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Autor: Kind des Schicksals Veröffentlicht: 28.08.2003, 20:32:41 Letzte Änderung: 29.10.2003, 23:12:56 Schreibrecht: Nur Administratoren [ Artikel bearbeiten ] Abstract: Eine Geschichte über die Ereignisse in Tzora, zur Zeit des Wahns... Dank an die Korrekturleser - Gute Arbeit! :) Darwyn drängelte sich durch die panische Menge. Er musste unbedingt den Saal der Gilde hier in Tzora erreichen, vielleicht würde er dort mehr erfahren. Sich ständig entschuldigend schob er sich weiter gegen den Strom. Das Gewirr von tausenden panischen und verängstigten Stimmen dröhnte in seinem Kopf und über allem lag das sich wiederholende Gedröhn der Alarmsirenen. Endlich erreichte Darwyn eine kleine Seitengasse, die nicht mit Menschen verstopft war. Von hier aus waren es nur noch ungefähr 700 Spannen bis zum Saal. Darwyn atmete tief durch, bereit sich am Ende der Gasse wieder durch den stetigen Strom von Menschen zu kämpfen. Wenn er den Grund für den Alarm erfahren wollte musste er zum Saal der Gilde. Sicher konnte ihm eine der wenigen Aes Sedai, die noch in Tzora waren, etwas sagen. Darwyn hatte einige Mühe, von der Masse nicht niedergetrampelt zu werden, doch er schlug sich tapfer. Nicht mehr weit, dann wäre er da. Grade als er in die Straße abbiegen wollte, die auf den großen Platz vor die Halle führte, sah Darwyn in der Menge einen kurz geschorenen, roten Haarschopf aufblitzen. Und wild winkende Hände. Darwyn blieb stehen und starrte interessiert in die Richtung. Das rempeln und fluchen der anderen ignorierte er sowieso schon seit einiger Zeit. Dann erkannte Darwyn den Träger des Haarschopfes. Es war sein Vater. Orwyn war ein Mann in den besten Jahren, letzten Monat erst war er 73 Jahre alt geworden, was mit einem großen Fest gefeiert wurde. Normaler Weise war er immer gut gelaunt, doch im Moment war im weniger zum Lachen zumute. Selbst das Lächeln, dass er seinem Sohn schenkte, als er ihn erreichte kam eher automatisch, als das er es wirklich so gemeint hätte. Orwyn war grade im Saal der Gilde gewesen, als die Nachricht hereinkam, das Jaric Mondoran in der Nähe der Stadt aufgetaucht gewesen sei. Liana Sedai hatte sofort alle anderen Frauen zusammengerufen, und hatte sich mit ihnen aufgemacht, um Jaric zu stellen und ihn abzutrennen. Nachdem die Frauen weg waren, hatte Orwyn gehandelt, so wie sie es bereits hunderte von Malen durchgesprochen hatten, falls diese Situation eintreten sollte. Nachdem er den Großalarm ausgelöst hatte, versiegelte Orwyn den kleinen Raum mit den Ter’Angrealen, keines davon durfte einem Mann in die Hände fallen. Angreale und Sa’Angreale gab es seit geraumer Zeit schon nicht mehr in Tzora, sie alle wurden von den Frauen gebraucht, um die Männer zu stellen, welche dem Wahnsinn bereits verfallen waren. Danach blieb Orwyn nichts anderes zu tun als in dem Kommandoraum zu warten. Auf den Überwachungsschirmen hatte er Einblick in viele Teile der Stadt. Die Bürger begaben sich alle in die Schutzräume, die Soldaten patrouillierten durch die Straßen und hielten so einigermaßen Ordnung und Ruhe aufrecht. Konzentriert schaute Orwyn auf die Kommunikationsanzeigen, Liana Sedai würde sich sicher bald melden, und Entwarnung geben. Lange konnte es nicht mehr dauern, immerhin waren sie und die anderen Frauen schon fast 45 Minuten weg. Ein kurzes Blitzen auf einem der Monitore erregte Orwyns Aufmerksamkeit. Ein Wegetor war erschienen, und heraus kam,... ein Mann. Die Informationen am Bildrand sagten ihm, dass es sich um den großen Jarmaide-Park im Herzen der Stadt handelte. Er beobachtete die Situation noch eine Weile - die Frauen