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Wir schreiben den 18. Nesan Einleitung Der Autor RJ's Blog Buchübersicht Buchdetails Handlung Kurzgeschichte Weitere Produkte Enzyklopädie Personen Heraldik Alte Sprache Prophezeiungen Namensgenerator
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Nagellack
Es fiel Mat schwer, ein Stöhnen zu unterdrücken, aber er schaffte es und behielt sogar sein freundliches Lächeln bei. Missmutig blickte er in die eifrigen Gesichter der drei Aes Sedai. Zwar waren sie sicherlich in der Lage, sich selbst ausreichend zu verteidigen, jedenfalls, wenn der Gholam sie nicht erwischte, und von dem gab es keinerlei Anzeichen, doch er hatte sogar eine Eskorte von hundert Mann angeboten, um sie sicher nach Caemlyn oder Tar Valon zu bringen - oder wohin auch immer sie auch wollten. Nur leider schienen sie viel lieber dorthin zu gehen, wo auch immer er selbst sich gerade befand. Wenn er beschlösse, sofort zum Shayol Ghul aufzubrechen, würden sie vermutlich noch immer darauf bestehen, ihn zu begleiten, überlegte er sarkastisch. Verdammte Aes Sedai! „Dann geht doch mit der Bande nach Cairhien.“ schlug er vor, auch wenn es ihm tief im Innersten widerstrebte, der Bande der Roten Hand diese lästigen und rechthaberischen Frauen aufzubürden. Aber lieber das, als dass er sich mit ihnen herumplagen musste. „In Cairhien ein wenig Unterstützung der Burg für Elayne zu zeigen, ist doch sicher auch in Eurem Sinne.“ fügte er mit einem Lächeln hinzu, das möglichst freundlich und offen wirken sollte. Allerdings hatte er wenig Hoffnung, dass es helfen würde. Er könnte natürlich versuchen, es Ihnen zu befehlen, schließlich hatten sie geschworen, ihm zu gehorchen. Allerdings schienen alle drei in dieser Hinsicht immer vergesslicher zu werden, es lohnte sich einfach nicht, Aes Sedai das Leben zu retten. Er fragte sich, warum er sich eigentlich schon wieder auf den Weg machte, eine von ihnen zu retten. Natürlich war Moiraine ein anderer Fall. Er gab es nicht einmal sich selbst gegenüber gerne zu, aber ohne sie wäre er mit Sicherheit schon lange tot, vielleicht schon seit jener schicksalhaften Winternacht, in der die Trollocs Emondsfeld überfallen hatten. Außerdem hatte er es Thom versprochen, Narr, der er war. Teslyn schüttelte den Kopf. „Wir fühlen uns in Eurer Nähe einfach sicherer, Mat Cauthon.“ meinte sie mit einem ebenso herzlichen Lächeln wie seinem, ganz so, als meine er seines ehrlich. Die beiden anderen nickten eifrig. „Lord Talmanes ist ein fähiger Mann. Sicherlich wäre es ihm nicht sehr angenehm, wenn wir uns in seine Angelegenheiten einmischten.“ Ihr verdammtes Lächeln wurde noch breiter, wenn das möglich war. Dass sie ihm lästig sein würden, war ihnen natürlich ebenso klar wie gleichgültig. Resigniert fragte er sich, warum er etwas anderes erwartet hatte. Natürlich wären sie lieber bei Rand – er unterdrückte reflexhaft den bunten Farbwirbel vor seinen Augen - aber ein anderer Ta'vaeren tat es offensichtlich auch. Zudem war er aus ihrer Sicht ungefährlicher, denn schließlich konnte er Saidin nicht lenken. Auch seinen Fuchskopf konnten sie nur studieren, wenn sie in seiner Nähe blieben. Wenn Aes Sedai einen erst mal in den Fängen hatten, ließen sie einfach nicht mehr locker, das war eine Tatsache, die nicht nur Thom ihm oft genug bestätigt hatte. Vermutlich würden sie ihm auch ohne seine Erlaubnis folgen, sah er schließlich missmutig ein, Talmanes war nicht der Mann, der Aes Sedai sagte, was sie zu tun, oder wohin sie zu gehen hatten. „Ihr macht genau das, was ich Euch auftrage, klar?