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Autor: Iscoron Veröffentlicht: 26.09.2003, 14:56:18 Letzte Änderung: 26.09.2003, 14:56:34 Schreibrecht: Nur Administratoren [ Artikel bearbeiten ] Abstract: Diese Geschichte ist in gewisser Weise die Fortsetzung zu meiner ersten Story, ist aber in sich abgeschlossen, so dass man die Geschichte wahrscheinlich auch dann verstehen kann, wenn man den Vorgänger nicht kennt. Mein Dank geht dieses Mal an Suandin fürs Korrekturlesen und an die Freie Autorenvereinigung für die Werbung ;-) Viel Spaß beim lesen! Das Rad der Zeit dreht sich, Zeitalter kommen und vergehen und lassen Erinnerungen zurück, die zu Legenden werden. Legenden werden zu Mythen, und sogar der Mythos ist längst vergessen, wenn das Zeitalter wiederkehrt, aus dem er hervorgegangen ist. In einem Zeitalter, das von einigen das Dritte Zeitalter genannt wurde, einem Zeitalter das noch kommen sollte, einem lange vergangenen Zeitalter, erhob sich in den Hügeln von Kintara ein Wind. Der Wind war nicht der Anfang. Es gibt bei der Drehung des Rads der Zeit keinen Anfang und kein Ende. Aber es war ein Anfang. Der Wind wehte gen Westen, wo die Sonne tief am Himmel stand. Er wehte durch einen namenlosen Wald, der sich beiderseits der Straße von Lugard nach Caemlyn und Vier Könige erstreckte. Iscoron lief auf dieser Straße. Seine Kleidung wies deutliche Spuren von Dreck auf und einige Risse und kleine Löcher ließen sie bei weitem nicht mehr so neu wirken, wie noch vor wenigen Tagen. Dennoch war es guter dicker Wollstoff und er war ordentlich verarbeitet, so dass er ihn nicht im Stich ließ. Auch jetzt noch wies die Kleidung eine gewisse Bequemlichkeit auf. Doch nicht nur die Kleidung hatte schon einmal besser ausgesehen. Auch Iscoron selbst sah etwas heruntergekommener aus, als bei seiner Flucht aus Jehannah. Einige Bartstoppeln zeigten sich im Gesicht, die Haare waren zerzaust und ungekämmt. Im königlichen Palast von Ghealdan hätte er sich so nie blicken lassen können. Das letzte Bad und die letzte Rasur hatte er in Lugard bekommen, als er beschlossen hatte, etwas mehr Geld für eine bessere Unterkunft auszugeben. Mittlerweile jedoch klimperten nur noch wenige Münzen in dem kleinen Lederbeutel, den er am Gürtel trug, und es waren ausnahmslos Kupfermünzen von geringem Wert. Es war fraglich, ob es bis Caemlyn reichen würde, selbst wenn er jede unnötige Ausgabe vermied. Das nächste Dorf mit Gasthaus würde Iscoron wohl innerhalb von einer Stunde erreichen, knapp vor Sonnenuntergang, so hatte es ihm zumindest ein Holzfäller berichtet, den er nach dem Weg gefragt hatte. Bisher war jedoch nichts vom einem Dorf zu sehen, obwohl er die gerade Straße ein ganzes Stück überblicken konnte. Sie war breit und wies viele Spurrillen auf, was auf eine rege Benutzung hindeutete. Tatsächlich hatte Iscoron hier schon mehrere große Handelszüge und Dutzende von voll beladenen Eselkarren entlangfahren sehen, ebenso mehrere Reiter und natürlich auch den ein oder anderen einfachen Reisenden, so wie er selbst einer war. Doch im Moment war die Straße leer. Weder hinter noch vor ihm war irgend jemand zu sehen. Die Stille ängstigte ihn nicht. Viel mehr fürchtete er sich vor dem, was in ihm schlummerte. Er hatte Saidin berührt und benutzt, die verdorbene Hälfte der Wahren Quelle. Es war das schlimmste, was einem Mann passieren konnte. Er würde langsam aber sicher wahnsinnig werden, wenn Saidin ihn nicht vorher selbst vernichtete. Etwas raschelte im Gebüsch. Iscorons Augen