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Wir schreiben den 18. Nesan Einleitung Der Autor RJ's Blog Buchübersicht Buchdetails Handlung Kurzgeschichte Weitere Produkte Enzyklopädie Personen Heraldik Alte Sprache Prophezeiungen Namensgenerator
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Überraschungen „Wir brauchen Verstärkung, aber es muss Verlass auf sie sein.“ erklärte Egwene ungefragt den Schwestern, die ihr jetzt ihre ungeteilte Aufmerksamkeit widmeten. Die Mienen waren bei allen recht ernst, aber keine von ihnen ergriff das Wort. „Beonin, wenn eine von den Aufgenommenen zu fliehen versucht, hältst Du sie fest.“ , befahl sie. Bevor sie jedoch ein weiteres Wort herausbekam, sah sie, wie sämtliche Aufgenommenen überrascht zur Tür blickten. Sofort erweiterte sie den Lauschschutz und fragte alarmiert „Was ist passiert?“ Sie hoffte, dass sich nicht jetzt schon neugierige Schwestern näherten, denn sie brauchte noch ein wenig Zeit, um die Aufgenommenen zu prüfen. „Jemand hat an die Tür geklopft, Mutter!“ gab Nicola von der Seite her überrascht zurück. An die Tür geklopft? Egwene war verblüfft. Niemand klopfte an die Tür vom Saal der Novizinnen! Alle kamen einfach herein. Sie erweiterte den Schild über die Tür hinaus und rief laut „Herein!“, während sie die Schilde und Fesseln um die Aes Sedai vorsichtshalber wieder löste und sich an einigen Schwestern vorbei in Richtung Tür drängelte, damit die besser sehen konnte. Den Mann, der jetzt zögernd den Raum betrat, hatte sie bestimmt noch nie gesehen. Er war groß, blond, schien um die vierzig zu sein und war wie ein Diener gekleidet. Hinter ihm folgten noch fünf andere Männer mit ähnlicher Aufmachung, bevor der letzte die Tür wieder hinter sich schloss. Obwohl sie alle ganz eindeutig nervös waren, bewegten sie sich mit einer Geschmeidigkeit, die an Behüter erinnerte. Bei einem kurzen, neugierigen Seitenblick bemerkte sie einige Schweißperlen auf Pevaras Stirn und fragte sich, ob sie vielleicht schon wusste, was jetzt kam. Der Mann, der zuerst eingetreten war, verbeugte sich leicht und die übrigen nickten knapp und blickten sich wachsam um, während sie einen Schritt hinter ihm blieben. Dann wandte er sich in einem Akzent, der - bei seiner Haarfarbe ein wenig überraschend - an Tear erinnerte, an alle anwesenden Aes Sedai und Aufgenommenen gleichermaßen, nur Pevara schenkte er auffällig wenig Beachtung. „Mein Name ist Niglot Benakra, ähm... verehrte Schwestern. Pevara Sedai meinte, wir könnten heute vielleicht nützlich sein.“ Es schien nicht möglich! Sie wob rasch einen Schild, der kaum stark genug war, um eine Novizin abzuschirmen und war kaum überrascht, als ihre Stränge von etwas Unsichtbarem abgewehrt wurden. Saidin! Hielten die anderen fünf auch gerade die Macht? Raucht der Bauer seine Pfeife am Abend?, war ihr nächster Gedanke, klar halten sie Saidin. Die meisten der Aes Sedai hatten es natürlich ebenfalls bemerkt, da sie jetzt wieder die Eine Macht hielten. Der Mann blinzelte nervös und sie riss sich zusammen, ergriff rasch das Wort, bevor die Situation aus den Fugen geraten konnte: „Ich bin sicher, dass wir eine geeignete Verwendung für Euch finden werden, Meister Benakra. Wenn Ihr bitte einen Moment dort drüben warten könntet...“ Sie deutete auf die Wand zu ihrer linken. Es grenzte an ein Wunder, aber keine der Schwestern versuchte ebenfalls, ihn abzuschirmen. Stattdessen rissen die meisten ihre Köpfe zu ihr herum, um sie anzustarren. Der Mann blinzelte erneut und schien sie inmitten all der Schwestern erst jetzt zu bemerken. „Ihr müsst... Verzeiht mir, aber seid ihr vielleicht Egwene al'Vere?“ fragte Niglot und leckte sich nervös die Lippen. „Ich bin der Amyrlin-Sitz Egwene al'Vere.“ bestätigte sie nickend und die Reaktion war für sie ebenso überraschend wie unerwartet: Er ließ sich auf ein Knie nieder, winkte auch den übrigen, sich hinzuknien – was diese auch sofort taten – und beugte respektvoll sein Haupt! Mühsam kämpfte Egwene dagegen, auch nur überrascht zu blinzeln, als er jetzt mit festerer Stimme zu sprechen begann. Seine Unsicherheit schien auf einmal restlos verschwunden zu sein! „Vergebt mir, Mutter, dass ich Euch nicht sogleich erkannt habe. Lord Logain sendet Euch respektvolle Grüße aus der Schwarzen Burg und seinen Dank. Ich habe nicht erwartet, Euch hier zu treffen, Mutter, denn ich hörte, dass Elaida der Amyrlin-Sitz in Tar Valon sei und ihr derjenige dieser Rebellen, die die Weiße Burg belagern. Stets zu Diensten, Mutter.