“ sagte er streng. Alle drei erklärten ihm fröhlich und aufgeregt, dass sie all seinen Anweisungen bereitwillig folgen würden, solange sie nur mitkommen dürften. Er konnte ein Stöhnen diesmal nicht unterdrücken, als Joline ihn fest umarmte und ihm einen Kuss auf die Wange hauchte, obwohl er versuchte, sie abzuwehren. Teslyn und Edesina tätschelten jede behutsam eine seiner Schultern und lächelten beide herzlich. Rasch löste er sich von Joline und ging hinüber zu Thom und Juilin, der Pips festhielt, damit er aufsteigen konnte. Der gealterte Gaukler strich über seinen üppigen Schnurrbart, vermutlich um ein Lächeln zu verbergen, das dem offenen Grinsen des Diebfängers mit diesem lächerlichen Hut in nichts nachstehen würde. Hinter sich hörte er Teslyn tatsächlich Kichern! Er blickte sich um, aber sofort musterten ihn alle drei Schwestern mit ihren üblichen gelassenen Aes Sedai-Blicken, während sie elegant auf ihre Pferde stiegen. Allerdings zeigten alle drei noch immer ein freundliches Lächeln unter dem er innerlich erschauderte. Mat verfluchte sein Pech und knurrte grimmig, während er sich auf Pips schwang. Das alles hatte erst angefangen, nachdem er verheiratet war. Er verstand noch immer nicht wirklich, warum Tuon ja gesagt hatte, aber offenbar war er jetzt tatsächlich mit ihr verheiratet, auch wenn er es selbst noch kaum glaubte. Und dann, am Abend nach der Schlacht gegen die Seanchaner, hatte Joline begonnen, mit ihm zu flirten. Zuerst hatte er sich nur leicht gewundert, als sie sich so dicht neben ihn setzte und lächelte, aber ihm waren fast die Augen herausgefallen, als die Aes Sedai bewusst seinen Blick auf ihren Ausschnitt gelenkt hatte. Sie hatte gelacht und ihm einen Arm um die Schultern zu legen versucht, während er unsicher zurückgewichen war. Im Nachhinein hätte er vermutlich lachen sollen oder eine unanständige Bemerkung machen, aber weil er seine Unsicherheit so eindeutig gezeigt hatte, machte sie natürlich damit weiter. Jeden Abend machte sie sich an ihn heran und es fiel ihm zunehmend schwerer, ihr aus dem Weg zu gehen, weil er es nicht zu offensichtlich machen konnte. Er war fast soweit, dass er zusammenzuckte, wenn ihr Blick auf ihn fiel! Das schlimmste war, dass sie auch noch so verdammt gut aussah. Wäre sie keine Aes Sedai gewesen - und er nicht verheiratet - dann hätte er sich über ihre Aufmerksamkeit sogar gefreut, aber so? Er nickte Talmanes zu und der Mann salutierte. "Wir reiten!" befahl er grimmig und die anderen wussten genug, um ihm stillschweigend zu folgen, als er Pips zu einem leichten Galopp antrieb und die Bande hinter sich zurückließ. Vanin war bereits mit zwei Rotwaffen vorausgeritten und erkundete gemäß Bayles Beschreibung den Weg nach Norden. Direkt hinter Mat folgten Thom und Juilin mit Olver in der Mitte und Thera, Lopin und dem knorrigen Noal sofort im Anschluss, dicht gefolgt von den Aes Sedai, Jolines Behütern und den zwei Sul'dam. Es war schon eine seltsame Truppe, die ihm da folgte. Dann kamen weitere achtundzwanzig Rotwaffen. Talmanes hatte darauf bestanden, dass er zumindest so viele mitnahm. Hinter ihnen würden Bayle und Egeanin folgen. Dieser Unsinn, sie Leilwin zu nennen hatte zu seiner Verblüffung ein Ende gefunden, als er sie einmal versehentlich wieder bei ihrem richtigen Namen genannt hatte. Sie hatte sich zu Boden geworfen und ihm gedankt, während Tränen aus ihren Augen rannen und Bayle Domon offenbar genauso verwirrt war, wie er selbst. Später hatte der kräftige Mann ihm gedankt, dass er sie wieder so wie früher nennen durfte, aber er hatte ihm den Grund für ihren Sinneswandel auch nicht erklären können, sondern nur mit den Schultern gezuckt. Egeanin selbst blickte Mat niemals in die Augen, sondern hob ihren Blick höchstens bis zu seinem Kinn und er hatte ihr verbieten müssen, vor ihm niederzuknien, damit sie damit aufhörte. Anscheinend stand er durch seine Heirat jetzt zu weit über ihr, was die seanchanischen Adelsränge anging. Vielleicht sollte er sie einfach in den Adelsstand erheben, aber durfte er so etwas überhaupt und wenn ja, wie stellte man das an? Er betrachtete seufzend die kahlen Hügel, durch die sie ritten, ohne sie wirklich zu sehen. Das einzige, was er als positiv für sich verbuchen konnte, war, dass gerade keine blutigen Würfel in seinem Kopf hin und her rollten. Mat