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Autor: Nocturna Veröffentlicht: 03.10.2003, 19:09:48 Letzte Änderung: 03.10.2003, 19:10:13 Schreibrecht: Nur Administratoren [ Artikel bearbeiten ] Abstract: Schmerz, Hunger, Durst, Halluzination, Wahnsinn und Tod reichen sich die Hände und schreiten stolz gleichauf, sobald eine verfluchte Seele den Weg in die Fänge des Unbarmherzigen gefunden hat... Zuerst nur ein unmerkliches Brennen am Rande der Wahrnehmung, jedoch stärker werdend mit jeder Sekunde des Zurückerlangens des Bewusstseins. Langsam wandelt sich das Brennen in einen unerträglichen Schmerz, der von überall gleichzeitig zu kommen scheint. Unmöglich, dessen Ursprung zu benennen, der gesamte Körper wird von diesem peinigendem Stechen durchflutet. Ohne Anfang und ohne Ende, schließt sich der Kreis des Schmerzes. Nicht eine einzige Stelle bleibt unberührt, kann sich ausruhen oder gar vermitteln, wie es sich vorher angefühlt hat. Es scheint, als wäre dieses brennende Gefühl schon immer da gewesen. Es scheint auch, als hätten die Muskeln und Sehnen nie ruhig gelegen. Begierig setzten sie ihr Zucken fort, scheinen von der sie durchflutenden Macht angetrieben. Einzelne Sehnen bersten unter der Hitze, die Enden schnellen peitschenartig zurück und hinterlassen Leere, zu gering, um den Fluss der einen Macht zu unterbrechen. Gleich wuchernden Unkrauts kriecht das Gewebe unerbittlich fort, jedem Hindernis trotzend, immer dem Ziel folgend, den Kreis zu schließen. Genährt von der Wahren Quelle schießt die Macht durch den Körper, dehnt Zellen, erhitzt Blut und lässt Wasser verdunsten. Müde Augenlider flackern und offenbaren ab und an den Anblick eines Mannes, der auf einem hochlehnigen Stuhl gegenüber sitzt. Er scheint konzentriert, aber nicht angestrengt. Mit einem leichten Grinsen auf den Lippen beobachtet er den Gefangenen, sichtlich erheitert über dessen Qualen. Von Zeit zu Zeit nippt er gelassen an einem großen Silberpokal, wie um sich die Zeit zu vertreiben. Plötzlich verändert sich der Schmerz, er nimmt langsam ab, zieht sich aus jedem Winkel zurück und wird von Erschöpfung ersetzt. Der Körper verliert an Spannung, sackt zusammen. Lungen füllen sich behäbig mit modriger, verbrauchter Luft. Schnell wird sie wieder herausgepresst, nur um sie erneut einzuatmen. Der Leib bleibt bewegungslos liegen, zu groß ist die Ermüdung, zu viele Muskeln funktionieren nicht mehr. Sekunden vergehen, die wie Stunden erscheinen. Stille liegt schwer auf dem Raum. Emotionen außerhalb des Leids kehren zurück und vermitteln ein Gefühl der Erleichterung. Das Geräusch eines rückenden Stuhles ist hörbar. Schlagartig ist die Erleichterung verschwunden und wechselt zu purer Angst. Schritte nähern sich langsam. So langsam, dass die Verhöhnung, die darin liegt, deutlich wird. Er muss sich nicht beeilen. Er weiß, dass es für seinen Gefangenen kein Entrinnen gibt. Und er scheint alle Zeit der Welt zu haben. Kalte, knochige Finger berühren die heißen Wangen, drehen das Gesicht dem seinem zu. Tiefschwarze Augen mit einem eisigen Blick bohren sich in den Kopf des Opfers. Noch immer umspielt die Lippen des Mannes ein amüsiertes Lächeln. Der Mund öffnet sich und formuliert eine Frage. Eine Frage, auf die der andere keine Antwort hat. Wieder wird die Frage gestellt. Abermals keine Antwort. Das Lächeln ist verschwunden. Zorn ist nun in den Gesichtszügen des Überlegenen erkennbar. Finger krümmen sich und üben Druck auf das Gesicht aus. Lädierte Muskeln senden sofort ein Schmerzsignal aus. Erneut die Frage. Aus