müssen den Mann kurzzeitig verloren haben, aber es konnte nicht lange dauern, bis auch sie erscheinen würden. Der Mann im Park schlenderte ein wenig umher und betrachtete die Blumenbeete, als wenn er so etwas noch nie zuvor gesehen hätte. Immer noch keine Spur von den Frauen. Orwyn wurde es langsam mulmig. Würden die Frauen absichtlich zögern? Nein, das konnte er sich einfach nicht vorstellen, immerhin handelte es sich hier um einen Mann, der die Macht lenken konnte, und der Berichten zufolge ganz offensichtlich schon dem Wahn verfallen war. Orwyn benachrichtigte den Befehlshaber der Soldaten. Dann beobachtete das Geschehen weiter auf den Anzeigen, inzwischen hatte er jeden Projektor auf die Szene im Park eingestellt, so dass man das Bild aus verschiedenen Perspektiven im ganzen Raum sehen konnte. Er bemerkte Jandric erst als dieser sich räusperte „Gibt es schon Nachricht von den Aes Sedai?“ Orwyn schüttelte den Kopf „Nein, bis jetzt noch nicht“ Im Park gingen nun Soldaten zum Angriff auf den Mann über, doch man sah nur, wie er anfing zu lachen, und Soldaten, die der Reihe nach explodierten, einer nach dem anderen, wie in einer irren Kettenreaktion. „Ich hasse es hier warten zu müssen. Sind die Bürger alle in den Schutzräumen, Jandric?“ „Ja sind sie.“ Orwyn schwieg kurz, „Gut. Die Aiel sicherlich auch, außer uns natürlich.“ –„Ja, da hast du Recht, alter Freund. Alle sind in Sicherheit.“ Orwyn bezweifelte diese Aussage. Wo waren diese verdammten Frauen?! Orwyn bereute diesen Gedanken augenblicklich. Ohne diese Frauen, wäre die Welt längst von den Wahnsinnigen Machtlenkern in Stücke gerissen worden, und mit Liana Sedai verband ihn eine schon 25 Jahre dauernde Freundschaft. Nein diese Frauen waren alles andere als verdammt, sie waren im Moment die einzigen, die die Stadt noch retten konnten. Auf den Schirmen konnte man sehen wie ein erneuter Angriff von Jaric Mondoran niedergeknüppelt wurde. Der Mann hatte keine Mühe sich gegen Schockpanzer und Soldaten mit Schocklanzen zu wehren. „Ich kann mir das nicht weiter ansehen“ platzte es aus Orwyn heraus, „wir müssen etwas unternehmen!“ „Aber Orwyn! Was willst du denn schon machen, wir sind Aiel. Wir haben unsere Anweisungen von Liana Sedai und wir müssen gehorchen!“ „Jandric, dort draußen sterben Menschen. Und alle anderen werden auch sterben wenn niemand diesen Mann aufhält.“ Jandric schnappte nach Luft „Orwyn. Der Weg des Blattes. Du wirst ihn doch nicht verlassen! Denk daran wer Du bist!“ Orwyn erkannte das Entsetzen in Jandrics Gesicht. „Nein. Ich will den Weg nicht verlassen. Aber wir müssen unsere Pflicht auch den Menschen dieser Stadt gegenüber einhalten. Sie müssen fliehen. Wenn die Aes Sedai uns nicht retten kommen, sind diese Menschen verloren.“ Orwyn ging zu einer Kontrollkonsole „Ich werde den Evakuierungsalarm auslösen, sorge du dafür das die Aiel sich am östlichen Eingang des Jarmaide-Park versammeln.“ „Warum bist du nicht beim Park?“ fuhr sein Vater ihn an. „Alle Aiel sollten sich dort versammeln.“ Darwyn starrte den älteren Mann verwirrt an. Er hatte seinen Vater noch nie so aufgebracht erlebt. „Ich...ich...ich wollte wissen warum die Stadt auf einmal evakuiert wird... und...und dachte vielleicht könnte Liana Sedai es mir sagen.“ „Liana Sedai ist nicht da. Keine Aes Sedai ist da. Komm mit zum Park.