fand es schade, dass er Aludra und Setalle Anan mit der Bande nach Cairhien geschickt hatte, aber es war wohl für beide das Beste und sein Leben war auch ohne weitere Frauen kompliziert genug. Aludra konnte mit seinem persönlichen Empfehlungsschreiben für diese Schule, die Rand – ein erneuter Farbwirbel wurde energisch unterdrückt – in Cairhien gegründet hatte, ihre Drachen bauen und die Bande damit ausstatten und die Herrin Anan würde so bald wie möglich sicher auf diesem Weg zu ihrer Familie nach Illian gelangen, wie er hoffte. Allerdings war Illian alles andere, als ein sicheres Pflaster, schließlich standen nach allen Berichten die Seanchan bereits an den Grenzen. Durch die zugegebenermaßen gewinnbringende Rolle, welche die Bande in Murandy eingenommen hatte, stand der Weg durch Murandy natürlich für sie außer Frage, daher waren sie die letzten zwei Wochen gemeinsam nach Norden marschiert. Talmanes würde sich ab jetzt mit der Bande der Roten Hand nach Osten wenden, um bei Weißbrücke den Fluss zu überqueren, und dann durch Andor Richtung Cairhien marschieren. Die zahlreichen Adeligen aus Cairhien, die der Bande angehörten, sollten Elaynes Anspruch dort untermauern können, während sie selbst vermutlich noch mit Andor beschäftigt war, wenn man den spärlichen Berichten glauben konnte, die sie von fahrenden Händlern gehört hatten. Auch wäre die Bande so nicht allzu weit von Tar Valon entfernt, wo nach Talmanes' Berichten Egwene derzeit die Stadt belagerte. Mat glaubte zwar nicht, dass die Bande dort etwas ausrichten konnte, aber vielleicht gab Egwene diesen Unsinn, Amyrlin sein zu wollen, ja doch noch auf. Dann hätte sie wenigstens eine Richtung, in die sie sich wenden konnte. Es konnte nicht mehr weit sein, bis sie den Arinelle erreichen würden, und Mat hoffte, dass es ihnen schnell gelänge, ein Schiff zu finden, das sie zu diesem verdammten Turm bringen konnte. Zwar hatte er es nicht eilig, den Aelfinn und Eelfinn erneut zu begegnen, aber je schneller er es hinter sich brachte, desto besser. Thom hatte begonnen, mit Noal gemeinsam Pläne zu schmieden, und er hatte darauf bestanden, dass sie ihn nicht einweihten, falls die blutigen Schlangen und Füchse tatsächlich in seinem Verstand waren. Alles, an was er sich erinnerte, hatte er ihnen bereits gesagt. Hoffentlich reichte es, um lebend zurückzukehren. Bis zur Mittagszeit ritten sie durch die eintönige Landschaft im Südwesten Andors nach Norden. Nur selten kam in der Ferne eine Rauchfahne in Sicht, die von Besiedelung zeugen mochte und niemand begegnete ihnen auf dem Weg, den Vanin ihnen mit seinen Zeichen vorgab. Er befahl einen kurzen Halt, hauptsächlich um den Pferden etwas Ruhe zu gönnen, und aß im Stehen, während er versuchte, mit den Rotwaffen ins Gespräch zu kommen. Allerdings gaben sie ihm mit ihren Blicken und dem ständigen ehrfürchtigen "Lord Mat" den Eindruck, es sei unter seiner Würde, mit einfachen Soldaten wie ihnen zu sprechen und er gab es bald auf. Leider war außer Vanin – und seinem Leibdiener Lopin natürlich – keiner aus Ebou Dar mit dabei, denn die Soldaten hatte Lose darum gezogen, wer dabei sein durfte. Dass die meisten seiner Männer dort gestorben waren, schien die Männer eher anzustacheln als zur Vorsicht zu gemahnen, Narren, die sie waren. Thom und Noal waren zu sehr in ihre Unterhaltung vertieft, um ihm Beachtung zu schenken und Juilin beschäftigte sich mit Olver, während Thera lächelnd zusah und nahe an den drahtigen Tairener heranrückte. Hier wollte er bestimmt nicht stören, die ehemalige Da'covale schien ihn nicht ausstehen zu können, auch wenn er noch immer nicht verstand, warum das so war. Normalerweise war er die Gelassenheit in Person, aber im Moment hatte er den Eindruck vor Gereiztheit zu glühen. Im Laufe des kühlen aber sonnigen Vormittags hatten die Würfel erneut mit ihrem Geklapper begonnen! Wenigstens waren sie diesmal nicht ohrenbetäubend laut, sondern fast erträglich. Er