dem verkrampften Kiefer ertönt jedoch nur ein röchelnder Laut. Der Druck lässt nach, Finger gleiten ab. Stiefel erklingen auf Stein, als sich der Mann entfernt. Ruckartig macht er kehrt. Nur Sekundenbruchteile später wird der Körper wieder von Schmerz durchflutet. Das Rückgrat verkrümmt sich, wird gebeugt, bis es fast zu zerbrechen droht. In dieser unnatürlichen Haltung windet sich der Gefangene auf dem Steinboden. Jeder Versuch, sich zu bewegen bleibt erfolglos, zu stark ist der Einfluss des Mannes. Knochen schaben aneinander, reiben sich gegenseitig ab, wie Steine in einem Fluss. Langsam entgleitet das Bewusstsein wieder ins Schwarze. ___________________________________________ Ewige Stille. Kein Laut dringt heran. Alles ist dunkel. Momente vergehen, bis das Gehirn wieder arbeitet. Weitere Sekunden vergehen, dann kommt die Erinnerung mit einem heftigen Schlag zurück. Erschrockene Augen öffnen sich, überfliegen panisch den ganzen Raum, finden jedoch nichts im Halbdunkel. Der Stuhl gegenüber ist leer, der Mann nirgends zu finden. Erleichtert strömt Luft stoßweise aus den Lungenflügeln. Für ein paar Sekunden macht sich tatsächlich ein ironisches Gefühl des inneren Friedens breit. Jedoch nur so lange, bis das Wohlgefühl von Schmerz abgelöst wird. Es ist kein richtiger Schmerz, dazu ist der geschundene Körper nicht mehr in der Lage. Es ist eine dumpfe Empfindung von vager Qual, weit weg. Zu weit weg, um sie dem eigenen Leib zuzuordnen, dennoch ist sie irgendwo da draußen spürbar. Ein Versuch sich zu bewegen scheitert kläglich. Arme und Beine werden von dicken Lederriemen gehalten. Wie ein Gekreuzigter hängt der Gefangene in seiner Zelle, die Arme schräg nach oben gestreckt, die Beine so weit wie möglich gespreizt. Verfolgt man die Lederfesseln über die langen Stränge zurück, enden sie in großen Eisenringen, die fest in der Steinwand verankert sind. Druck liegt auf den Riemen an Hand- und Fußgelenken. Darunter liegende Haut ist aufgescheuert, Wundnässe wird begierig von dem alten Leder aufgesogen. Das unregelmäßige Schlagen des Herzens reicht nicht, das Blut aufwärts zu pumpen, Hände und Arme werden bereits nicht mehr durchblutet und hinterlassen ein prickelndes Gefühl der Leere. Die Fußfesseln lassen dem Blut keine Möglichkeit mehr, weiter zu fließen. Es staut sich, sucht verzweifelt nach einem Weg zurück in die Zirkulation. Schweiß gleitet behäbig von der Stirn herab und teilt sich auf. Einige Tropfen laufen in die grünen Augen oder werden von den Wimpern aufgehalten, andere versickern in den aufgesprungenen Lippen. Der Rest fällt träge vom Gesicht ab, zerplatzt auf dem Oberkörper und vereinigt sich mit neuen Strömen. Ganze Schwälle kämpfen sich in dicken Bahnen über die muskulöse Brust abwärts und werden erst langsamer, als sie am Bauch angelangen. Dieser hebt und senkt sich, verlangsamt und beschleunigt die kleinen Bäche, so dass sie letztlich lebhaft in dem Bund der Wollhose verrinnen. Krämpfe nehmen den Magen ein, der so begierig nach Nahrung schreit. Er scheint sich zu drehen und zu winden, Säure schwappt hin und her, vermehrt sich und verstärkt das Gefühl nur weiter. Ein tiefes Grollen ertönt und wird, wie zum Hohn, von den Steinmauern als schwaches Echo zurückgeworfen. Langsam schleicht sich die Säure die Speiseröhre hinauf, als würde sie dort etwas zu Essen vermuten, wird aber von Speichel zurückgedrängt. Der Magen dehnt sich immer wieder, nur um sich gleich darauf mit einem drohenden Knurren zusammenzuziehen. Muskeln und Fettgewebe halten sehnsüchtig Ausschau