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Autor: Torgal al´Beriyon Veröffentlicht: 07.04.2003, 22:28:11 Letzte Änderung: 07.04.2003, 22:30:38 Schreibrecht: Nur Administratoren [ Artikel bearbeiten ] Abstract: Das Rad dreht sich, Zeitalter kommen und gehen, kehren wieder und werden wieder vergessen. Jeder Blick in die Zukunft ist zugleich ein Blick in die Vergangenheit, jeder Blick in die Vergangenheit ein Blick in die Zukunft. Drehen wir das Rad nun einmal zurück - oder nach vorne, das spielt keine Rolle - und betrachten wir einige Geschehnisse, die längst vergangen sind und noch weiter davon entfernt sind, wiederzukehren... Das Rad kommt im Jahre 1148 NZ zum Stehen, zur Zeit der großen Trolloc-Kriege. Eisige Kälte war ins Land gezogen und in der Festung Sarpodan liefen die Vorbereitungen für die nächste Angriffswelle aus der Fäule. Lord Logar aus dem Hause Bartowin, einem eher unbedeutenden Adelsgeschlecht, ging in seinen Räumen den Schlachtplan noch einmal in Gedanken durch. Angesichts der Übermacht der Trollocs, die noch dazu einige Schattenlords, sowohl weibliche als auch wahrscheinlich schon halb verrückte männliche Machtlenker, bei sich hatten, bestand die einzige Chance darin, lange genug durchzuhalten, bis die Verstärkungen seitens der Verbündeten und der Weißen Burg eintrafen. Seine drei Großlegionen, bestehend aus jeweils acht Bannern, je zur Hälfe Kavallerie und Infanterie, sowie zwei Artilleriebannern mit Katapulten, wirkten angesichts dessen, was sich in der Fäule formierte, geradezu lächerlich. Alles würde auf eine Belagerung hinauslaufen, denn eine Schlacht auf offenem Feld wäre wohl im wahrsten Sinne des Wortes tödlich für seine Armee, und wohl auch für ganz Jaramide. Sarpodan war der letzte große Stützpunkt vor der Hauptstadt Deranbar, und diese war in ihrer Konstruktion nur auf Prunk bedacht angelegt worden und deshalb fast unmöglich effektiv zu verteidigen. Zwei Wochen. Viel länger als zwei Wochen würden die Nahrungsmittelreserven nicht herhalten. Bis dahin müsste einfach Verstärkung eingetroffen sein! König Kintar Hartulem ging unruhig auf und ab. Schon vor drei Wochen hatte er Eilboten zu jeder der neun Bündnisnationen schicken lassen und nachdrücklich um Verstärkung für Sarpodan gebeten, doch bis jetzt war noch keine einzige Antwort eingegangen. Gewiss, Aramelle konnte wohl nicht viel entbehren, da es selbst ständig attackiert wurde, doch zumindest aus Safer und Aridhol sollten die Boten schon zurückgekehrt sein. Zudem waren seltsame Gerüchte über Aridhol in Umlauf. König Balwen Mayel, nicht umsonst Eisenhand genannt, schien massive innenpolitische Probleme zu haben. Außerdem kam Gerede über seinen neuen Berater auf, einen Mann namens Mordrad, Mardeth oder Mergrad, da waren sich die Quellen uneinig, der scheinbar ein härteres Durchgreifen gegen Schattenfreunde im eigenen Land gefordert hatte. Wenigstens würde die Verstärkung seitens der Weißen Burg in den nächsten Tagen ankommen. Dies hatte ihm seine Beraterin, Olysa Altarpi Aes Sedai, Sitzende der grauen Ajah, versichert. Selbst wenn Aes Sedai hätten lügen können, hätte er ihr ohne jegliche Bedenken geglaubt. Sie war seit über zwanzig Jahren seine Beraterin und hatte ihm zu jeder Zeit treu zur Seite gestanden, ihm sogar einmal das Leben gerettet, als ein Mann mit einem Dolch ihn hinterrücks angegriffen hatte und sie den Meuchelmörder in letzter Sekunde mit einem Feuerball hatte töten können. Verwunderlich war nur gewesen, dass sie danach so überzeugt davon gewesen war, einen Schattenfreund getötet zu haben... Mytram Bortal saß mit einer Gruppe anderer Soldaten an einer Feuerstelle im Lager zusammen und aß zu Abend. Die spärliche Ration Pökelfleisch und Brot reichte kaum, um satt zu werden, und für den nächsten Tag war eine weitere Rationskürzung angekündigt worden. Seit nunmehr fünf Tagen wurde Sarpodan belagert, und langsam begann Mytram, an den zuversichtlichen Durchhalteparolen der Hauptmänner zu zweifeln. „Genießen wir dieses letzte Bankett“, meinte der neben ihm sitzende Jarwin zynisch, „ab morgen müssen wir uns wahrscheinlich die toten Trollocs aus dem Burggraben fischen und essen!