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Autor: Salak Turvalis
Veröffentlicht: 23.11.2008, 21:45:29
Letzte Änderung: 02.04.2009, 23:45:50
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 Abstract: Das zweite Kapitel aus der Geschichte um Mat


„Seid ihr bereit?“ Mat hielt den bronzenen Dolch an die glatte Wand, die aus purem Gold zu bestehen schien, und hoffte beinahe, es würde Einwände geben. Er fühlte sich seltsam nackt ohne sein Amulett und hatte sich wiederholt davon abhalten müssten, ständig nach der Stelle an seiner Brust zu tasten, an der es sonst hing. Er war Angriffen durch die Eine Macht jetzt schutzlos ausgeliefert, ein unangenehmer Gedanke, nachdem er so lange einen Schutz dagegen getragen hatte.

„Sicher.“ gab Noal ruhig zurück. Der Mann wirkte, als freue er sich darauf, endlich leibhaftig auf die Schlangen und Füchse zu treffen – jedenfalls soweit Mat das im schwachen Mondschein des umgebenden Waldes sagen konnte.

„Überlasse das Reden uns, Mat. Es wird schon gut ausgehen.“ meinte der alte Gaukler beruhigend. Seltsamerweise fühlte er sich wirklich etwas besser. Diese beiden weißhaarigen Männer hatten zweifellos mehr erlebt, als er sich in seinem Alter auch nur vorstellen konnte – zumindest, wenn er seine fremden Erinnerungen außer acht ließ. Thom hatte ihm alles berichtet, was sie gemeinsam erlebt hatten, als er erfuhr, dass Mat diese Erinnerungen zu großen Teilen verloren hatte. Es hatte geklungen, als wären all diese Ereignisse nur eine kleine Anekdote am Rande seines Lebens. Und Noal... Wenn man den Geschichten dieses Mannes lauschte, schien er mehr erlebt zu haben, als andere in drei Leben. Er konnte sicher Schlechteres tun, als den Ratschlägen dieser beiden Männer zu folgen.

Grimmig ritzte er ein Dreieck in das Gold vor sich und fügte dann Wellen hinzu, wie er sie auf dem Türrahmen im Stein von Tear gesehen hatte.

Er nahm die Hand herunter und einen Moment lang erschien es, als würde garnichts geschehen. Dann jedoch schimmerte das Gold kurz auf und eine weiß leuchtende Linie zog sich in einem Bogen über die Wand. Sobald die Linie auf beiden Seiten bis zum Boden reichte, begann die eingeschlossene Fläche zu leuchten, als wäre es helllichter Tag, und er kniff die Augen zu.

„Dann wollen wir mal.“ erklang die geschäftsmäßige Stimme Noals und er spürte eine Hand auf jeder Schulter. Gleichzeitig traten sie in das Leuchten hinein.

Wie bei den Ter'angrealen im Stein und in Rhuidean, verlor er kurzzeitig die Orientierung und schien in purem Licht zu schweben, bevor er wieder festen Boden unter den Füßen spürte und das Leuchten verschwand. Er schüttelte die Hände seiner Begleiter ab und sah sich um.

Der weitläufige und sehr glatte Boden wurde von schwarzen und weißen Dreiecken gebildet, deren Kanten jedoch nicht gerade, sondern geschwungen waren. Um sie herum erhoben sich hohe weiße Wände, die in langen Reihen schmucklose Balustraden zeigten, welche sich in immer größere Höhe schraubten. Er konnte nur staunen, als er den Kopf in den Nacken legte und feststellte, dass selbst die Weiße Burg nicht höher sein konnte, als dieser Turm. Ihm wurde klar, dass er wusste, wo er sich befand: Dies war eben jener Turm, den er auf seinen vorigen Reisen nur durch Fenster gesehen hatte, und sie befanden sich offenbar genau in seiner Mitte.

„Ich kenne diesen Turm.“ flüsterte er unbewusst.

„Überlasse das Reden uns!“ zischte Noal in strengem Tonfall. Mat blickte zur Seite, aber der Mann schaute nicht zu ihm, sondern zu den zwei unangenehm vertraut wirkenden Gestalten, die plötzlich vor ihnen standen.

„Hier wird die Frage beantwortet und der Handel geschlossen.“ sagte der Schlangenmensch zu ihrer Linken und atmete tief ein, was unangenehme Erinnerungen in ihm weckte.

„Habt ihr Musikinstrumente dabei, etwas aus Eisen oder etwas, mit dem man Feuer machen kann?“ wollte sofort im Anschluss der Fuchsmensch zur Rechten wissen.