nach Stoffen, aber die Transportbahnen bleiben leer. Letzte Reste des Depots der Leber werden aufgebraucht, der Strom zum Hirn versiegt. Schwindel vereinnahmt die Sinne, doch langsam ebbt der Hunger endlich ab. Immer schwächere Kontraktionen folgen, der Magen scheint sich nicht mehr zu drehen und die Geräusche verklingen zunehmend. __________________________________________ Trockenheit macht sich in der Kehle breit. Der Mund völlig ausgedörrt, die Zunge angeschwollen. Bei dem Versuch, zu Schlucken, zieht sich die Speiseröhre stechend zusammen, fast macht es den Eindruck, die Röhrenwände würden durch den dickflüssigen Speichel zusammenkleben. Aufgesprungene, rissige Lippen spüren modrige, feuchte Luft vorbeiziehen, die hastig im Schlund verschwindet und als heißer Atem zurückkehrt. Ein stetiges Pulsieren wandert durch den Kopf, unangenehm und nicht zu ignorieren. Vom Magen her steigt Übelkeit auf, fest verbunden mit Schwindelgefühlen. Verzweifelt versucht der Organismus Wasser im Körper zu halten, Salze reichern sich an. Das Blut wird dicker, als ihm Flüssigkeit entzogen wird, immer schwerfälliger drängt es durch die Blutbahnen. Sauerstoff schwimmt ungeduldig mit, wartet darauf verteilt zu werden, doch zusehends weniger wird aufgenommen. Herzklappen schlagen nervös einen schnelleren Rhythmus an, um den Strom des Blutes anzukurbeln. Druck fällt ab und bringt Müdigkeit mit sich, die sich seicht aber betont auf den Körper legt, ihn hegend umschließt, aber eine gefährliche Ruhe ausstrahlt. Der Körper will sich wehren, bäumt sich dagegen auf, weil er weiß, dass das Gefühl trügerisch ist. Dennoch wird das Bewusstsein gleich darauf hinabgerissen in die tiefen Abgründe der Dunkelheit. _______________________________________ Ewigkeiten später erwacht der Gefangene wieder. Seine Brust glänzt vor Nässe, auch der Bund seiner Hose fühlt sich feucht an. Geschmack von abgestandenem Wasser liegt ihm noch immer im Mund, doch niemand ist da. Die Zelle ist leer, bis auf den großen Stuhl. Teilnahmslos steht er da, das dunkle, fast schwarze Holz wird hier und da durch goldene Applikationen aufgelockert. Am Ende der Lehne formt sich das Gold zu einem kleinen Löwenkopf. Unscheinbar, aber zu aufdringlich, um unbemerkt zu bleiben. Die Stuhlbeine sind mit Schnitzereien verziert. Sie werden alle vier rundum von angsteinflößenden Gesichtern gesäumt. Die Augen und Münder weit aufgerissen, wurden sie in drohenden Posen verewigt. Erst beim zweiten Hinsehen fällt auf, dass die Gesichter nur wenig Menschliches haben. Schnauzen von Ziegen oder Schweinen werden erkennbar, gespickt mit scharfen Fangzähnen, teilweise tragen die Kreaturen Hörner. Sie alle stieren zu ihm herüber, als wollten sie sich jeden Moment von dem Stuhl losreißen und ihn hasserfüllt zerfleischen, doch es passiert nichts. Sie starren einfach nur weiter, und er starrt zurück. Plötzlich huscht ein schwarzer Schatten am Rande des Blickfelds vorbei. Träge versucht ein Augenpaar zu folgen, das sich kaum von den Fratzen lösen kann. Erst scheint es, der Schatten wäre verschwunden, doch dann fokussiert der Blick den Urheber. Eine abgemagerte Ratte läuft über den Steinboden, schnuppert von Zeit zu Zeit in die Luft, wobei sie sich auf die Hinterbeine stellt und den Kopf schnell auf und ab bewegt. Neugierig steckt sie ihre Nase in die Ritzen zwischen den einzelnen Steinen im Boden, findet jedoch nichts und setzt sodann ihren Zickzackweg fort. Unter dem Gefangenen verharrt sie kurz an einer kleinen Pfütze und trinkt unbeeindruckt von dem Wasser, das