machte einen Bogen um die lächelnden Aes Sedai und ging zu Bayle und Egeanin. "Wie weit ist es von hier bis zum Turm von Ghenjei, Bayle?" wollte er leise wissen, sobald er nahe heran war. Keine der Schwestern lenkte gerade Saidar, also sollten sie nichts hiervon mitbekommen. Der Mann hob die Schultern. „Ich nicht weiß, Mat, hier sein kein Fluss, den ich kennen wie Hand eigene." antwortete er mit seinem illianer Akzent. "Vielleicht wir in zwei Tagen dort oder drei, wenn wir reisen mit Tempo wie jetzt. Vielleicht es sein eine Woche, aber ich nicht glauben mehr. Allerdings ich nicht genau weiß, wo wir sind, also ich nicht sein können sicher." Er hob erneut die Schultern. Die Karten halfen ihnen hier nicht weiter, denn der Turm war auf keiner davon verzeichnet. Mat hatte vermutet, dass es viel weiter wäre, sie würden wohl doch kein Schiff brauchen. Er blickte ohne Absicht zu Egeanin und sofort duckte sich die Frau! Bayle verzog mürrisch das Gesicht und Mat hoffte, dass der Mann ihr Verhalten nicht ihm zur Last legen würde. Bayle war ein ernst zu nehmender Gegner, wenn er wütend auf ihn wäre, und all das Reiten der letzten Zeit hatte dazu geführt, dass er seine Hüfte nach wie vor etwas spürte. "Lasst endlich den Unsinn, Egeanin!" forderte Mat sie ungehalten auf. "Ihr seid eine stolze Frau und es passt nicht zu Euch, sich zu ducken!" Das war vielleicht etwas zu energisch, aber er hatte von diesem Gedruckse langsam wirklich die Nase voll. Selbst jetzt weigerte die Frau sich, ihm geradeheraus in die Augen zu sehen! Sie murmelte knicksend unterwürfige Entschuldigungen darüber, ihn beleidigt zu haben und das brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. Wütend wandte er sich an die Aes Sedai, die ihm wie verdammte Katzen die ganze Zeit über hinterher schlichen, und streckte fordernd die Hand aus "Wenn eine von euch Nagellack hat, dann sofort her damit!" befahl er barsch. Diese adeligen Seanchan, die sich das Blut nannten, hatten doch alle bemalte Nägel, schoss ihm durch den Kopf. Er würde auf der Stelle jeden einzelnen ihrer Nägel anmalen, wenn sie ihn dann endlich wieder wie einen normalen Menschen behandelte! Sofort kramten alle drei Schwestern hektisch in den Taschen ihrer Umhänge und Joline war die erste, die ihm ein kleines Fläschchen mit Nagellack in die Hand drückte. Seltsamerweise errötete sie dabei, aber er beachtete es nicht, sondern wandte sich wieder an Egeanin. "Hand her!" befahl er und sofort streckte die Frau eine zitternde Hand aus. Er griff danach, ließ Joline das kleine Fläschchen halten und begann, Nagellack auf ihrem kleinen Finger zu verteilen. Er bemerkte, wie die Würfel in seinem Kopf plötzlich fielen, achtete aber nicht weiter darauf, sondern nahm es als Zeichen, dass dies tatsächlich funktionieren mochte, während er weiterpinselte. Egeanin starrte mit weit aufgerissenen Augen wie gebannt auf die tiefrote Farbe auf ihrem Finger. Ein wenig ging daneben, aber bald war der Nagel rot und er griff nach dem nächsten und bemalte auch diesen. Der Seanchanerin fielen fast die Augen aus dem Kopf, als er mit dem dritten Finger begann, und er hätte schwören können, dass sie fast in Ohnmacht fiel. Ihr Gesicht war weiß wie Schnee und ihre Hand zitterte noch stärker als zuvor! Selbst ihre Knie schienen kurz davor, nachzugeben! Und das nur wegen etwas Nagellack, diese Seanchan waren wirklich vollkommen übergeschnappt! Egeanin keuchte auf und stöhnte, als er sich den Zeigefinger vornahm, machte aber nur halbherzige Versuche, ihm die Hand zu entziehen. Erst als er sich auch noch ihren Daumen schnappen wollte, zog sie die Hand mit einem kräftigen Ruck zu sich heran und rief fast panisch "Nein!" Sie zitterte am ganzen Leib, aber wenigstens sah sie ihm jetzt in die Augen. Ihr Blick flackerte eine Weile unstet zwischen seinem Gesicht und ihrer bemalten Hand hin und her. Er bemerkte am Rande, dass Seta und Bethamin die bemalten Finger mit offenen Mündern anstarrten, kümmerte