machten ein Eichhörnchen aus, das aus einem niedrigen Buschwerk zu seiner Linken herausbrach. Er blickte dem kleinen Tier mit dem rotbraunen Fell hinterher – wenigstens lenkte ihn das für einen kurzen Moment von seinen Sorgen ab. Äste knackten, Blätter rauschten. Dann erklang ein wütender Kampfschrei. Iscoron fuhr zusammen und drehte sich erschrocken um. Zwei Männer brachen aus den Sträuchern hervor und rannten auf ihn zu. Der eine war groß und bullig und hatte einen wirren verdeckten Vollbart. Der andere war deutlich kleiner, aber bewegte sich flink wie ein Wiesel. Wegelagerer. Diebe. Räuber. Iscoron war nahe der Panik. Auf seiner bisherigen Reise war er von derartigen Leuten verschont geblieben und während seines Lebens im Jheda-Palast hatte er von ihnen ebenfalls nichts zu befürchten. Damals hatte er Gerüchte gehört über Wegelagerer, die von ihren Opfern nicht mehr übrig ließen, als eine kaum noch zu erkennende Leiche. Sie waren brutal und gnadenlos. Iscoron wich zurück und stolperte dabei beinahe über seine Füße. Der kleinere der beiden Angreifer hatte ihn zuerst erreicht und hieb mit der Faust auf seinen Bauch. Iscoron fand einen Teil seiner Fassung wieder und wich zur Seite, ehe der Scglag ihn treffen konnte. Er versuchte sich auf das zu konzentrieren, was ihm Hauptmann Gerrod, ein Offizier der ghealdanischen Palastwache beigebracht hatte. Zum Glück hatte ihm sein Vater damals erlaubt, gelegentlich mit den Wachen zu trainieren, so dass er zumindest die Grundlagen eines sicheren Standes und sogar einige Schwerthiebe beherrschte. Bedauerlicherweise hatte er kein Schwert. Einen Kampf konnte Iscoron nicht riskieren, also blieb ihm nur die Flucht. Mit etwas Glück würde er die beiden Wegelagerer abhängen können. Sie würden sich nicht viel näher an das nächste Dorf herantrauen. Erneut drehte er sich herum und lief los. Nicht rechtzeitig erkannte er ein weiteres Hindernis, direkt auf seinem Weg. Er stieß direkt gegen eine Frau, die sich offensichtlich von hinten an ihn herangeschlichen hatte. Wie hatte sie das gemacht, ohne dass er es gehört hatte? Die Wucht des Zusammenstoßen warf die Frau zu Boden, während Iscoron versuchte, über sie hinwegzusteigen und weiterzurennen. Er spürte einen Luftzug hinter seinem Kopf. Einen Wimpernschlag später traf ihn etwas am Hinterkopf. Schmerz wallte in ihm auf, als er über der Frau zusammenbrach. Schwärze umfing ihn. Diese Idioten! Maera biß sich auf die Lippen. Warum musste sie sich mit so etwas abgeben. Galon und Keldor standen da und blickten auf den reglosen Körper des Jungen hinab. Seine Atmung war flach. Mitten auf der Straße lag er! Maera warf ihre hellbraunen Haare zurück, stemmte die Fäuste in die Hüften und blickte die beiden fragend an: „Und was machen wir jetzt mit ihm?“ „Töten wir ihn.“ schlug Galon vor. Seine dunklen Augen blitzen auf, als würde er sich darauf freuen. Galon war verschlagen und hinterlistig. Sie brachte ihm kein großes Vertrauen entgegen. Vertrauen konnte bei Galon tödlich sein. Keldor blickte sie ausdruckslos an, als wüsste er nicht recht, was er sagen sollte. Es stimmte vermutlich wirklich, dass diejenigen mit den meisten Muskeln nur ein Spatzenhirn ihr eigen nannten. „Kommt nicht in Frage.