“ Selten hatte sie so viel Unheil in so wenigen Worten gehört, auch wenn der Schluss einiges wieder aufwog. Was immer diese Asha'man in der Burg lernten, manchmal besser den Mund zu halten, gehörte offenbar nicht dazu. Mühsam hielt sie ihre Gelassenheit aufrecht, wobei es half, dass sie gerade Saidar hielt. Viele Schwestern und alle Aufgenommenen stöhnten vernehmlich und viele wichen etwas vor den Männern zurück, während Pevara fast die Augen aus dem Kopf zu fallen schienen, wie sie aus den Augenwinkeln bemerkte. Egwene hielt es gelinde gesagt für unwahrscheinlich, dass diese Männer der Roten mit der gleichen Ehrerbietung begegneten. Wie hatte sie es bloß geschafft, gleich sechs Asha'man in die Weiße Burg zu holen?, fragte sie sich verwundert, konzentrierte sich aber lieber darauf, geeignete Worte zu finden, als dieser Frage sofort auf den Grund zu gehen. „Das ist eine Angelegenheit der Weißen Burg, Meister Benakra.“ sagte sie ruhig und fuhr etwas strenger fort: „Lasst es los“ Bair hatte einmal erwähnt, dass Rand dieses Kommando bei den Asha'man benutzte „und wartet, wie ich es Euch gesagt habe.“ Nach einem ruhigen „Ja, Mutter“ erhob er sich und ging mit hoch erhobenem Haupt und federnden Schritten zu der Stelle, die sie ihm gezeigt hatte, dicht gefolgt von den anderen fünf. Sie wob einen weiteren Schild und diesmal schloss er sich auf der Stelle, also ließ sie ihn wieder fahren, verkleinerte den Lauschschutz erneut und bemerkte dann Lucile, die mitten unter den Aes Sedai stand und sie mit großen Augen anstarrte. Anscheinend hatte Nicola erkannt, dass sie die Lage im Griff hatte, und befehlsgemäß die erste Aufgenommene zu ihr geschickt. Die Novizin stand bereits neben der nächsten und wartete offenbar nur auf sie. Beeindruckt nickte Egwene ihr leicht zu, wofür sie ein stolzes Lächeln erntete, und wandte sich dann wieder an die junge Frau vor ihr. „Nun mach schon, Tochter, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“ Sie hob den Eidstab und lenkte erneut etwas Geist. Hastig leistete die Aufgenommene den Ersten Eid, bestätigte, dass sie im Licht wandele und nahm ihn dann sofort zurück. Beiläufig löste sie den Schild. Auf ihr Nicken hin zog Lucile sich zurück und die nächste kam auf sie zu. „Pevara, wirkt der Eidstab auch bei Männern? Pevara!“ Die Rote riss sich sichtlich zusammen, anscheinend hatten die Ereignisse der letzten Minuten sie etwas aus der Fassung gebracht. Eigentlich seltsam, immerhin war sie es doch, die die sechs Männer hierherbestellt hatte. „Ich... weiß es nicht, Kind.“ Egwene prüfte die nächste Aufgenommene und wandte sich dann an Saerin. „So höflich wie Meister Benakra und seine Freunde betreten nur wenige diesen Ort, zumindest die übrigen Sitzenden sollten in ihren Quartieren auf weitere Anweisungen warten, damit wir nicht noch mehr auffallen, als unvermeidlich ist.“ Sie prüfte eine weitere Aufgenommene und beschloss währenddessen, dass es Zeit war, ihr Vorgehen heute Abend angemessen zu begründen. Keine der Schwestern machte die geringsten Anstalten, ihrem Vorschlag zu folgen, aber sie bemerkte, dass zumindest Yukiri einen nachdenklichen Blick Richtung Tür warf. Zwar war der Ausbruch Saidars, der hier stattgefunden hatte, weder besonders lange, noch übermäßig stark gewesen, aber mit der einen oder anderen neugierigen Schwester mussten sie schon rechnen – besonders bei der derzeitigen Anspannung überall in der Weißen Burg. Saerin setzte zum Sprechen an, sobald die Aufgenommene sich abwandte, aber Egwene hob einfach die Hand und ergriff selbst das Wort. „Es war leider notwendig, mich davon zu überzeugen, dass ihr alle im Licht wandelt, bevor ich Euch in die Angriffsplanungen einbeziehen konnte. Außerdem konnte ich mir so ein Bild von Euren Verteidigungsfähigkeiten machen und mir unter realistischen Bedingungen ansehen, einen wie großen Einfluss das Überraschungsmoment bei...