“ Die beiden Männer schoben sich durch die flüchtende Menge. Darwyn folgte seinem Vater, der ihnen mit knappen Bewegungen einen Weg durch die Menschenmasse bahnte. Was hatte seinen Vater wohl so aufgebracht? Und warum waren die Aes Sedai nicht da? Darwyn konnte sich auf das alles keinen Reim machen. Wenn die Stadt jetzt evakuiert wurde, sollten die Aiel eigentlich bei den Aes Sedai sein, oder den Menschen bei der Evakuierung helfen. Darwyn merkte das sein Vater ihn schon mehrere Fuß hinter sich gelassen hatte, und so beschleunigte Darwyn seine Schritte. Sie bogen wieder in eine Seitenstrasse ein. Kein einziger Mensch war dort... eine richtige Wohltat. Orwyn verfiel in einen Laufschritt. „Komm, beeil dich, Sohn. Wir müssen zum Park!“ Orwyn sprach sehr laut um die immer noch heulenden Sirenen zu übertönen. Darwyn folgte seinem Vater. „Erzählst du mir nun was los ist?“ schnaufte er. „Jaric Mondoran ist im Park. Die Soldaten können ihn nicht unschädlich machen. Er tötet sie alle.“ „Aber, ist das nicht Sache der Aes Sedai?“ „Junge, es sind keine Aes Sedai da. Wir müssen den Mann aufhalten, oder alle hier in der Stadt werden sterben.“ Darwyn beschleunigte, um mit seinem Vater mithalten zu können. Obwohl Darwyn etwas größer als sein Vater war, und mit seinen 24 Jahren sehr jugendlich war, machte es ihm Mühe das Tempo des Älteren zu halten. Beim laufen rasten Gedanken durch Darwyns Kopf. Die Aes Sedai waren nicht da. Ja. Das hatte sein Vater vorhin auch schon gesagt, aber... Das Licht möge uns beschützen. Es war ein wahnsinniger Machtlenker in der zweitgrößten Stadt der Welt, und es waren keine Frauen da, um sie zu beschützen! Das war alles nur ein schlechter Traum. Nein – es war Wahnsinn. Orwyn lief durch die leeren Straßen. Irgendjemand musste veranlasst haben, dass niemand die Straßen rund um den Park betrat. Eine sinnvolle Maßnahme, so kamen sie viel schneller voran und die Bürger wurden von dem Mann ferngehalten. Es musste verhindert werden, dass der Mann den Park verlassen konnte, die Menschen mussten zuerst fliehen. Irgendwie tat dieser verdammte Mann ihm leid. In ihrem Stolz hatten die männlichen Machtlenker versucht die Welt vor der Zerstörung zu bewahren, und wurden so selbst zu Zerstörern. Es war eine Tragödie gewesen. Seit Jahren jagten die Frauen nun schon wahnsinnige Männer. Aber das einer mitten in Tzora stehen könnte, vollkommen wahnsinnig und keine Aes Sedai weit und breit, das hätte wohl niemand für möglich gehalten. Es war schon ein Wunder, dass die Stadt überhaupt noch stand. Orwyn betete um ein bisschen mehr Zeit. Dieser Mann durfte in einem Anflug von Wahnsinn nicht alles dem Erdboden gleich machen. Orwyn schaute nach hinten, und versicherte sich, dass sein Sohn noch hinter ihm war. Der Junge war ein guter Läufer, nur wenige hätten über diese Strecke mit Orwyn mithalten können. Der Junge war sein ganzer Stolz. Jandric stand auf der kleinen Aussichtsplattform am Eingangstor des Jarmaide-Parks und überblickte die riesige Menge Aiel. Es mussten etwas mehr als zehntausend von ihnen sein. Weit hinter den großen Chora-Bäumen konnte man Kampfeslärm wahrnehmen. Hin und wieder das Feuern einer Schocklanze. Das laute Rumsen der Schockpanzer hatte schon vor einer Weile aufgehört, Mondoran musste sie zerstört haben. Immer noch tönten die Sirenen über die Stadt. Jandric war unwohl. Was hatte Orwyn nur vor? Wenn selbst die Soldaten nicht mit dem Mann fertig wurden, was konnten sie dann schon ausrichten? Sie waren Aiel, dem Frieden verschworen; was um des Lichtes Willen also hatte dieser Mann vor? Von seinem Standpunkt aus konnte Jandric zwei Gestalten erkennen, die aus einer Seitenstrasse auf den Vorplatz liefen. Beide hatten das für die Aiel typische rotgoldene Haar. Als sie die Menge erreichten, bildete sich eine Gasse um sie durchzulassen. Es musste Orwyn sein. Endlich. Es dauerte eine Weile, bis die beiden Gestalten den Eingang des Parkes erreichten. Darwyn folgte seinem Vater um die letzte