“ widersprach Maera dem anderen energisch. Einige Reisende um ein paar Münzen zu erleichtern war das eine, das Ermorden eines Bewusstlosen etwas anderes. Da bestand ein kleiner Unterschied, den ihre beiden Gefährten vielleicht nicht begriffen, sie aber schon. Glücklicherweise hatte Galon einen gewissen Respekt vor ihr, seit sie unter Beweis gestellt hatte, wie gut sie mit dem Dolch umzugehen wusste. Warum hatten sie sich überhaupt diesen Wanderer vorgenommen? Auch wenn seine Kleidung vermutlich einmal aus sehr gutem Stoff bestanden hatte, sah er nicht so aus, als hätte er viel Geld oder andere Wertgegenstände bei sich. „Wir können ihn nicht hier auf der Straße liegen lassen.“ Stelle Keldor geistreich fest. Wenigstens das hatte er begriffen. Sobald eine Wachpatrouille den Bewusstlosen gefunden hätte, wäre jedermann hinter ihnen her gewesen. In letzter Zeit kamen Dutzende Patrouillen hier vorbei, deren Aufgabe es jedoch hauptsächlich war, die nahe Grenze nach Andor im Auge zu behalten. Trotzdem würde es ihnen das Leben nicht erleichtern, wenn sie nicht genug Zeit hatten, eine sichere Entfernung zwischen sich und der Straße zu bringen. Die Murandianer war mit Wegelagerern nicht gerade zimperlich, speziell, wenn sie ihre Opfer so schwer verletzten oder gar töteten. Sie beugte sich zu dem Verwundeten hinunter und schaute sich seinen Kopf an. Die Haare am Hinterkopf waren blutig, und nach wie vor quoll ein kleines rotes Rinnsal aus einer Platzwunde hervor, doch würde er wohl überleben, wenn man ihn nicht hier liegen ließ. „Wir nehmen ihn mit.“ entschied sie und bedeutete Keldor, ihn vorsichtig aufzuheben. „Und was machen wir dann mit ihm?“ fragte Galon skeptisch. „Das entscheiden wir später. Wichtig ist, dass wir erst einmal von der Straße verschwinden.“ Dem hatte Galon nichts entgegen zu setzen. Und so fügte er sich, wenn auch mürrisch. Schmerz. Iscoron fühlte ihn. Sein Kopf schien platzen zu wollen. Was war passiert? Ein Schlag. Ja, er hatte einen harten Schlag auf den Schädel erhalten. Warum? Seine Gedanken waren undeutlich und verschleiert. Die Straße. Er war angegriffen worden. Andor. Wegelagerer. Ja, so war es. Er war auf dem Weg nach Andor gewesen, als er überfallen wurde. Aber wo war er jetzt? Seine Augenlider schienen aus Blei zu bestehen, doch er schaffte es trotzdem, sie anzuheben. Schwindel erfasste ihn. Noch immer war alles Schwarz. Was hatte das zu bedeuten. Etwas flackerte am Rande seines Gesichtsfeldes. Ein kleines Lagerfeuer, um das einige Gestalten saßen. Zwei, drei, oder vielleicht vier? Iscoron war sich nicht sicher. Versuchsweise hob er den Kopf. Jemand hatte offensichtlich ein Tuch darum gewickelt, um eine Wunde zu verbinden. Sie schmerzte trotzdem. Es war Nacht. Am Himmel waren Sterne zu sehen, teilweise verdeckt durch ein Dach aus Blättern. Mann hatte ihn anscheinend in den Wald geschleppt. Seine Hände ließen sich nicht bewegen. Sie waren aneinander gefesselt, und an den Baum gebunden, an dem er lehnte. Jemand sagte etwas. Eine rauhe Männerstimme. „Er scheint wach zu sein.“ Eine Gestalt näherte sich ihm. Eine Frau. Sie betrachtete seinen Verband eingehend und hielt ihm dann eine Trinkflasche an den Mund. „Trinkt.“ Es klang befehlend, aber nicht unfreundlich. Iscoron folgte der Anordnung und schluckte begierig. Erst jetzt fiel ihm auf, wie hungrig und durstig er eigentlich war. Er hatte den ganzen Tag über kaum etwas gegessen und auf das abendliche Mahl in einer Herberge hatte er nun ebenfalls verzichten müssen. „Bemuttere ihn nicht zu sehr, Maera. Wir werden ihn uns sowieso bald vom Hals schaffen.“ Es war wieder die Männerstimme. Ein kehliges Lachen folgte. Die Frau – Maera – riss ihm die Flasche weg und blickte den Mann verärgert an, ehe sie zu ihm ans Lagerfeuer stapfte. Iscoron schloß die Augen erneut. Das Schwindelgefühl war noch immer da. Er lauschte in die Nacht. Das Feuer knackte und gelegentlich hörte er Stimmen. „Er würde uns verraten. Wir können ihn nicht am Leben lassen.