Mat konzentrierte sich wie abgesprochen intensiv darauf, dass seine versteckten Dolche aus Stahl und nicht bloß aus Eisen waren. Bevor er jedoch antworten konnte, ergriff Noal das Wort.

„Natürlich, denn etwas anderes ist nicht möglich.“

Was sollte das werden? Dieser Verrückte hatte gerade ihr Todesurteil unterschrieben! Hatte er gedacht, doch die beiden ungleichen Gestalten vor ihm wirkten zwar verunsichert, aber nicht wütend.

„Erkläre uns das.“ forderte der Eelfinn in misstrauischem Tonfall.

Mit einem Lächeln antwortete Noal: „Nun, es ist eine bekannte Tatsache, dass jede menschliche Gestalt unter anderem auch Eisen enthält. Eisen ist ein integraler Bestandteil des menschlichen Blutes, wie zweifelsohne auch des Euren, also, wie könnten wir hier erscheinen, ohne etwas aus Eisen mit uns zu führen? Jeder Mensch, der je hierherkam, hatte zwangsläufig etwas aus Eisen dabei.“

Mat gefiel dieses Gerede über Blut nicht, aber wenn Noal behauptete, dass Eisen darin war, war es vielleicht wirklich so.

Der Aelfinn schnüffelte vorsichtig und wich dann etwas zurück. „Es ist wahr.“ wandte er sich an seinen Begleiter. Beide schienen nicht besonders glücklich darüber zu sein.

„Was die Musikinstrumente betrifft“ ergriff Thom das Wort „so habe ich persönlich immer gefunden, dass Gesang die beste Musik überhaupt sei. Ihr müsst wissen, dass ich ein Gaukler bin, und was für ein Gaukler wäre ich, wenn ich nicht singen könnte? Natürlich ist jeder Mensch, der sprechen kann, auch in der Lage, zu singen, also hatte sicherlich jeder Mensch, der je hierherkam, zwangsläufig immer ein Musikinstrument dabei: Seine Stimme.“

Mat wusste, dass Thom seine Flöte dabei hatte, aber er wusste auch, dass Thom sehr stolz auf seinen Gesang war. In gewissem Sinne war seine Stimme wohl tatsächlich sein wertvollstes Musikinstrument, überlegte er. Das war phantastisch, die beiden schlugen die Aelfinn und Eelfinn mit ihren eigenen Waffen!

„Es ist wahr.“ Die Stimme des Aelfinn klang diesmal sehr besorgt, während der Eelfinn misstrauisch die Augen zukniff.

„Und was das Feuermachen angeht“ meinte Noal gelassen „so bin ich darin ein wahrer Meister. Ich habe schon mit praktisch allem Feuer gemacht, wenn die Nacht allzu kalt war: Holz, Wolle, sogar Stein. Ich könnte auch aus Eurer Kleidung noch Feuer machen, wenn ich das wollte. Natürlich besaß jeder Mensch, der je hierherkam, dieselben Fähigkeiten, auch wenn es ihm nicht bewusst gewesen sein mag.“

Das seidig wirkende Gewand des Aelfinn brannte sicher leichter, als die vernieteten Lederriemen des Eelfinn, aber Mat bezweifelte nicht, dass bei genügend Geduld sogar sie brennbar wären. Seine beiden Begleiter waren wirklich gut, Aludras seltsame Hölzer waren bestimmt nicht nötig, um hier ein Feuer zu machen. Wozu etwas zum Feuermachen mitbringen, wenn es hier doch genug Brennbares gab? Die Bäume draußen würden schon reichen.

„Es ist wahr!“ rief der Aelfinn erneut und wich abermals vor ihnen zurück. Auch der Eelfinn trat jetzt zurück und zeigte seine spitzen Zähne bei etwas, das wohl kaum ein Lächeln war.

Plötzlich schienen sie mehr als ein Dutzend Schritte entfernt zu sein und debattierten offenbar miteinander.

„Das läuft doch schon ganz gut.“ flüsterte Noal.

„Hoffen wir, dass wir damit durchkommen.“ gab Thom noch leiser zurück.

„Warum sollten wir damit nicht...?“ Durchkommen. Hatte Mat fragen wollen. Thom hatte gerade noch rechtzeitig die Hand auf seinen Mund gelegt, während Noal ihm einen kräftigen Rippenstoß verpasste. Er schalt sich selbst einen Narren. Hier eine Frage zu stellen war mit Sicherheit ein Fehler. Außerdem wusste er ja schon, welche Frage er stellen wollte.

Thom blickte ihn streng an, als er seine Hand zurückzog. Ergeben nickte er, während seine Wangen sich vermutlich röteten. „Kommt nicht wieder vor.“ hauchte er und konzentrierte sich dann lieber auf ihre Gastgeber, die noch nicht zu einem Ergebnis gekommen zu sein schienen. Er musste sich besser in der Gewalt haben, wenn er hier mit heiler Haut herauskommen wollte!