Ecke, dann erreichten sie den Park. Vor dem Eingang hatte sich eine riesige Menge eingefunden. Alle waren Da’schain Aiel. Als sie ankamen, teilte sich die Menge vor ihnen. Sein Vater lief ohne innezuhalten weiter. Darwyn folgte ihm durch die Menge, bis weit an den Parkeingang heran, wo er sich einigen seiner Freunde in der Menge anschloss. Vater hatte sicherlich eine Ankündigung zu machen. Darwyn merkte, wie die Menge seinen Vater mit den Augen fixierte, und gespannt wartete, bis er oben auf der Aussichtsplattform ankam. Oben stand schon ein Mann. Das musste wohl Jandric sein, Zweiter Oberster der Da’schain Aiel. Als Orwyn aus dem Treppenhaus auf die Aussichtsplattform trat, verstummte das Gemurmel der Menge mit einem Mal. Alle Köpfe wandten sich ihm zu. Die Szenerie machte auf Orwyn einen unwirklichen Eindruck. Die Alarmsirenen sangen immer noch ihr eintöniges Lied, begleitet von vereinzelten, kleineren Explosionen im Hintergrund. Der Mann musste immer noch wüten. Dem Licht sei Dank, dass die Soldaten ihn schon so lange beschäftigen konnten. Trotzdem würde es für sie vergeblich sein, wenn die Aes Sedai nicht bald auftauchten. Die Aiel sahen Orwyn abwartend an. Langsam ließ er seinen Blick noch einmal über sie gleiten. Fast alle Aiel aus Tzora mussten sich hier versammelt haben. Auf seinen Ruf hin waren sie gekommen, und doch wussten sie nicht warum. Orwyn hatte vor es ihnen zu sagen. Er erhob die Stimme, und sprach so laut wie er konnte, um die Sirenen und den Kampfeslärm zu übertönen. Es war fast schon ein Schreien: „Meine Freunde.“ Eine bessere Anrede war ihm nicht eingefallen, und er wiederholte sich: „Meine Freunde. In diesem Park ist ein Mann. Ein Mann der die eine Macht benutzen kann.“ Ein aufgeregtes Geraune ging durch die Menge. Einige Rufe drangen zu ihm empor, wo die Aes Sedai seien. Orwyn wartete bis alles wieder ruhig war. „Die Aes Sedai sind nicht hier.“ Er machte eine Pause. „Aber bis sie wieder hier sind, muss dieser Mann aufgehalten werden. Die Bevölkerung braucht Zeit zum Fliehen. Wir müssen die Soldaten unterstützen, bis die Aes Sedai kommen um diese Gefahr zu beseitigen.“ Das war es gewesen. Die Aiel riefen alle durcheinander, der Weg des Blattes. Er durfte nicht verlassen werden. Empörung sprach aus ihren Stimmen. Genau das hatte Orwyn erwartet, Jandric hatte vorhin auch so reagiert. Orwyn breitete die Arme aus, um die Menge zu beruhigen. Dann sprach er weiter: „Der Weg des Blattes soll weiter bestand haben. Wir werden uns nicht von ihm entfernen!“ Wieder eine Pause. Dann fuhr er fort: “Die Aiel haben sich hier versammelt um zu singen!“ - Wie erstaunt und verwirrt sie doch sind - fuhr es durch Orwyns Kopf. Aber sie werden es verstehen, da gab es keinen Zweifel. Orwyn stimmte leise eine alte Volkswaise an, und wurde immer lauter. Langsam fielen immer mehr Stimmen in den Gesang mit ein, bis alle Aiel sangen. Sie hatten es verstanden. Orwyn verließ die Plattform mit Jandric, und sie gingen in den Park hinein. Tausende von Aiel folgten ihnen in einer langen Prozession, und ihr Lied übertönte den Lärm und die Sirenen. Umso tiefer sie in den Park eindrangen, desto mehr Kampfspuren konnte Orwyn ausmachen. Hinter einigen Bäumen konnte er das Wrack eines ausgebrannten Schockpanzers ausmachen. Vereinzelt sah er Soldaten umher laufen. Sie waren schwer zu erkennen, mit ihren farbverändernden Umhängen. Die breite Allee auf der der Zug der Aiel schritt verbreiterte sich zu einer großen, weitläufigen Lichtung. Mehre kleine Liegewiesen, eingerahmt von kleinen Büschen und durch flache Bäche und Sandwege voneinander getrennt nahmen den ganzen Raum ein. Einige kleinere Hütten