“ „Du hast ja Recht, Galon.“ „Wenn du willst, bringe ich ihn ein Stück weg und erledige das. Dann musst du nicht zusehen. Warum müssen Frauen eigentlich immer so mitfühlend und zimperlich sein?“ Trotz aller Bemühungen, sich auf das Gespräch zu konzentrieren, konnte Iscoron nicht weiter wach bleiben. Der Schmerz pochte in seinem Kopf. Müdigkeit übermannte ihn. Maera war bereits wach, als die ersten fahlen Sonnenstrahlen über die Hügelkuppen im Osten schienen. Das Feuer war mittlerweile heruntergebrannt und es zeigten sich nur noch kleine rot glühende Stellen zwischen der dunklen Asche. Sie saß einfach nur da und starrte in den Wald. Ihr Gefangener saß in sich zusammengesackt an einem nahen Baum. Schon vor einiger Zeit war sie kurz bei ihm gewesen, doch hatte sie ihn nicht geweckt. Er war noch sehr jung. Nach seiner Frisur und Kleidung zu urteilen war er kein Einheimischer, sondern kam vermutlich aus Ghealdan. Warum reiste ein solcher Junge quer durch Murandy, vollkommen unbewaffnet und mit fast keinem Geld in der Tasche? Es dauerte noch einige Zeit, bis Galon und Keldor erwachten langsam. Der Gefangene schlief weiter. Seine Wunde hatte schlimmer ausgesehen, als sie tatsächlich war und er würde sich wohl schnell davon erholen – wenn man ihn nicht vorher umbrachte. Maera hoffte, dass das, was sie für ihn getan hatte, ausreichen würde. Galon hatte sich mittlerweile erhoben und streckte sich. Danach ging er zu dem Gefangenen hinüber und rüttelte ihn unsanft wach. Konnte dieser Mann es denn gar nicht erwarten, jemanden umzubringen? „He, Aufwachen!“ rief er. Der Junge schien noch etwas benommen zu sein, doch er schlug die Augen auf und starrte Galon finster an. Die Verletzung schien ihn kaum zu stören, ebensowenig die Tatsache, dass er bis vor einem Augenblick noch tief geschlafen hatte. „Ich schlage vor, dass ihr mich auf der Stelle frei lasst.“ forderte der Junge. Ja, er forderte es. Seine Stimme klang fest, doch konnte sie die Erschöpfung heraushören. Was hatte das zu bedeuten? „Und was, wenn ich es nicht tue?“ fragte Galon höhnisch, „Bereite dich auf deinen Tod vor, Kleiner. Es führt kein Weg daran vorbei.“ Die Augen des Gefangenen blitzten auf und seine Miene verfinsterte sich noch weiter. „Ich kann die Eine Macht lenken.“ Maera zuckte zusammen und konnte nicht verhindern, dass sie entsetzt zurückwich. Auf einmal schien der ganze Wald zu verstummen, auch Galon hielt die Luft an. Keldor stand starr neben ihr, sein Mund stand offen. Sogar ein Hornochse wie er wusste, was das zu bedeuten hatte. Sie hatten ganz offensichtlich einen Mann gefangen genommen, der die Macht lenken konnte. Beim Licht! Sie hatte Gerüchte gehört, dass sich in Andor einige dieser Männer versammelten – Männer die bald wahnsinnig werden würden, oder es schon längst waren. Jedes Kind kannte die Geschichten über die Zerstörung der Welt. Die Zerstörung war durch männliche Machtlenker verursacht worden. Konnte es etwa eine Lüge sein, um sie alle zu erschrecken? Nein, das glaubte Maera nicht. Kein Mensch würde so etwas einfach so behaupten, wäre er nicht vollkommen verrückt. Einen Moment herrschte Totenstille. Maera rechnete jeden Moment damit, dass der Gefangene Galon in einen Haufen Asche verwandeln würde, doch nichts dergleichen geschah. „Dann befreie dich doch selbst!