sich aber nicht weiter um die beiden Sul'dam. "Das sein doch bloß Nagellack!" sagte Bayle abwertend. "Egeanin, warum...?" doch er wurde von ihr unterbrochen. Erstaunlich, welche Veränderung in ihr vorgegangen sein musste, sie hatte ihrem Mann seit Wochen nicht einmal mehr widersprochen und jetzt beachtete sie ihn garnicht und unterbrach ihn einfach! "Bitte gebt mir einen Namen, Matrim Cauthon." wandte Egeanin sich fordernd an Mat, wobei sie Bayles verblüffte Miene einfach ignorierte. Ihre Stimme schwankte nicht, obwohl sie immer noch blass war und sie stand jetzt sehr aufrecht und blickte geradeheraus in seine Augen. "Dein Name ist Egeanin Domon, und das wird er ab jetzt auch bleiben." sagte er so ruhig er konnte. Immerhin waren die beiden verheiratet. „Und ich heiße Mat. Irgendwelche Einwände?" fügte er hinzu. Der stämmige Seebär musterte ihn verwundert, schien aber durchaus erfreut. "Aber Bayle ist nicht... er ist nicht... " Ihr fehlten offenbar die Worte, aber wenigstens sah sie ihm weiterhin geradewegs in die Augen. Anscheinend wollte sie, dass er auch ihm die Fingernägel lackierte, also schlug er es ihr vor. "Ihr könnt ihm die Nägel auch selbst anmalen, wenn ihr wollt." fügte er hinzu und drückte ihr das Fläschchen in die unbemalte Hand, nachdem er es aus Jolines widerstandslosen Fingern genommen hatte. Entsetzen war das Wort, das ihm in den Sinn kam, als er Egeanins Reaktion auf seine Worte in ihrem Gesicht sah. Sie öffnete und schloss den Mund wie ein Fisch, den man an Land brachte, bevor sie sich wieder fing, und den Nagellack hielt sie mit spitzen Fingern so weit von sich weg wie möglich, als wäre er gefährlich. "Das... das wird nicht nötig sein." sagte sie schließlich und drückte Joline den Nagellack in die Hand, ohne die Aes Sedai sonst weiter zu beachten. Sie blickte eine Weile auf ihre bemalten Fingernägel bis sie sich etwas beruhigt hatte und meinte dann leise "Ihr hättet Euch wenigstens etwas Mühe geben können, Mat." "Ihr habt gezittert wie die Jungfrau beim ersten Tanz" verteidigte er sich aufgebracht "und außerdem habe ich so was noch nie gemacht!" Er war überrascht, als sie lachte. "Nur ein Scherz, Mat, nur ein Scherz. Wenn ihr erlaubt, ich muss dringend etwas mit Bayle besprechen." Sie wartete sein schwaches Nicken kaum ab, bevor sie den Illianer am Arm ergriff und mit sich zog. Ein Scherz? Er war sich plötzlich nicht mehr so sicher, dass er wirklich das Richtige getan hatte, wenn sie jetzt Scherze auf seine Kosten machte, aber andererseits schien sie sich in seiner Nähe jetzt wenigstens halbwegs normal zu verhalten. Mehr konnte er von ihr wohl nicht erwarten. "Ihr habt keine Ahnung, was Ihr da gerade getan habt, oder Mat?" fragte Teslyn leise von der Seite, während sie ihn musterte, als könne sie ihn völlig durchschauen. Diesmal lächelte sie nicht. Er ignorierte sie, so gut er konnte, denn er wusste es tatsächlich nicht.
Nicht wirklich. "Wir reiten!" befahl er an die Rotwaffen gewandt und
schritt hinüber zu Pips. Von all diesen Soldaten umgeben wäre es unmöglich gewesen, sich ihm unbemerkt zu nähern, also hatte er abgewartet und war seiner Beute geduldig in großem Abstand gefolgt. Jetzt waren nur noch wenige Gegner dabei, aber sie waren aufmerksam. Diesmal durfte er nicht entdeckt werden, bis es zu spät war, dieses beunruhigende Amulett, das ihn verletzen konnte, musste möglichst außer Reichweite seines Feindes sein, wenn er angriff. Er war hungrig und die fünf Aes Sedai, die seinen Feind begleiteten, waren sehr verlockend, weil er sich seit Wochen fast nur von Wildtieren ernähren konnte, die er sorgfältig verbarg. Doch noch musste er seinen Hunger zügeln und auf seine Gelegenheit warten, er musste geduldig bleiben. Lautlos wie ein Schatten zog er sich in die sichere Dunkelheit des Waldes zurück. Die letzten zwei Tage waren in vielerlei Hinsicht besser verlaufen als erwartet. Nicht nur, dass es keinen Schnee mehr gab, der ihren Weg behinderte, weil