Es dauerte mindestens eine Viertelstunde, bevor die beiden unvermittelt wieder vor ihnen standen. „Es ist Zeit für die Frage und den Handel.“ erklärten beide zugleich, bevor sie sich abwandten und in entgegengesetzte Richtungen gingen.

„Wem...?“ ...von Euch sollen wir folgen, hatte er fragen wollen. Was war bloß mit ihm los? Wenigstens hatte er diesmal inne gehalten, bevor ihm mehr als ein Wort entschlüpft war. Entschuldigend zuckte er die Schultern und die Männer zu seinen Seiten antworteten beide mit einem Schnauben und schüttelten leicht den Kopf. Als er seinen Blick wieder auf ihre Umgebung richtete, waren die Balustraden rundherum vollständig mit Aelfinn auf der einen und Eelfinn auf der anderen Seite gefüllt. Er hatte zwar halbwegs mit so etwas gerechnet, konnte aber dennoch nicht umhin, innerlich zu schaudern. Dies waren weit mehr Zuschauer, als er sich gewünscht hätte, sie waren hoffnungslos in der Unterzahl!

„Zu welchen exakten Bedingungen kann ein Mensch hier einen Handel mit den Aelfinn und den Eelfinn abschließen?“ fragte Noal laut und deutlich an die Aelfinn gewandt. Mat musste zugeben, dass dies eine ausgezeichnete Frage war.

Er konnte nicht ausmachen, welcher der Schlangenmenschen antwortete, aber er war gut zu verstehen. „Jeder Mensch, der sich an die alten Vereinbarungen hält, kann hier den Aelfinn genau eine Frage stellen, welche ihm beantwortet wird. Als Preis fordern wir die Gefühle der Antwort. Jeder Mensch, der sich an die alten Vereinbarungen hält, kann den Eelfinn einen Preis nennen, um etwas zu erhalten, was er sich wünscht. Ist der Preis angemessen, wird der Handel geschlossen.“

Das war alles? Mat musste sich im Zaum halten, um nicht wütend damit herauszuplatzen, dass dies wohl kaum sehr exakt angegebene Bedingungen waren.

Noal jedoch nickte nur und wechselte einen kurzen Blick mit Thom, ohne auf ihn zu achten. Thom nickte kurz und wandte sich dann ebenfalls an die Aelfinn: „Wo befindet sich Moiraine Damodred?“

Diesmal klang die Antwort weiblicher, aber wieder konnte er nicht erkennen, welche der Aelfinn sprach. „Moiraine Damodred befindet sich in der Obhut der Eelfinn.“

Aber wo? Diese verdammten Schlangen beantworteten ihre Fragen nicht! Thom jedoch wirkte mit der Antwort durchaus zufrieden, als er einen weiteren Blick mit Noal wechselte. Jetzt war er dran, er hatte sich fest vorgenommen, diese Frage zu stellen, also würde er es auch tun, ganz gleich, was seine Begleiter davon hielten.

„Was genau bedeuten die Würfel in meinem Kopf?“ Thom und Noal musterten ihn mit überraschten Blicken, aber Mat blickte zu den Aelfinn und wartete gespannt auf die Antwort.

Ein Raunen ging durch die Reihen der Zuschauer, aber die Antwort ließ auf sich warten. Er knirschte mit den Zähnen, als Noal flüsterte „Es scheint, als würde ihnen Deine Frage nicht sehr gefallen, Mat.“ Thom nickte grimmig und seine Hand verschwand unter seinem Ärmel. Es war vermutlich keine gute Idee, jetzt zu den Waffen zu greifen, aber andererseits hatte Mat auch nicht vor, hier zu sterben, also hielt er den Bronzedolch wurfbereit in der Hand und lockerte seine eigenen Ärmel. Dann endlich kam die Antwort.

„Die Würfel sind die Anzeichen für Veränderungen des Musters, die Du wirkst. Wann immer Dein Schicksalsfaden das Muster aus Licht und Schatten verändern kann, wirst Du sie wahrnehmen. Wenn Du das Muster geformt hast, werden sie vergehen. Wärest Du nicht, was Du bist, hätten wir Dir nicht einmal so viel sagen können, also frage nicht weiter, Du hast die Aelfinn schon zuvor betrogen!“

Der Schluss klang beinahe drohend. Er sollte sie betrogen haben? Wütend trat er einen Schritt vor, aber Thom zog ihn schnell zurück. „Ich glaube nicht, dass Du sie noch mehr gegen Dich aufbringen solltest, Mat. Noal, Du bist dran.“ Thom klang ruhig, funkelte ihn bei diesen Worten aber zornig an, was Mat nun überhaupt nicht verstand. Diese verdammten Schlangen waren es, die betrogen, und nicht er!