“ hielt Galon entgegen. War der Mann vom Licht verlassen? Das könnte ihr Todesurteil sein. Doch es geschah noch immer nichts. Keine Feuerbälle oder Blitze. Höhnisch lachend band Galon das Seil vom Baum los und zwang den Jungen zum Aufstehen. „Dann wollen wir doch mal sehen, ob Machtlenker genauso sterben wie andere Menschen, wenn man ihnen die Kehle aufschneidet.“ Er zerrte den Gefesselten einfach hinter sich her. Dieser stoplerte mehrmals, schaffte es jedoch, auf den Beinen zu bleiben, bis sie verdeckt durch niedrige Bäume und Sträucher verdeckt außer Sicht gerieten. Maera stand fassungslos da. Sie konnte nichts anderes tun, als den beiden hinterherzublicken. „Ich könnte Wasser holen, dann können wir Tee kochen.“ brach Keldor, der noch immer neben ihr stand, das Schweigen. Dieser Dummkopf! Iscoron schwitzte. Der Mann namens Galon hatte ihm seine List nicht abgekauft. Er hatte gehofft, dass allein die Drohung, dass er ein Machtlenker sei, ausreichte, um die Wegelagerer einzuschüchtern. Nun ja, immerhin konnte er wirklich Saidin ergreifen, bloß hatte er keine Ahnung, wie. Seitdem er Remon Marenne in eine Flammensäule verwandelt hatte – der Gedanke jagte ihm noch immer kalte Schauer über den Rücken – war es ihm nicht gelungen, die Macht auch nur ein einziges Mal zu ergreifen. Vielleicht hatte er es ab und zu unbewusst getan, doch konnte er sich an nichts derartiges erinnern. Galon zog ihn weiter vom Lager fort. Iscoron hatte kaum noch Chancen, aus dieser Situation herauszukommen, es sei denn, es gelänge ihm, seine Hände zu befreien. Im Vergleich zur Nacht schienen die Knoten weit weniger fest zu sitzen. Er hatte keine Ahnung wieso. Vielleicht lag es nur daran, dass er in der Nacht noch deutlich mehr von der Wunde geschwächt war. Vorsichtig wand er die Handgelenke immer wieder in der Hoffnung, sie befreien zu können. Galon zog ihn hinter sich her und bemerkte nichts von seinen Bemühungen. Mit einem festen Ruck riß der Bandit ihn runter auf die Knie. Iscoron hatte keine Gelegenheit, den Gleichgewichtsverlust auszugleichen, doch seine Hände blieben weiter in Bewegung und arbeiteten an den Knoten. Ihm lief die Zeit davon. Galon zog einen schmalen gebogenen Dolch aus seinem Gürtel und prüfte mit einem Finger vorsichtig die Schärfe. „Schließ die Augen, wenn du möchtest.“ bellte er. Iscoron dachte gar nicht daran, sondern blickte ihn weiter finster an. Das Seil lockerte sich ein Stück. Und noch eins. Gemächlich kam Galon auf ihn zu. Hektisch versuchte Iscoron, eine Hand frei zu bekommen. Nur noch ein kleines bißchen mehr und er würde es schaffen. Ein Stock, etwas länger als sein Unterarm lag genau neben ihm auf dem Boden. Iscoron riß eine Hand aus den Fesseln, schabte sich dabei die Haut auf, doch er bemerkte den Schmerz kaum. Blitzschnell packte er den Stock und hieb nach Galon, der keine Zeit mehr zum Reagieren hatte. Wuchtig traf er dessen Hand, in der er den Dolch hielt. Galon schrie auf, die Klinge entglitt ihm. Sofort setzte Iscoron nach. Er schnellte aus seiner knienden Haltung nach oben, die andere Hand zu Faust geballt. Mit aller Kraft, die er hatte, traf er den Wegelagerer in den Bauch. Galons Schrei erstickte, als der Schlag ihm die Luft aus den Lungen drückte. Er fiel nach hinten und starrte Iscoron ungläubig an, als erwarte er jederzeit, dass Flammen aus dessen Fingern schossen. Es galt, keine Zeit zu verlieren. Ohne Galon eines weiteren Blickes zu würdigen, rannte Iscoron los. Er wusste nicht genau in welche Richtung er eigentlich rannte, Hauptsache weg von hier. Weit weg. In einiger Entfernung hinter ihm brüllte Galon auf: „Der Bastard ist entkommen! Fangt ihn! Schneidet ihm den Weg ab!