herabgelaufen ist, als es dem halb Verdursteten eingeflößt wurde. Zufrieden trippelt das Tier weiter, die Schnurrhaare stetig vibrierend, den langen Schwanz am Boden nachschleifend. Wieder wird hier und dort intensiver geschnuppert, ein Haken geschlagen, nur um dann in eine ganz andere Richtung weiterzulaufen. An der Wand neben der Tür angekommen, bleibt die Ratte kurz stehen, und verschwindet dann durch einen winzigen Spalt in der Mauer. Solange er auch auf das Loch starrt, das Tier kommt nicht wieder, um ihm die Einsamkeit zu nehmen. Gelangweilt wendet er sich wieder dem Stuhl zu und muss erschrocken feststellen, dass er nicht mehr alleine im Raum ist. Eine ältere Frau sitzt in dem Sessel, die Ellbogen auf den Armlehnen abgestützt, das Gesicht liegt auf ihren gefalteten Händen. In dieser nach vorne gebeugten Haltung verbleibt sie, ohne sich zu rühren, fast wie eingefroren sitzt sie da und beobachtet ihn mit ihren grünen Augen. In den schwarzen welligen Locken lassen sich bereits einzelne graue Strähnen erkennen, sie stechen nicht nur vom Haar, sondern auch von dem schwarzen Kleid deutlich ab. Ganz aus Seide, ist das Kleid an Saum und Decollete mit Spitze abgesetzt. Die Ärmel sind trichterförmig geschnitten, so dass sie nach vorne hin immer breiter werden und erst weit auf der Hand enden. Das von dezenten Furchen durchzogene Gesicht zeigt keine Regung, auch die Augen lassen nichts über ihre Gedanken erkennen, nur manchmal ziehen sie sich leicht zusammen, wenn sie versuchen, ihn erneut und konzentrierter zu fixieren. Sie beobachten ihn, doch allmählich werden ihre Augen glasig, Wasser sammelt sich darin an, bis schließlich eine Träne herauskullert und über ihre Wange läuft. Ihr Mund verzieht sich leicht, als die Träne an ihm vorbeiläuft. Sie schließt ihre Augen, doch weitere Tränen quellen hervor, laufen an den Wimpern entlang und tropfen zwischen ihnen hindurch. Sie hebt ihren linken Arm zitternd, streckt ihn nach vorne, die Hand weit offen, als wollte sie die Seine greifen. So sitzt sie stumm da und wartet, dass er sich rührt. In ihrem Blick liegt nun ein Flehen von solcher Intensität, dass es scheint, als wäre Ihr einziger Wunsch eine Berührung von ihm. Auch er weint, wohl wissend, dass er sie nicht anfassen kann. Verzweifelt versucht er dennoch, sich von den Lederriemen zu befreien, wirft sich hin und her, reißt mit aller Kraft an den Fesseln, doch es nutzt nicht. Er kann sie nicht erreichen. Sein jammerndes Wimmern wird von der stickigen Luft absorbiert, als wäre es niemals durch den Raum gedrungen. Sein Kopf dreht von einer zur anderen Seite, wie im Fieber murmelt er unverständliche Worte vor sich hin, einzelne Strähnen des langen schwarzen Haares kleben ihm im Gesicht. Unnachgiebig versucht er weiter seinen Arm nach vorne zu bringen, um die Hand zu erreichen, die sie ihm immer noch entgegenreckt. Ihre Blicke treffen sich, und er lässt von seinen Bemühungen ab. Zuviel Trauer liegt in ihren Augen, als dass er seinen Kampf fortsetzen könnte. Er sieht sie einfach nur an, minutenlang, wie es scheint. Ihre Gesichtszüge werden immer schwächer, Konturen verblassen, nach und nach löst sich die Gestalt in Luft auf, bis sie ganz verschwunden ist und der Stuhl leer zurückbleibt. Er ist wieder alleine und in ihm brennt die Gewissheit, dass er seine Mutter nie wieder sehen wird. __________________________________________ Viel Zeit ist seitdem vergangen, Tag und Nacht haben für ihn keine Bedeutung mehr, da für ihn nicht erkennbar ist, welche Stunde kommt und geht. Dort unten