der Frühling begann, sich abzuzeichnen, war hilfreich, auch die Aes Sedai hatten sich von ihm weitgehend ferngehalten. Er warf einen Seitenblick auf Egeanin, die ihr Pferd jetzt beständig eine halbe Länge hinter seinem hielt und seinen Blick mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken zur Kenntnis nahm. Die Frau war wie verwandelt. Als er sie kennengelernt hatte, war sie ihm schon stark und selbstbewusst erschienen, aber jetzt war sie die pure Gelassenheit in Person und nie sah man einen Riss in ihrer Selbstkontrolle. Meistens - wie auch jetzt - lag ein leichtes Lächeln auf ihren Zügen. Plötzlich fühlte er Kälte an seiner Brust. Rasch blickte er zurück und sah Teslyn, die sich schnell wieder zurückfallen ließ und dabei nicht in seine Richtung blickte. Nur noch selten hatte eine von den Aes Sedai es gewagt, seinen Fuchskopf zu erproben, dies war erst der dritte Versuch seit sie sich von der Bande getrennt hatten. Auf dem Hinweg nach Ebou Dar war er praktisch ohne Pause von Elayne und den anderen mit Saidar berührt worden und auf dem Rückweg hatten Teslyn und die anderen es zumindest drei oder viermal täglich versucht, nachdem er Joline den Hintern versohlt hatte. Mat schenkte Egeanin ein aufrichtiges Lächeln und blickte dann wieder nach vorn. In Gedanken rief er sich nochmals in Erinnerung, was am Abend, nachdem er die Fingernägel der Seanchanerin lackiert hatte, geschehen war. Joline hatte erneut versucht, sich an ihn heranzumachen und ihn zu verunsichern. Egeanin war forsch auf sie zugetreten und hatte der Aes Sedai befohlen zu verschwinden und sich von Mat fernzuhalten. Sie hatte völlige Überzeugung ausgestrahlt, dass man ihr gehorchen würde, aber Joline hatte natürlich trotzdem mit kühler Selbstsicherheit versucht, Einspruch zu erheben. Egeanin hatte ihre Worte nicht beachtet, sondern sich an Bayle gewandt: "Bayle, schlage diese Marath'damane, weil sie nicht gehorcht!" Sie schien tatsächlich erwartet zu haben, dass der Illianer es unverzüglich tun würde, aber der war nur erschrocken zurückgewichen und hatte gestammelt, das könne er doch nicht tun. Also hatte Egeanin einen Handschuh hinter ihrem Gürtel hervorgezogen und ihn übergestreift. Joline war inzwischen nicht einen Fuß zur Seite gewichen und versuchte noch immer, ihr Gegenüber mit Worten zu beeindrucken, die zunehmend wütender klangen. Und dann - Mat lächelte selig, als er diese Erinnerung voll auskostete - hatte Egeanin Joline ansatzlos und beiläufig mit dem Handrücken geohrfeigt und gesagt: "Und jetzt geht. Es ist schlimm genug, dass ich mir selbst die Hände an Euch schmutzig machen muss. Wenn ihr Mat noch ein Mal belästigt, oder auch eine Eurer Freundinnen, dann werde ich meine Gerte bei Euch benutzen." Es war ihr gelassener und doch leicht angewiderter Tonfall, der Mat besonders beeindruckt hatte. Joline war völlig verblüfft gewesen, ihre Augen noch stärker geweitet als damals in der Küche der Wanderin und der Mund ein perfekter Kreis, die Hand an der Wange. Joline wich einige Schritte zurück und Egeanin winkte sie mit einem kühlen "Na, geh schon." fort, als wäre sie nur eine unbedeutende Dienerin oder nicht mal das. Und Joline war tatsächlich gegangen, eine Hand an der Wange und sich immer wieder nach der anderen Frau umblickend. Und seitdem hatte Joline sich der Seanchanerin nicht auf mehr als zehn Spannen genähert! Selbst Teslyn und Edesina wichen zurück, wenn Egeanin an ihnen vorbeikam und den Schwestern keinerlei Beachtung schenkte, als wären sie Luft. Die Reaktionen der übrigen waren sehr unterschiedlich ausgefallen. Während die Sul'dam inzwischen ihre Blicke niederwarfen, wenn Egeanins Blick auf sie fiel, grinsten sie jetzt offen, wenn ihnen eine Aes Sedai begegnete und zeigten keinerlei Respekt mehr, beide hatte sogar aufgehört, sich unterrichten zu lassen. Alle anwesenden Männer waren mindestens so überrascht gewesen wie Joline selbst und nur Bayle Domon hatte zunächst ein