Der Angesprochene zögerte nicht, sondern wandte sich an die Eelfinn auf ihrer anderen Seite: „Ich bin ein alter Mann und habe vieles gesehen, das ich lieber vergessen möchte, aber bisher nicht konnte. Hier jedoch besteht die Möglichkeit, dass mir dieser lange gehegte Wunsch erfüllt wird, darum schlage ich Euch folgenden Handel vor: Wenn ihr als Preis all die Erinnerungen akzeptiert, die ich so sehnlich vergessen möchte, dann bringt als Gegenleistung Moiraine Damodred zu mir hierher.“

Erneut musste Mat zugeben, dass Noal wusste, was er tat. Seine schrecklichsten Erinnerungen herzugeben, war jetzt der Preis und nicht der Wunsch. Das war wirklich gut ausgedacht. Die Eelfinn gaben noch keine Antwort, aber Mat glaubte, dass sie tatsächlich darüber nachdachten, den Handel zu akzeptieren, zumindest hatten sie nicht gleich abgelehnt. Noal musste wirklich schlimme Erinnerungen haben, wenn er sie freiwillig hergab. Er selbst hatte bereits genug Lücken in seinem Verstand, niemals würde er zulassen, dass die Eelfinn nochmal daran herumpfuschten!

Es brauchte eine gute Viertelstunde, bevor sie sich endlich entschieden hatten: „Gemacht. Komm zu uns herüber.“

Ohne zu Zögern trat der zerbrechlich wirkende Mann auf die Eelfinn zu und sie umringten ihn gierig. Mat wandte sich unwillkürlich ab und ihm wurde übel. „Es wird schon gut ausgehen.“ flüsterte Thom leise, aber seine Stimme klang nicht sehr fest bei diesen Worten.

Schon nach wenigen Momenten traten die Eelfinn wieder zurück und Mat sah, dass Noal schwankte. Er wollte zu ihm rennen, aber Thom hielt ihn mit festem Griff an der Schulter zurück. Dann sah Mat erleichtert, wie Noal sich wieder fing und zu ihnen umwandte. Seine Erleichterung verflüchtete sich rasch, als er den abwesenden Blick bemerkte, mit dem der alte Mann sie musterte, bevor er langsam auf sie zu kam. Ein vages und verwirrt wirkendes Lächeln zeigte sich auf dem von Falten durchzogenen Gesicht.

Wütend wandte er sich an die Eelfinn: „Was habt ihr mit ihm gemacht? Und wo ist Moiraine?“

Hinter ihm rief eine der Aelfinn mit schriller Stimme: „Der Handel wurde erfüllt. Sie wird gebracht.“

Es gab ein wütendes Raunen auf den Rängen der Eelfinn. „Er bricht die Vereinbarung! Dafür muss er bezahlen!“ war einer der ersten Rufe, die er hörte.

„Er weiß nicht, was er tut!“ kam es von den Aelfinn zurück. Es klang fast, als versuchten sie plötzlich, ihn in Schutz zu nehmen, so eine Unverschämtheit! Bevor er jedoch Einwände erheben konnte, presste Thom ihm erneut die Hand fest auf den Mund und sagte grimmig: „Wirst Du endlich den Mund halten! Du bringst sie gegen uns auf, Mat!“

Mürrisch nickte er und Thom nahm vorsichtig seine Hand zurück, bevor er sich freundlich an Noal wandte und ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter legte. „Ein angemessener Preis, mein Freund. Er wird nicht umsonst gezahlt worden sein.“ Der andere nickte mit vagem Lächeln und schaute sich neugierig um, während Mat besorgt mit den Zähnen knirschte. Was hatten diese verdammten Füchse dem Mann bloß angetan?

Dann erschienen wie aus dem Nichts vier der Eelfinn vor ihnen und legten eine Frau vor Noals Füße, bei der es sich nur um Moiraine handeln konnte. „Was habt ihr mit ihr gemacht?“ rief Mat unwillkürlich und beugte sich besorgt über die Frau, um ihren Puls zu fühlen. Er nahm das unterdrückte Stöhnen kaum war, welches plötzlich von den Rängen der Aelfinn erklang, als sie sich bemühten, seine Frage nicht zu beantworten. Der Körper der Aes Sedai war übersät mit Schrammen, Blauen Flecken und Schnitten, die teilweise fast verheilt und teilweise noch frisch wirkten! Wenigstens war sie noch am Leben, wie er erleichtert feststellte. Sogar einige ihrer Knochen schienen gebrochen zu sein!