ist es immer dunkel. Wenn er wach ist, horcht er, ob Geräusche von außerhalb der Zelle vernehmbar sind. Zuviel Angst vor der Wiederkehr des Mannes zwingt ihn dazu. Zwar bietet ihm das keine Verteidigungsmöglichkeit, aber er wäre zumindest vorgewarnt. Sein Blick ruht stetig auf der Zellentür, die für ihn die einzige Verbindung zur Außenwelt ist. Eine kleine Schnauze erscheint in dem Loch neben der Tür. Schnurrhaare beben leicht, als die Ratte vorsichtig in den Raum riecht. Stückweise drängt sie sich aus der Ritze heraus und sobald sie sich sicher fühlt, schlendert sie frech quer durch die Zelle. Direkt vor dem Stuhl hält sie an, stellt sich auf die Hinterbeine und schaut zu dem goldenen Löwen am Ende der Lehne hoch. Mit einer piepsenden Stimme sagt sie zu ihm: „He, Großer! Was gibt’s Neues? Hat er irgendwas gesagt?“ Der Löwenkopf richtet sich nach unten und antwortet: „Nein, er hat nur ein bisschen von seiner Mami erzählt. Anscheinend hat er Heimweh!“ Ein tiefes, grollendes Lachen stimmt mit dem quieksenden Gelächter der Ratte mit ein. „Oh, er vermisst seine Mutter! Wahrscheinlich weiß er ohne sie gar nicht, was er morgen anziehen soll“, prustet einer der Trollocs vom Stuhlbein los. Die Ratte hält sich bereits den Bauch vor Lachen, sie hat schon Schwierigkeiten, sich auf den Hinterbeinen zu halten. Der ganze Stuhl wird durchgeschüttelt, als der Löwe sein Maul aufreißt, und sein donnerndes Gelächter ausdringt. Die Fratzen schmeißen sich hin und her, offenbaren beim Lachen breite Reihen von scharfen Zähnen, die Schnauzen wackeln heftig unter den Grunzlauten. Der Gefangene beobachtet das Treiben zunächst regungslos. Doch dann verzieht sich sein ausdrucksloser Mund zu einem gequälten Grinsen, er wirft den Kopf zurück und schallendes Gelächter erfüllt den ganzen Raum. Die Lederriemen werden auf einer Seite gespannt, während sie auf der anderen etwas lose hängen, als er sich unter Lachen hin und her windet, mal brüllt er laut heraus, mal ist es nur ein wahnsinniges Kichern. Nach einiger Zeit schmerzen bereits der Hals und die Bauchmuskeln, aber er kann nicht aufhören zu lachen. Die Gesichtshaut ist von dem irren Grinsen straff gespannt, doch aus seinem Mund kommt bald nur noch ein stetiges Glucksen, zeitweise unterbrochen von schrägen Tönen, jedoch nur solange, bis die Erschöpfung ihn einholt. ___________________________________________ Ein Schlag ins Gesicht weckt den Gefangenen. Überrascht öffnet er die Augen und sieht den Mann auf dem Stuhl sitzen. Sein roter Mantel hängt unordentlich über der Armlehne. Er trägt eine schwarze Hose und eine schwarze, geschlossene Jacke darauf, die an den Schultern und am hohen Kragen aufwändig mit gewundenen Kordeln verziert ist. Diese baumeln hin und her, als er sich erwartend nach vorne beugt. Seine lässige Haltung verschwindet und es ist Anspannung erkennbar. Er stellt die eine bedeutende Frage abermals. Seine Stimme klingt ruhig aber betont, als dulde er keine Ausflüchte oder Lügen. Der Gefragte blickt den anderen nur stumm an. Ungläubigkeit liegt in seinem Blick. Momente später wandelt sich diese Ungläubigkeit jedoch in Entschlossenheit und ein breites Lächeln erscheint auf seinem Gesicht. Er fühlt sich plötzlich befreit, Glücksgefühle steigen in ihm auf. Er genießt den Schwung an innerer Zufriedenheit und Vorfreude, alles was war scheint vergessen. Lauthals beginnt er zu lachen, ein erleichtertes Gejauchze, das kein Ende findet. Abscheu und Verachtung legen sich auf das Gesicht des Mannes. Die Hand, die auf seinem Knie liegt, verkrampft