zunehmend breiter werdendes Grinsen aufgelegt, als er an Egeanins Seite trat. Und dann lachte Noal aus vollem Hals "Sowas habe ich noch nie gesehen!" und er lachte so sehr und ausdauernd, bis er fast keine Luft mehr zu bekommen schien, während er sich auf den Hosenboden setzte und sich auf die Schenkel schlug. Mat hatte nicht anders gekonnt und ebenfalls gelacht, gefolgt von Domon, Juilin und den meisten der Rotwaffen. Dann hatte er sich überschwänglich bei Egeanin bedankt, aber die hatte bloß mit leichtem Lächeln gefragt, wofür. Sie schien tatsächlich nicht zu erkennen, was an der Situation so lustig sein sollte und das hatte ihn noch lauter lachen lassen. Einige Rotwaffen hatten eher verblüfft als erheitert reagiert und Lopin schien ihre Heiterkeit sogar zu missfallen, auch wenn er nichts dergleichen andeutete und die gleiche mürrische Miene wie üblich zur Schau trug. Thom und zu Mats Verwunderung auch Olver hatten ihm jedoch eindeutig missbilligende Blicke zugeworfen und sich nicht an der allgemeinen Heiterkeit beteiligt. Voller Ernst hatte Olver ihm abends erklärt, dass es Unrecht sei, Aes Sedai zu verspotten, und dass es von wenig Weisheit zeugte. Es war das erste Mal überhaupt, dass der Junge sich ihm gegenüber kritisch gezeigt hatte. Mat hatte ihm zu erklären versucht, was er in diesem Moment so komisch fand, aber der Junge hatte gemeint, er verstünde es schon, fände es nur nicht richtig. Darauf angesprochen, ob er das von Thom hätte, gab Olver zurück, er wisse auch so, dass es keine gute Idee sei, Aes Sedai zu verärgern. Es hatte geklungen, als gäbe er Mat eine guten Ratschlag unter Freunden und es dann dabei bewenden lassen. Die Blicke von Jolines Behütern waren es, die Mats Heiterkeit wieder sinken ließen, denn sie waren mörderisch und beide hatten die Hände an ihren Schwertern. Sie wussten natürlich nicht mit Sicherheit, dass er es war, der Joline bei anderer Gelegenheit den Hintern versohlt hatte, aber Egeanin würde bei den beiden jetzt vorsichtig sein müssen. Die Männer, die wie alle Behüter stahlhart wirkten, verstanden bei Joline keinen Spaß, vor allem nicht, wenn sie öffentlich gedemütigt wurde. Er kehrte gedanklich in die Gegenwart zurück, als er einen Reiter erspähte, der rasch auf sie zu kam. Vanins massige Gestalt war zu unverkennbar um verwechselt zu werden, selbst wenn er keinen Con der Bande der Roten Hand gehabt hätte. Mat gab das Zeichen zum Anhalten, blieb aber vorerst noch im Sattel, obwohl es sicherlich schon fast spät genug war, um ein Lager aufzuschlagen. Es dauerte nicht lange und Vanin hielt seinen kräftigen Braunen gekonnt direkt vor ihm an, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden. Es gab wirklich wenige, die ihm das Wasser reichen konnten, wenn es ums Reiten ging. "Mat" begann sein bester Kundschafter ohne Umschweife "es ist jetzt nicht mehr weit. Kommt mit und seht es Euch selbst an." Er wendete bereits und bevor Mat den übrigen zu warten befohlen hatte, ritt er schon wieder los in die Richtung aus der er gekommen war. Offenbar hatte er den verdammten Turm tatsächlich gefunden. Mat befahl, ein Lager am Hang eines nahen Hügels zu errichten, der als Außenposten halbwegs geeignet schien, obwohl dort einige kleinere Bäume standen, die die Sicht behinderten, und dann trieb er Pips hinter Vanin her. Er bemühte sich, nicht ungeduldig zu erscheinen, so als wäre alles völlig normal. Es schien zu klappen, denn niemand folgte ihm zunächst, doch dann hörte er Hufschläge näher kommen. Er war überrascht, Olver zu sehen, der auf Wind leicht zu ihm aufschloss, und noch überraschter war er, statt des üblichen Grinsens eine eher ernst zu nennende Miene bei dem Jungen zu sehen. Als Olver neben ihm war, wandte er sich Mat zu und zeigte dabei ein Lächeln, das seine Augen nicht mit einschloss. Offenbar rechnete er damit, dass sie beobachtet wurden und machte gute Miene zum bösen Spiel, der Junge wurde anscheinend entschieden zu schnell