Er war überrascht, als Thom ihn grob zur Seite stieß und Moiraines Kopf sanft auf seinen Schoß legte. Bevor er ihn jedoch fragen konnte, was das sollte, zischte der Mann wütend: „Halte endlich den Mund, Mat, und hör mir gefälligst zu. Eigentlich wollte ich mit meinem Handel uns alle wieder hier raus bringen, aber so können wir sie nicht bewegen. Ich werde dafür sorgen, dass Moiraine wieder auf die Beine kommt, aber dann bist Du der einzige, der uns noch heraus bringen kann. Du musst mit Deinem Handel alle vier von uns hier raus bringen, hast Du das verstanden?“

„Thom, was...?“

„Hast Du mich verstanden, Mat?“ der Gaukler wirkte jetzt regelrecht wütend, also machte er beruhigende Gesten in seine Richtung und bestätigte, das sei der Fall. Sie hier raus bringen, aber sicher doch, nichts lieber als das!

Die Aufregung auf den Rängen legte sich langsam, als Thom vorsichtig Moiraines Kopf niederlegte und sich mit eleganten Verbeugungen zuerst an die Aelfinn und dann an die Eelfinn wandte. Seine Stimme klang volltönend und klar durch den Turm.

„Der Handel, den ich vorschlage, lautet wie folgt: Ich erbitte die körperliche Unversehrtheit von Moiraine Damodred und biete dafür eine Darbietung meiner höchsten Kunst für Euch alle.“

Er wollte singen? Was sollte das für ein Preis sein? Dennoch schienen die Eelfinn sein Angebot ernsthaft in Betracht zu ziehen und es kehrte zu seiner Überraschung wieder Ruhe ein.

„Was soll das werden, Thom?“ wandte er sich flüsternd an den Gaukler, aber der strenge Blick, den er als Antwort bekam, ließ ihn mürrisch wieder verstummen.

Es dauerte etwa zehn Minuten, bevor schließlich ein „Gemacht.“ erklang und Thom begann, die wilde Jagd nach dem Horn vorzutragen. Mat musste zugeben, dass der Mann sich wirklich Mühe gab und er den Zyklus noch nie so vollendet gehört hatte, nicht einmal, wenn er an seine Erinnerungen der anderen Leben zurückdachte. Dennoch wurde Moiraine zusehends schwächer und er wagte kaum zu hoffen, dass sie noch lange genug durchhielt. „Ich bringe uns hier raus.“ murmelte er ihr beruhigend zu „Wir schaffen es, Moiraine, ich verspreche es, bitte, stirb mir jetzt nicht unter den Händen weg.“ Ihre Hände waren kalt und ihr Atem wurde immer schwächer, verdammt sollten die Schlangen und Füchse sein, dass sie ihr das angetan hatten! Er war weiterhin bemüht, ihr Mut zuzusprechen, aber der Zyklus schien sich unendlich langsam seinem Ende zu nähern, bevor er endlich mit einem sauber getroffenen hohen Ton endete, der noch lange nachzuschwingen schien. Er achtete nicht auf das bedauernd wirkende Seufzen, welches jetzt von den Rängen erklang – einigen der Aelfinn schienen tatsächlich Tränen über die Wangen zu laufen, soweit er erkennen konnte! - sondern rief ungeduldig „Thom!“

Ein weiteres erregtes Raunen über seine Einmischung erklang rundherum, aber das kümmerte ihn nicht, die verdammten Eelfinn sollten endlich Moiraine wieder gesund machen – falls sie das überhaupt konnten.

„Verdammt, Mat, wann lernst Du endlich, den Mund zu halten! Sie sind schon auf dem Weg.“ ungehalten deutete der Gaukler auf vier der vom Licht verfluchten Füchse, die sich ihnen näherten. „Denke lieber darüber nach, wie Du uns hier raus bringst, sobald sie geheilt ist!“ Dann zog er ihn zurück, während die Eelfinn sich gierig über die Frau beugten, die entsetzlich wehrlos auf ihn wirkte, obwohl sie doch eine Aes Sedai war.

„Es ist gleich überstanden, Mat.“ Jetzt klang Thom wieder wie er selbst, er schien sich dem Licht sei Dank wieder beruhigt zu haben. Noal wirkte noch immer wie entrückt und schenkte ihnen kaum Beachtung, während er neugierig beobachtete, was um ihn herum geschah. „So schöne Musik.“ hörte Mat ihn murmeln und schauderte erneut.

