genannt, vererbt. Angeblich entstand
diese Tradition daraus, dass keiner der Söhne den Hundertjährigen
Krieg überlebte.
Die Tochter-Erbin absolviert eine Ausbildung in der Weissen Burg, ob sie nun
die Macht lenken kann, oder nicht. Sie übernimmt nach dem Tod oder dem
Rücktritt ihrer Mutter den Thron. Der älteste Sohn hingegen ist
der erste Prinz des Schwertes, und verpflichtet sich seine Schwester mit seinem
Leben zu schützen und zu verteidigen. Auch er wird zur Weissen Burg geschickt
und absolviert dort dieselbe Ausbildung wie angehende Behüter. Der erste
Prinz des Schwertes wird schon früh darauf vorbereitet in Kriegszeiten
den Oberbefehl über das Heer zu übernehmen, und der Königin
als militärischer Berater zur Seite zu stehen. Falls die Königin
keinen Bruder hat, ernennt sie einen Prinz des Schwertes.
Falls die amtierende Königin jedoch keine Tochter hat, wird der Thron
an die nächste weibliche Verwandte weiter gegeben. Da alle Grossen Häuser
inzwischen untereinander verwandt, und die verwandtschaftlichen Verhältnisse
dadurch alles andere als klar sind, führte dies in der Vergangenheit
zu den Erbfolgekriegen, von denen es insgesamt drei gab. Der letzte fand statt
nach dem die Tochter-Erbin Tigraine spurlos verschwunden war. Damals ging
Morgase aus dem Haus Trakand siegreich aus der Auseinandersetzung hervor,
und hatte bis vor kurzem den Löwenthron inne.
Andor stand in der Vergangenheit häufig mit Cairhien im Krieg, doch dank
der Stärke des Andoranischen Heeres, dass grösstenteils aus der
Königlichen Garde besteht, tat das dem Erfolg der Nation keinen Abbruch.
Während der letzten drei Regierungen war ein Mann der Befehlshaber der
Garde: Generalhauptmann Gareth Bryne, der inzwischen allerdings im Ruhestand
ist.
Die Garde ist in Friedenszeiten für die Befolgung der Gesetze, sowie
für den Friedenserhalt zuständig. In abgelegenen Gebieten wo die
Garde nicht präsent ist, übernehmen Mitglieder der örtlichen
Miliz diese Pflichten.
Durch den Export von Tuchen, wertvollen Metallen, Eisenarbeiten, Tabak und
Getreide ist Andor eine wohlhabende Nation, deren Herz die Hauptstadt Caemlyn
ist. Viele würden sagen, dass Caemlyn nach Tar Valon die schönste
Stadt des Landes ist. Am meisten sticht einem dort der Palast im Herzen der
Stadt ins Auge. Von Ogiern erbaut erscheinen die strahlend weissen Erker und
Steinmetzarbeiten zart wie Spitze, und sind doch viel stabiler. In der Altstadt
Andors waren viele Gebäude von Ogiern errichtet worden, während
die Neustadt ausschliesslich von Menschenhand erbaut wurde.
Alt- und Neustadt werden von einer Mauer aus silberweissen Steinen umschlossen,
die in regelmässigen Abständen von Türmen, und ansonsten nur
von den grossen Bogentoren der Strassen unterbrochen wird.
Ein fast vergessener Teil von Andor sind die Zwei Flüsse, ganz im Westen
des Landes. Abgegrenzt durch Flüsse, Gebirge und Sümpfe, haben ihre
Bewohner fast keinen Kontakt zur Aussenwelt, und manche wissen nicht einmal,
dass das Gebiet zu einer grösseren Nation gehört. Allerdings scheinen
auch die Herrscher Andors diese Tatsache vergessen zu haben, da die Bevölkerung
der Zwei Flüsse schon lange keine Steuern mehr bezahlt, und bis jetzt
noch keine Königin dagegen protestiert hat.