“. Mytram wandte sich ihm verwundert zu. Der Mann musste schon mit seinem Leben abgeschlossen haben, denn normalerweise besaß Jarwin nicht einen Funken Humor. Droben auf den Mauern wurden weiterhin Pfeile und Katapulte abgeschossen und heraufkletternde Trollocs abgewehrt. Bei Sonnenaufgang müsste Mytram wieder dort oben stehen, doch jetzt hatte er noch etwas Zeit, um Kräfte zu sammeln. Jarwin Tunwer schlich durch das nächtliche Lager. Alles war still, Schneeflocken fielen lautlos zu Boden, sogar der Kampfeslärm auf den Mauern erschien nun gedämpfter als noch vor ein paar Stunden. Er verbarg zwei Dolche in den Falten seines Gewandes, mit denen er auch umzugehen wusste, obwohl er als Infanterist meist mit Lanzen und Langspießen zu hantieren hatte. Er hatte letzte Nacht einen Traum gehabt, einen höchst seltsamen, jedoch auch aufschlussreichen Traum. Zielstrebig schlich er in Richtung der Torwache. Zwei menschliche Umrisse waren neben dem schweren Rad, mit dem man das eiserne Tor öffnen konnte, zu sehen. Leise zog Jarwin die beiden Dolche hervor. Die Würfe mussten genau treffen, es durfte keinen Lärm geben. Einen Augenblick später sanken die beiden Gestalten fast lautlos zu Boden. Das Gift wirkte äußerst schnell. Jarwin lief zum Rad und machte sich daran, das Tor zu öffnen, als ein Ruf aus der Dunkelheit erklang: „He du, was hast du da zu suchen? Wo ist die verdammte Torwache?“. Blut und Asche! Jarwin hatte nicht damit gerechnet, so schnell entdeckt zu werden. Das Tor musste geöffnet werden, das hatte oberste Priorität. Er begann mit aller Kraft an dem Rad zu drehen, und das Tor bewegte sich langsam. Ein Pfeil schoss aus dem Grau der Nacht und bohrte sich in Jarwins Oberschenkel. Glühender Schmerz ließ ihn aufschreien. Das Tor öffnen! Die Unterkante war bereits einen knappen Schritt vom Boden entfernt. Ein weiterer Pfeil traf ihn in den Rücken. Jarwin wurde schwarz vor Augen, er bekam Probleme, seine Bewegungen zu koordinieren. Das Tor! Der große Herr verlangte es so. Er drehte wie wild weiter an dem Rad, bis ein Mann herangelaufen kam und ihn mit dem Schwert niederstreckte. Jarwin fiel zu Boden, rote Schleier trübten seine Sicht. Er hörte Kampfeslärm und sah einen Trolloc in die Burg stürmen. Er hatte es geschafft! Leblos sank er in sich zusammen. Mytram wachte auf, geweckt von Kampfgeräuschen. Ein Blick aus dem Zelt zeigte ihm, dass mehrere Fäuste Trollocs, angeführt von einigen Myrddraal, dabei waren, das Lager zu stürmen. Hastig packte er sein Schwert und und stürmte in Unterwäsche hinaus, um die Festung zu verteidigen. Er spürte die beißende Kälte nicht einmal. Wie beim Licht waren sie hier hereingekommen? Mytram tötete zwei Trollocs mit gezielten Schwerthieben, ein dritter hieb ihm mit seiner Streitaxt den Kopf von den Schultern. Logar saß, wie so oft in den letzten Tagen, düster vor sich hingrübelnd in seinen Räumen. Er wurde aus der Taktik des Schattens einfach nicht schlau. Warum hielten sich die Schattenlords zurück? Durch den Gebrauch der einen Macht würde die Festung um einiges schneller fallen. Die Trollocs handelten, als hätten sie alle Zeit der Welt. Auf einmal erklang ein lautes Geräusch vom Hof der Festung her. Er sprang von seinem gemütlichen Lehnstuhl auf und ging ans Fenster. Im ersten Moment sah er gar nichts, schließlich war es stockdunkel und die wenigen Feuerstellen im Lager erhellten den Hof kaum. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, durchfuhr ihn ein eisiger Schauer, was nicht vom bitterkalten Wetter herrührte. Massen von Trollocs waren irgendwie in den Hof gelangt und metzelten alles nieder, was ihnen in den Weg kam. Und - Licht! - das blutige Tor stand offen!! Logar war immer ein Mann gewesen, der wusste, wann er verloren hatte, und jetzt sah er für seine Armee nicht einmal mehr den Hauch einer Chance. Dennoch zog er sich seinen Harnisch über, griff nach dem Schwert und lief in den Hof hinaus. Er kam nur drei Schritte weit, dann traf ihn ein Pfeil zielgenau zwischen die Augen. In Deranbar saß König Kintar angespannt in seinem Sessel. Olysa saß ihm gegenüber, während sein Leibdiener Wiltrom gerade gewürzten Wein für beide auftrug. Warum grinste der Olysa so komisch an, fast als wäre er verliebt? Kintar musste fast lachen. Wiltrom und verliebt! Der knorrige alte Kerl war schon seit Jahrzehnten in seinem Dienst und hatte in all den Jahren niemals eine Frau auch nur eingehender betrachtet. Und jetzt das, und bei einer Frau, die wahrscheinlich noch älter war als er selbst! Wiltrom verließ den Raum, und Kintar wurde mit einem Schlag wieder ernst. Licht, hier über seinen Diener zu lachen während sein ganzes Land aufs Schärfste bedroht war! Es waren noch immer keine Verstärkungen angekündigt worden, was nach einem so langen Zeitraum absolut unnatürlich war. Immerhin hatte ihm Olysa versichert, dass eine Abordnung Aes Sedai samt Behütern morgen eintreffen sollte. Das war auch bitter nötig, denn sein Land durfte einfach nicht fallen. Nicht nur, dass seine eigene Existenz auf dem Spiel stand, die südlicheren Länder würden, wenn Jaramide erst einmal besiegt war, wenig Chancen gegen den Schatten haben, von Manetheren vielleicht einmal abgesehen. Die gesamte Weltordnung war in Gefahr. Der Bund der Zehn Nationen hatte nun schon seit hunderten von Jahren bestand, und allmählich fand die Menschheit wieder zu einem Zustand des Wohlstands und Fortschritts zurück. Manches vom Wissen des Zeitalters der Legenden war wieder entdeckt worden, die Forschung kam recht gut voran. Und all das sollte wider verloren gehen... Olysa sah Kintar verwundert an. Was grinste der Idiot jetzt so? Dann begriff sie. Der Narr hatte Wiltroms Blick bemerkt, und das ausgerechnet jetzt, wo doch der alte Diener schon seit fast einem Monat praktisch permanent unter dem Einfluss dieses komischen Ter’angreals stand, dessen Gewebe Ba’alzamon Zwang genannt hatte. Mit Hilfe dieses kleinen Zylinders war es nicht weiter schwierig gewesen, die Nachrichten an die anderen Nationen abzufangen. Wiltrom hatte sie nie weitergeleitet. Und was die Weiße Burg betraf...Olysa hatte erst gestern einen Bericht abgeschickt, in dem sie die Lage als ungewöhnlich ruhig bezeichnet hatte. Niemand würde Jaramide retten, niemand würde den Triumph des Schattens verhindern können! „Lasst uns die Situation noch einmal durchgehen, Kintar“, begann sie, als dieser seinen Becher nahm und einen kräftigen Schluck trank. Olysa musste plötzlich kichern. Was fand die Frau jetzt auf einmal so komisch? Kintar hatte sie noch nie kichern gehört. Und wie sah sie überhaupt aus!? Er hatte noch nie eine Frau mit zwei Köpfen gesehen. Und ihm war auch noch nie aufgefallen, wie absolut seltsam sein Thronsaal doch aussah, ein sich windendes Meer aus den verschiedensten, ineinanderfließenden Farben, so wunderschön! Wenn da nur nicht dieser verdammte Schmerz in seinem Hinterkopf und diese immer stärker werdende Schwindelgefühl gewesen wären... Olysa nickte zufrieden, als Kintar schließlich, noch immer glücklich lächelnd, tot zu Boden sank. Sie hatte den Auftrag erfüllt, den sie letzte Nacht von Ba’alzamon erhalten hatte. Möge der Schatten die Welt ergreifen und nie wieder loslassen!
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