sich wütend zu einer Faust. Die andere Hand hält angespannt einen silbernen Kelch, als wolle sie ihn zerdrücken. Seine Lippen werden zu einer schmalen Linie, als er die Zähne vor Zorn zusammenbeisst. Mit einem Ruck spürt der Gefangene, wie sich die Macht in ihn schleicht. Zuerst unterschwellig, dann plötzlich aufwallend und an Intensität gewinnend. Wärme breitet sich aus und wird zu Hitze, transportiert von Blut, das als reißender Strom durch den ganzen Körper schießt. Das Bewusstsein ist hin und her gerissen zwischen Schmerzempfinden und Bildern, die in seinem Kopf erscheinen. Er sieht sich selbst, als Kind mit seinen Eltern in den Abendstunden vor dem Haus sitzen, sein Vater eine Pfeife in der Hand, seine Mutter dicht an ihn gelehnt. Er erinnert sich daran, wie sein Vater ihm bei einem fahrenden Händler einen kleinen bunten Kreisel gekauft hatte, den er mit einem Stock und einer daran gebundenen langen Schnur antreiben konnte. Er denkt an seine Mutter, die ihm immer leckeren Honigtee machte, wenn er krank war. Er fühlt wieder, wie es war, mit der ganzen Herde Schafe auf der großen Anhöhe hinterm Haus zu stehen, und über das Land zu blicken, das langsam in Dunkelheit verfiel. Er sieht sich beim Sonnwendfest die ganze Nacht mit der hübschen Eduaine tanzen, deren Augen so tief blau waren, dass man sich darin verlieren hätte können. Er denkt zurück an den schrecklichen Tag, an dem sein Vater bei einem Unwetter von einem umfallenden Baum erschlagen wurde, als er noch versuchte, die Herde sicher nach Hause zu bringen. Er sieht nur allzu gut den Gesichtsausdruck seiner Mutter vor sich, die ihm weinend nachblickte, als er das Dorf verließ, um in der nahen Stadt sein Glück zu versuchen, da die Schafe nach dem Sturm nicht mehr zurück gekommen und die Felder völlig verwüstet waren. Erinnerungen an seinen ersten Arbeitstag bei Salwenor Dhal’ven, einem der Küffner in Cairhien kehren wieder. Er weiß noch, wie überrascht er war, als er auf dem großen Marktplatz plötzlich einem Mann gegenüber stand, der sein Spiegelbild hätte sein können. Er hat wieder das große Feuerwerk vor Augen, das ihn so beeindruckt hatte und bei dem er sich wünschte, sein Vater hätte jemals so etwas schönes gesehen. Er erinnert sich daran, wie er mit all den Anderen auf dem großen Platz gegafft hatte, als eine hübsche, junge Frau, umringt von der königlichen Garde, in den Palast ging. Er denkt an Moinarah, das bezaubernde Schankmädchen, mit dem er sich abends manchmal hinter dem Wirthaus neben der Küffnersstube unterhalten hat. Der Strom an Bildern reißt ab, der Schmerz ist verschwunden. Der ganze Körper fühlt sich leicht an, so leicht, als wäre er der Schwerkraft nicht mehr unterworfen. Alles außen herum ist dunkel, doch weit in der Ferne erstrahlt ein Licht, heller als alles andere, was er je gesehen hat. Trotz der Helligkeit blendet es nicht, sondern vermittelt Wärme und Geborgenheit. Mit jedem Schritt zum Licht hin, nimmt das Gefühl von Freude zu. Er wird durchströmt von einem prickelnden Gefühl, das er noch nie zuvor gespürt hat. Vor der Quelle des Lichts, verharrt er kurz und tritt dann voller Erwartung hinein. Auf der anderen Seite angelangt, ist das Licht verschwunden. Er findet sich selbst in einem Raum wieder, in dessen Mitte ein Spiegel steht. Er tritt vor den Spiegel hin und schaut hinein. Erschrocken dreht er sich um, aber er muss sich wohl getäuscht haben, denn der Mann mit dem blutroten Umhang und den flammenden Augen steht nicht hinter ihm.
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