Dann traten die Eelfinn zurück – oder vielmehr, sie standen plötzlich weiter weg und gingen dann – und er hörte Moiraine murmeln: „Wo bin ich?“

Gemeinsam mit Thom half er ihr vorsichtig auf die Beine, während aus den Reihen der Aelfinn die Antwort kam: „Im Turm des Ghenjei.“

Des Ghenjei? Er hatte geglaubt, Ghenjei sei ein Ort, aber jetzt klang es eher wie ein Name oder Titel. Angesichts der Umstände schob er seine Neugier jedoch beiseite, sondern richtete seine Aufmerksamkeit lieber auf die Aes Sedai.

„Thom.“ Sie öffnete die Augen. „Mat, ihr seid endlich gekommen.“ Sie riss sich mit sichtlicher Mühe zusammen. „Wie lauten die Bedingungen im Turm von Ghenjei?“ fragte sie mit schwacher Stimme, aber in forderndem Tonfall.

Zu Mats Überraschung war es Noal, der antwortete. „Eine Frage und einen Handel für jeden.“ Er warf dem Mann einen Blick zu, aber der merkte es nicht und schien wieder in Gedanken versunken.

„Habt ihr noch einen Handel übrig, um uns hier raus zu bringen?“ wollte die Aes Sedai als nächstes wissen.

„Mat hat seinen Handel noch nicht verbraucht, Moiraine. Wenn er seine Zunge noch etwas im Zaum hält, sollte er uns hier raus bringen können.“

„Das wird er.“ sagte sie fest und blickte ihm zuversichtlich in die Augen. „Ich sollte zumindest einen Teil der Schuld bezahlen, die ich bei Euch dreien habe.“ Sie warf einen kurzen Blick auf Noal und fuhr dann fort. „Da auch ich jetzt den Turm von Ghenjei betreten habe, steht auch mir ein Handel zu, auch wenn ich meine Frage leider schon gestellt habe.“ erklärte sie.

Sie richtete sich etwas auf und wandte sich an die Eelfinn. „Gemäß der alten Vereinbarung schlage ich folgenden Handel vor: Ich erbitte, diese drei von allen Verletzungen der Vergangenheit zu befreien, als wären sie nie geschehen, und biete als Preis die Erinnerungen aller Schmerzen, die ich hier bekommen habe.“

Schon wieder Erinnerungen? Erst jetzt ging Mat auf, dass er noch keine Ahnung hatte, wie er sie hier wieder herausbringen sollte. Die Erinnerungen, die er in Rhuidean bekommen hatte, waren zwar nicht sehr angenehm, aber er musste zugeben, dass sie schon oft geholfen hatten, ihn am Leben zu halten. Außerdem würden sie diesen Preis wohl kaum akzeptieren, schließlich hatten sie sie ihm gegeben. Singen konnte er auch nicht besonders, also, was sollte er anbieten? Innerlich sträubte sich alles an ihm, diesen verdammten Betrügern irgendetwas zu geben, ganz gleich, was. Seine Gedanken wurden unterbrochen, als aus den Reihen der Eelfinn ein „Gemacht.“ erklang. Plötzlich erschienen zahlreiche der verdammten Fuchsgesichter direkt vor ihm und hielten ihn fest. Er hatte gerade noch Zeit zu bemerken, dass es Thom und Noal nicht besser erging, als seine Sinne sich trübten und er Schmerzen fühlte. Er versuchte sich zu wehren, aber überall an seinem Körper spürte er Schläge und Schnitte. Dann raubte ihm ein Schmerz in der Hüfte fast das Bewusstsein, und er schrie laut auf, bevor es endlich vorbei war und die vom Licht verfluchten Füchse ihn losließen.

Keuchend sog er Luft in seine Lungen und kämpfte sich mühsam auf die Beine. Rasch tastete er seinen Körper ab, konnte aber keinerlei Verletzungen feststellen.

„Jetzt, Mat. Bringe uns hier heraus.“ Moiraine legte ihm lächelnd eine Hand auf die Schulter, aber er schüttelte sie wütend ab.

„Verdammt sollt ihr sein!“ rief Mat an die Ränge gewandt. Abermals erhob sich ein wütendes Raunen, diesmal auf beiden Seiten zugleich.

„Mat!“ rief Thom ungehalten, aber wütend ignorierte er den Einwurf zur Seite und fuhr fort.

„Ihr seid alle verdammte Lügner und Betrüger! Lass mich los, Thom, ich habe lange genug geschwiegen!“ Er schlug die Hand des Gauklers beiseite und erwiderte die wütenden Blicke von den Rängen mit gleicher Intensität. „Eure dämlichen Vereinbarungen haben wir allesamt gebrochen, hört ihr!“

„Nein!“ rief Moiraine, aber es war zu spät. Von allen Seiten stürmten Schlangen und Füchse auf sie zu. Thom griff hektisch nach seiner Flöte und sogar Noal schaffte es, eines von Aludras Hölzern zu entzünden und die Angreifer blieben auf Abstand.