“ Iscoron lief, so schnell ihn seine Beine trugen. Halb springend wich er Wurzeln und Steinen auf seinem Weg aus, achtete nicht auf Äste, die ihm ins Gesicht schlugen. Die Frau und der andere Mann mussten Galons Ruf gehört haben. Ein Kaninchen suchte erschreckt das Weite, als er an dem Tier vorbeihastete. In einiger Entfernung raschelte Laub, als irgend jemand darüber rannte. Iscoron lief weiter, in der Hoffnung, schnell genug zu sein. Er musste schnell genug sein, alles andere wäre sein Todesurteil. Eine größere Gruppe von niedrigen Bäumen und Sträuchern schnitt ihm den Weg ab. Wie eine grüne Wand standen die Pflanzen vor ihm. Entschlossen warf sich Iscoron in das Dickicht und schlängelte sich halb gebückt hindurch, so gut es ging. Auf der anderen Seite erwarteten ihn einige Felsen, die zwischen den Bäumen aufragten. Ohne zu wissen, wohin ihn dieser Weg führte hastete er weiter. Plötzlich tauchte die Frau zwischen den Felsen auf, es gab keine Chance an ihr vorbei zu kommen. Wie hieß sie doch gleich? Maera. Iscoron erwartete, dass sie sich auf ihn stürzen würde, doch nichts dergleichen geschah. Verwundert wurde er langsamer. Was hatte Maera vor? Sie schien ebenso erschöpft zu sein wie er, vielleicht gäbe es eine Möglichkeit, ihr auszuweichen. Wortlos erhob Maera ihre Hand und deutete in eine Richtung. Nach links, von ihm aus gesehen. Hinter ihm im Gebüsch raschelte es. Wahrscheinlich einer der beiden anderen. Ihm blieb nicht viel Zeit, sich zu entscheiden. Sollte dies eine Falle sein? Er betrachtete Maeras Gesichtsausdruck genauer. Keine Spur von Zorn oder Hass. Nein im Gegenteil, er sah Vertrauen und Hoffnung. Sie wollte ihm helfen! Iscorons Entscheidung war gefallen. Er rannte wieder los, in die Richtung, in die Maera gedeutet hatte. Hatte sie vielleicht sogar seine Fesseln gelockert? Nach kurzer Zeit wurden die Schritte und das Rascheln hinter ihm leiser. Scheinbar hatte er seine Verfolger abgehängt. Keuchend lief er weiter, wenn auch deutlich langsamer als zuvor. Er wagte es nicht, stehenzubleiben. Endlich sah er eine Schneise zwischen den Bäumen. Es war die Straße nach Caemlyn oder Vier Könige. Ungläubig starrte er die Straße an. Er hatte es wirklich geschafft. Zwar hatte er kein Geld mehr, aber er war noch am Leben. Aber irgendwie würde er es bis zur Schwarzen Burg schaffen, davon war er überzeugt. Es dauerte nicht mehr lange, bis Iscoron das nächste Dorf erreichte. Es befand sich wirklich fast direkt hinter der nächsten sanften Erhebung. Dem Licht sei Dank. Er klaute sich einige Früchte von einem Apfelbaum am Rand der Siedlung, als gerade niemand hinsah. So hatte er wenigstens etwas zu essen. Vielleicht würde er im nächsten Dorf seinen Umhang oder seinen Ledergürtel verkaufen müssen, aber dazu war er bereit. Von dem Überfall erzählte Iscoron nichts, das würde ihm sein Geld auch nicht zurückbringen. Es war unwahrscheinlich, dass jemand die Straßenräuber aufspürte. Sie hatten sich nach seiner Flucht bestimmt an einen anderen Ort zurückgezogen. Seine Verletzungen heilten schnell, zumal eine ihm bei der Durchreise durch ein Dorf einige Kräuter gab, die den Prozess beschleunigen sollten. Doch Maeras Gesicht konnte Iscoron nie mehr vergessen. Ihr verdankte er sein Leben und das war etwas, an das er sich immer erinnern würde, auch wenn er ihr vielleicht nie wieder begegnete.
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