und Pavillons standen verteilt auf einigen der kleinen Wiesen. Dieser Teil des Parkes war eindeutig dafür angelegt worden, damit Tzoras Bewohner hier ausspannen konnten. Hinter einer der Hütten sah Orwyn einen Feuerball hervor schiessen. Kurz darauf kamen mehrere Soldaten auf die Aiel zugerannt, dicht gefolgt von Jaric Mondoran. Doch statt die Soldaten weiter zu verfolgen blieb er an der Hütte stehen, und musterte interessiert irgendetwas am Boden liegendes. Die Soldaten hatten sie schnell erreicht. Orwyn blieb stehen. Ein junger Soldat kam zu ihm herüber und sprach Orwyn an. Die goldenen Hervorhebungen an seinem Kampfanzug wiesen ihn als Offizier aus. „Ich kenne euch. Ihr seid der Oberste der Da’schain. Was beim Licht tut ihr hier? Dieser Mann wird euch alle umbringen. Wir sind nur noch wenige, ich weiß nicht wie lange wir ihn noch beschäftigen können...“ „Ihr könnt nichts mehr tun.“ unterbrach Orwyn den jungen Offizier. Die Aiel waren inzwischen zu einem neuen Lied übergegangen. „Der Wind und die Wogen“, das war in seiner Jugend Orwyns Lieblingslied gewesen. „Zieht euch und eure Männer zurück. Seht zu, dass so viele Menschen wie möglich Tzora verlassen. Jetzt kümmern wir uns um den Mann. Er wird sich erinnern.“ Der Offizier starrte Orwyn ungläubig in die Augen. Orwyn legte sanft seine Hand auf die Schulter des Offiziers „Ihr habt getan was ihr konntet. Vertraut mir.“ Der Offizier nickte, dann setzte er sich wieder in Bewegung und lief zu seinen Leuten zurück. Orwyn blickte zu der Hütte hinüber, aber der Mann war fort. Dann fing er wieder an zu singen, und die Aiel setzten ihren Weg fort. Es dauerte nicht lang, da bemerkte Orwyn eine Bewegung an einer anderen Hütte. Jemand war dort hineingegangen, und der Kleidung nach war es kein Soldat gewesen. Das Licht gebe, dass die Aes Sedai endlich gekommen waren. Orwyn wechselte die Richtung und so bewegte sich die Kolonne langsam und singend auf die kleine Hütte zu. Erneut öffnete sich die Tür. Es war Mondoran. Neugierig musterte er die auf ihn zukommenden Aiel. Während sie näher kamen stand der Wahnsinnige still vor der Tür und bewegte sich nicht, bis auf ein leichtes Wippen seines rechten Fußes. Langsam begann er sich im Takt des Liedes zu wiegen. Der Mann lächelte. Orwyn erkannte das der Mann etwas in der Armbeuge liegen hatte. Was das wohl war. Mit jedem Schritt den Orwyn sich dem Mann näherte, nahm eine Erkenntnis in Orwyns Kopf immer mehr Form an. In Jarics Armbeuge lag der Kopf von Liana Sedai. Orwyn kämpfte gegen einen starken Würgereflex an. Deshalb also waren die Frauen nicht zurückgekommen. Irgendwie war es dem Mann gelungen sie zu töten. Orwyn gab Jandric ein Zeichen, und die nachfolgenden Aiel bildeten einen großen Halbkreis um Mondoran. Wenn schon niemand zur Rettung kam, so musste wenigstens Zeit für die Flucht erkauft werden. Die Aiel sangen aus vollem Halse und der Mann fiel manchmal sogar in den Gesang mit ein. Der ihn umgebende Halbkreis bestand inzwischen aus hunderten von Reihen aus Aiel, und immer waren noch einige weit hinten im Park auf der Allee. Wieder erklang ein neues Lied. Mondoran war dazu übergegangen mit den Fingern zu schnippen, und die Melodie mitzusummen. Da explodierte rechts von Orwyn der erste Körper. Orwyn schluckte, doch die Lücke wurde umgehend von einem anderen Aiel geschlossen. Wenigstens ging es schnell. Orwyn wusste das, der Preis den die Aiel für die Bevölkerung Tzoras zahlen würden sehr hoch war. Darwyn sang voller Inbrunst. Die Prozession war zum stehen gekommen, und er stand immer noch weit hinten auf der großen Allee. Erst nach einer halben Stunde ging es langsam weiter nach