„Jeder Narr weiß, dass Stahl, aus Eisen besteht, ihr verdammten Ziegenköpfe!“ Er zog seine Klingen und trotz ihrer wütenden Gesichter wagte sich niemand näher an sie heran. Thom spielte eine Melodie, die wohl beruhigend wirken sollte, aber die Aelfinn in ihrer Nähe begannen zu schwanken, während die vorderen Eelfinn sich die Ohren zuhielten und zurückwichen.

„Mat, Ihr müsst sofort einen Handel abschließen, sonst kommen wir hier nie wieder heraus!“ rief Moiraine streng und ihre Wangen zeigten wütende Flecken.

„Sie haben Dich gefoltert, Moiraine und Thom, Noal und mich auch! Sie habe mich zum Sterben in die Wüste geschickt und mich dann aufgehängt, von mir bekommen die Schlangen und Füchse garnichts!“ Seine eigene Wut stellte die der anderen in den Schatten. Er spürte, dass der Boden zu beben begann, aber das war ihm egal, sollte der verdammte Turm die verdammten Aelfinn und Eelfinn doch unter sich begraben!

„Mat, Du musst uns hier herausbringen!“ rief Thom und es klang fast panisch. Hektisch blies er wieder in seine Flöte, als die Angreifer sich wieder näherten. Noal zog eines der Hölzer nach dem anderen hervor und entzündete es, aber die kleine Schachtel leerte sich zusehends.

„Ihr wollt einen Handel? Den sollt ihr haben! Ihr lasst uns alle vier jetzt sofort unbehelligt gehen und behaltet Euren verdammten Turm für Euch und bevor ich Euch etwas dafür gebe, steche ich mir lieber ein Auge aus!“

„Gemacht!“ ertönte es vielstimmig aus den Reihen der Eelfinn und sie grinsten ihn gierig an.

„Das dürft ihr nicht!“ rief einer der Aelfinn laut und weitere begannen ebenfalls zu protestieren.

„Was soll das heißen, gemacht?“ rief Mat laut dazwischen. Er hatte doch garnichts angeboten!

„Der Handel wurde geschlossen.“ riefen einige der Aelfinn und stöhnten dann auf. „Er bricht den Pakt erneut!“ erhoben sich anklagende Stimmen, diesmal aus ihren eigenen Reihen.

„Tu es jetzt!“ rief einer der Eelfinn und andere fielen gierig ein. Was sollte das heißen?

„Ich habe schon einmal gesehen, wie ein Mann freiwillig eine Hälfte des Lichts der Welt aufgab.“ sagte Noal und klang überrascht. „Ich konnte ihn zwar nicht leiden, aber er war ein tapferer Mann.“ fügte er hinzu und ließ das letzte Hölzchen fallen, als es seine Finger verbrannte.

Mat erstarrte bei diesen Worten innerlich zu Eis, als er verstand. „Lieber steche ich mir ein Auge aus“ - „Die Hälfte des Lichts der Welt“

„Ihr habt vielleicht gerade einen Frieden beendet, der schon lange vor dem Zeitalter der Legenden Bestand hatte, Matrim Cauthon!“ Die Aes Sedai wirkte wieder so blass, wie kurz nach ihrer Heilung, und starrte mit großen Augen auf die Aelfinn, von denen einige jetzt Klingen aus Bronze zogen. Sie schienen sich nicht entscheiden zu können., ob sie ihn oder die Eelfinn angreifen sollten, das war offenbar das einzige, was sie außer Thoms Flöte noch zurückhielt. Eindeutig konnte man Angst in der Stimme der Aes Sedai hören. Mat schenkte ihr keine Beachtung.

„Ihr habt es gewusst!“ schrie er wütend und deutete anklagend auf die Aelfinn. Jetzt waren es die Füchse, die aufgebracht wirkten, während die Aelfinn ihn erschrocken musterten und ihre Waffen senkten.

„Er ist ein Lügner!“ rief einer der Schlangenmenschen an die Eelfinn gewandt und zeigte auf ihn, während er klang, als würde er sich verteidigen wollen.

„Das bin ich nicht! Ihr habt es mir selbst gesagt, ich muss die Hälfte des Lichts der Welt aufgeben, um die Welt zu retten! Ihr habt es von Anfang an gewusst!“ Jetzt wichen die Aelfinn vor ihm zurück, während die Eelfinn plötzlich wütend wirkten und zugleich ihre eigenen gebogenen Klingen aus Bronze hoben.