erwachsen. "Thom hat mich geschickt." sagte der Junge ernst und warf dann einen Blick zurück. Sein künstliches Lächeln verblasste, als er wieder in Mats Augen schaute, offenbar waren sie unbeobachtet. " "Heute Nacht", das soll ich Dir ausrichten, Mat." "Danke, Olver." Der Junge nickte lediglich und sie trabten Seite an Seite hinter Vanin her. Als Mat nur wenige Meilen später den golden schimmernden Turm erblickte, der die Spitzen der umgebenden Bäume deutlich überragte, fragte er sich unbehaglich, warum diese verdammten Würfel nicht wieder in seinem Kopf ihr Unwesen trieben, schließlich würde er heute Nacht den Turm von Ghenjei betreten und er bezweifelte, dass es ungefährlich sein würde. Natürlich schienen die Würfel nicht immer mit einer Gefahr für ihn persönlich verbunden zu sein, wie der Angriff des Gholam in der Gasse in Ebou Dar gezeigt hatte, aber er war sich sicher gewesen, die verdammten Würfel vor dem Betreten des Turmes zu hören. Sollte es die Möglichkeit geben, dort weitere Fragen zu stellen, würde er sich nach ihnen erkundigen, beschloss er spontan. Er schärfte den zwei Rotwaffen und Vanin ein, kein Wort über den Turm zu verlieren, während sie ins Lager zurückkehrten. Vanin merkte an, dass es keinen Eingang zu diesen Turm gäbe, und musterte ihn dabei mit nachdenklichem Blick. „Ich wünschte, es wäre so.“ gab er murmelnd zurück und der Mann hob eine Braue, ging jedoch nicht weiter darauf ein. Mat dachte an den billigen Dolch aus Bronze, den Thom jetzt bei sich trug, und unterdrückte ein Schaudern. Zurück im Lager verkündete er, dass sie hier eine Weile lagern würden. Den unvermeidlichen Fragen, die folgten, schenkte er keine Beachtung, sondern zog sich in sein Zelt zurück, welches Lopin bereits für ihn errichtet hatte. Der einzige, der ihm zunächst folgte, war Olver – Thom und Noal würden erst heute Nacht kommen, wenn alles ruhig war. „Musst Du wirklich gehen, Mat?“ fragte der Junge besorgt, sobald sie allein waren. „Ich habe es versprochen, Olver.“ gab er ruhig zurück. „Außerdem ist Moiraine eine Freundin, die auch für mich ihr Leben riskiert hat, ich bin es ihr schuldig.“ Als er die sorgenvolle Miene des Jungen sah, traf er seine Entscheidung und zog die Halskette hervor. Er hatte längst beschlossen, dass er den Fuchskopf und den Ashandarei nicht mitnehmen würde, er hatte einen zu hohen Preis für sie gezahlt, um zu riskieren, sie wieder zu verlieren „Hier, bewahre dies für mich auf. Es ist die einzige Waffe, mit der man einen Gholam verletzen oder sogar töten kann, wenn man ihn damit berührt.“ Er legte die Halskette dem Jungen um, und hoffte, dass er das Richtige tat. „Beschütze die Aes Sedai vor ihm, ja?“ Zumindest würde ihn das vermutlich davon abhalten, ihnen in den Turm zu folgen. Olver war der einzige, der den anderen verraten konnte, wie es ging, hatte aber versprochen, es nicht zu tun. Sicherlich käme auch niemand auf die Idee, ausgerechnet einen Zehnjährigen danach zu fragen. „Ich verspreche es, Mat.“ kam es ernst zurück, während Olver den Fuchskopf vorsichtig unter sein Hemd steckte. „Und jetzt sei bitte so gut und hole Egeanin zu mir herein.“ Es war erstaunlich, aber die Seanchan war der einzige seiner Begleiter, bei dem er sich wirklich sicher war, den Speer auch tatsächlich zurückzubekommen. Der Junge nickte. „Bitte, sei vorsichtig, ja, Mat? Es ist nicht einfach, gegen die Schlangen und Füchse zu gewinnen.“ „Ich verspreche es, Olver.“ gab er mit gleichem Ernst zurück und legte ihm ermutigend die Hände auf die Schultern, bevor der Junge schweigend das Zelt verließ. Mat hoffte sehr, dass er sich an dieses Versprechen auch würde halten können. Die Zeit verging nur langsam und zu Lopins Missfallen fiel es ihm schwer, mehr als nur ein paar Bissen zum Abendbrot zu essen. Dann lag er schließlich voll angezogen unter seinen Decken und wartete in zunehmender Dunkelheit auf Thom und Noal. Ihm war kalt. |
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