vorne. Was wohl da vorne vor sich ging? Möglicherweise die Aes Sedai? Er war sehr zuversichtlich, das es so sein musste. Liana Sedai hatte sie noch nie im Stich gelassen. Das weitere Vorwärtskommen war zäh, nach ungefähr einer Stunde hatte auch Darwyn den Platz erreicht. Ganz hinten in einer Reihe sang er nun. Anscheinend bildeten sie einen Halbkreis, aber irgendwie schien es ihm nicht richtig. So viele Aiel hätten nie auf diesen Platz gepasst. Neben ihm wurde ein Platz frei als sein Nebenmann eine Reihe aufrückte. Darwyn ging ein Stück hinüber. Eine ganze Weile später war er ungefähr zwanzig Reihen aufgerückt. Er blickte zurück, um festzustellen wie viele Aiel inzwischen auf dem Platz waren. Um des Lichts willen! Darwyn befand sich immer noch in der letzten Reihe, aber das konnte doch einfach nicht sein! Waren hunderte von Aiel in den Reihen aufgerückt? Wo waren die, die nach ihm kamen? Nein – das konnte nicht sein. Darwyns Zuversicht schwand. Immer noch singend und irgendwie betäubt versuchte sein Verstand alle Informationen zusammenzufügen. Das Ergebnis war erschütternd. Dieser Mann musste sie alle getötet haben. Deswegen konnten die Aiel in den Reihen aufrücken. Niemals war der Platz vorhanden gewesen um alle aufzunehmen. Und auch niemand hatte den Platz auf der anderen Seite verlassen... Er ging einen Schritt nach vorne. Es dauerte nicht lange dann tat sich vor ihm wieder eine Lücke auf. Darwyn war nun von der Seite des Halbkreises wieder in die Mitte gelangt. Die Reihen wurden auch immer dünner. Es waren nicht mehr viele Aiel da. Es war schon seltsam, heute Morgen hätte er nie gedacht, nie wieder einen Sonnenaufgang zu sehen. Wieder einen Schritt nach vorne. Jetzt konnte er Mondoran sehen. Der Mann sang aus vollem Halse mit, und jedes Mal wenn die Melodie einen Höhepunkt erreichte sah Darwyn einen Aiel tot umkippen oder explodieren. Es war schrecklich. Erstaunt stellte Darwyn fest, dass die Sirenen immer noch heulten. Wieder einen Schritt nach vorne. Wie lange ging das jetzt schon so? 3 Stunden? Vier? Die Sonne war schon nah am Horizont bald würde es dämmern. Noch einen Schritt. Jetzt standen nur noch zwei Reihen Aiel um den Mann, der lauthals mitsang und manchmal laut gackerte vor lachen. Der Boden war getränkt mit Blut. Körperteile lagen überall verstreut. Wieder einen Schritt nach vorne. Er musste aufpassen nicht auf einen der toten Körper zu treten, oder im Blut auszurutschen. Er stand nun direkt vor dem Mann und sang. Seine Kehle war rau, und er hatte Durst. Der Mann wandte sich einem jungen Aiel zu und starrte ihn an. Dann kippte der Junge tot nach vorne. Etwas links von Darwyn explodierte wieder ein Körper. Das Lied wechselte. Darwyn bemerkte, dass seit einiger Zeit nur noch seine Lieblingslieder gesungen wurden. Der Mann war auch ruhiger geworden. Vielleicht hatten sie es tatsächlich geschafft. Darwyn blickte nach rechts um den anderen, ob dieses Erfolgs zuzulächeln. Es war niemand da. Ein Blick nach links. Auch dort war niemand. Darwyn war allein. Er sang und sang. „Die küssende Maid“ gefolgt von „Das Blatt im Wind“ und „Drei schwarze Raben“. Darwyn sang alle Lieder die ihm gerade in den Sinn kamen. Jaric Mondoran hatte sich inzwischen im Schneidersitz vor Darwyn hingesetzt und lauschte seinen Liedern. Die Hose und Hände hatte er sich beim Hinsetzen mit Blut beschmiert doch es schien ihn nicht zu stören. Die letzten Zeilen von „Wir kämpfen zusammen“ verklangen. Darwyn wollte grade mit „Spiel, Spielmann, spiel!“ beginnen, da wurde es still. Jaric Mondoran lachte, und über dem Park hörte man nur noch die Sirenen...
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