„Wir müssen hier raus!“ schrie Noal wild, Thom pfiff schrill auf seiner Flöte und Moiraine ließ mit zitternder Hand eine unstete Kugel aus Feuer über ihren Köpfen erstrahlen, die alle Schlangen und Füchse etwas zurücktrieb.

Mat nahm das alles kaum noch zur Kenntnis, sondern starrte auf den Dolch in seiner rechten Hand.

...um die Welt zu retten. Es war ein grausiger Preis, der da von ihm verlangt wurde, aber er hatte keine andere Wahl, es war sein Schicksal. Er trieb den Dolch in sein linkes Auge, bevor ihn der Mut verließ, und alles versank in Schmerz, während er schrie wie noch nie zuvor in seinem Leben.

Ein blendendes Licht verstärkte den Schmerz noch zusätzlich und dann schlug er hart auf den Boden.

„Haltet ihn fest!“ Er hörte die Worte kaum, aber dafür spürte er, wie kräftige Hände ihn ergriffen, so dass er sich nicht mehr rühren konnte. Es war ihm egal, solange nur dieser entsetzliche Schmerz endlich aufhörte!

Dann durchfuhr ihn eisige Kälte und er schnappte unwillkürlich nach Luft, bevor er das Bewusstsein verlor.







23.11.2008 22:00:53

Sharoz

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Eine äußerst gelungene Fortsetzung! Ich mag den Stil, vorallem der eher unterschwellige Humor passt ausgezeichnet.

Ich bin mal gespannt, ob und wie das mit dem Turm im Original weiter geht.

Auf jeden Fall bin ich wieder begeistert!

---
Sharoz Asha'man
25.11.2008 21:12:25

Maddok

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Wieder einmal sehr sehr gut geschrieben, auch wenn ich diesmal ein winziges bisschen Kritik anbringen muss.
In dieser Geschichte können Thom und Noal sich ungehindert mit den Schlange und den Füchsen unterhalten. Diese sprechen allerdings nur die Alte Sprache, das wurde in der Stelle gesagt, als Rand und Mat sich über ihre Erlebnisse bei ihnen unterhielten. Rand bekam einen Übersetzer zu Seite gestellt. Mat hingegen konnte die Alte Sprache allerdings perfekt.
Aber da du ja auch nicht unser hochverehrter RJ bist, ist dir dein kleiner Schnitzer sicherlich vergeben und ich muss sagen, dass das Lesen mir richtig Lust auf den letzten Band gemacht hat.
---
Asha'man, Augen geradeaus!
26.11.2008 12:15:28

Salak Turvalis

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Wieso Schnitzer? Thom singt zur Not sogar in der Alten Sprache! Sicher versteht er die Finns nicht so problemlos wie Mat, aber er kommt gut zurecht. Auch "Noal" (über den im nächsten Teil noch mehr zu erfahren ist) hatte mehr als genug Gelegenheit, die Alte Sprache aufzuschnappen. Außerdem haben die beiden ja genau vorbereitet, was sie zu den Finns sagen, sie können es auswendig.

Ein Detail, das nicht herauskommt, weil es Mat einfach nicht auffällt, ist, dass die beiden älteren sich untereinander und mit Mat in der Gemeinsprache unterhalten, die Finns kriegen so nix davon mit, deshalb kann Thom Mat auch problemlos eine Frage stellen, ohne dass es Ärger gibt.

Mat selbst spricht im Turm übrigens durchgehend die alte Sprache.

Dass Moiraine damit keinerlei Probleme hat, ihn zu verstehen, liegt natürlich daran, dass auch sie (als Adelige UND Aes Sedai) recht gut die Alte Sprache beherrscht. Sie brauchte ja auch im Stein keinen Dolmetscher.
---
Ethik ist die Kunst, das Falsche zu tun, weil es richtig ist.
26.11.2008 16:46:55

Maddok

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Nun, in dem Fall nehm ich alles zurück und behaupte das Gegenteil. Hab da einfach nicht dran gedacht. In dem Fall wirklich gut gemacht
---
Asha'man, Augen geradeaus!
12.12.2008 12:15:12

Candlelight

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Ich bin begeistert. Dein Stil ist echt mitreißend und immer wieder baust du überraschende Dinge ein, die auf eine 'schwarze-Humor-Art', rüberkommen. Wie mit dem Eisen. Geniale Idee. Feuer fand ich nicht ganz so überzeugend, aber das macht in dem Fall nix, da 'Eisen' so genial war und 'Gesang' in Ordnung.... so dass man das dritte dann einfach mitnimmt.
Die Stelle mit dem Auge kommt auch toll.
Das einzige was mir jetzt fehlt, ist der Ausdruck 'Blut und Asche'. ;)
---




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