“ In diesem Moment betrat Laras von der Küche her den Saal und halb aus Überraschung und halb wegen Nicolas nicht einmal vor Tagesfrist übermittelter Nachricht, wob sie einen Schild. Sie war entsetzt, als er abgewehrt wurde, und griff nach jedem Funken Saidar, den sie erwischen konnte, während sie einen weiteren Schild wob, so schnell es ging. Eine der Verlorenen musste sich als Laras ausgegeben haben, wer konnte wissen, wie lange schon! Und sie musste ein Angreal besitzen, denn sie hielt dem Angriff stand, verdammt! Sie rief „Verknüpft Euch sofort und schirmt sie ab!“ und rannte auf die Frau zu, um sie notfalls mit den Fäusten aus dem Konzept zu bringen. Sie wusste, dass es ein Risiko war, aber sie suchte hektisch mit dem Zeigefinger nach der richtigen Stelle auf ihrer Brust und drückte zu. Sofort verschwand die Verkleidung der Verlorenen, ihr Schild schloss sich widerstandslos und eine mittelmäßig wirkende Frau, die in mittleren Jahren zu sein schien, starrte sie erschrocken an. Sie versuchte, zu fliehen, aber Egwene hielt sie einfach mit Strängen aus Luft fest. Dann erst sah sie sich nach den anderen um. Jeder einzelne, der sich im Saal befand, starrte die Verlorene entsetzt an, nur Pevara musterte stattdessen sie. „Kind, ich denke, Du solltest jetzt sofort dieses Ding wieder abschalten. Was immer es auch ist.“ sagte sie trocken. Erst jetzt bemerkte sie, dass außer ihr selbst niemand mehr Saidar hielt. Sie drückte rasch erneut den roten Vakara – solange sie ihren Schild hielt, konnte die Verlorene unmöglich entkommen – und erkannte, dass ihre Rüstung wieder sichtbar geworden war. Es war nicht mehr zu ändern, von allen Seiten wurde jetzt sie mit großen Augen angestarrt. Jede einzelne anwesende Frau hielt praktisch sofort mit voller Kraft Saidar umarmt. Tatsächlich wurde in der gesamten Burg plötzlich überall Saidar gelenkt, wie sie spürte. Kein Wunder, immerhin hatte hier gerade ein wahres Leuchtfeuer aus Saidar getobt, bevor anscheinend sämtliche Schwestern in der Burg von der Einen Macht getrennt worden waren. Die Männer nach ihren Blicken zu urteilen auch. Bei den Aufgenommenen sah sie zahlreiche offene Münder, aber Nicola hatte sich abermals erfreulich schnell wieder gefasst und blickte sie erwartungsvoll an, wie sie am Rande bemerkte. Die aufgeweckte Novizin hatte völlig recht, jetzt kam es auf schnelles Handeln an. „Was hier heute geschehen ist, ist der Flamme versiegelt.“ rief sie laut. „Wir müssen sofort von hier verschwinden. In wenigen Minuten wird es hier von Schwestern wimmeln.“ Sie zögerte nicht, sondern rief das gelbe Bild der Burg auf. Sofort konzentrierte sie sich auf einen Zugang und die Sitzende der Roten und entdeckte beide keinen Herzschlag später. Die vier grünen Punkte, die auch Pevara mit darstellen mussten, waren nicht weit vom Zugang entfernt. „Pevara, finde den Zugang und schaffe die Verlorene nach oben auf die Plattform. Nimm ihr als erstes den Angreal ab und lasse ihren Schild auf keinen Fall los, ich komme nach, so schnell ich kann.“ Die Rote zögerte nicht, sondern lief auf die Verlorene zu und riss ihr den Angreal aus der Hand, bevor sie sie mit Hilfe Saidars in Richtung Küche zerrte. „Saerin, Beonin, ihr begleitet sie. Fasst unterwegs nichts an. Nehmt auch Meister Benakra mit, er kann sie zusätzlich mit Saidin abschirmen.“ Auch diese drei liefen sofort los und sie blickte zu den übrigen Männern. „Ihr fünf verschwindet auf der Stelle durch ein Tor, ich schicke Niglot, wenn wir Euch brauchen.“ Sofort erschien wie aus dem Nichts ein Tor, das in ein leeres Zimmer führte, und die Männer sprangen rasch hindurch, bevor es wieder verschwand. „Alle Aufgenommenen verschwinden sofort durch die Küche, bleiben aber möglichst zusammen. Und verhaltet Euch möglichst ruhig und natürlich.“ Selbstverständlich zögerten auch sie nicht, sondern verschwanden eilig durch die Tür hinter ihr. „Alle übrigen mischen sich unter die Leute und verbreiten, dass offenbar die Rebellen einen Weg in die Burg gefunden haben und dass ein Angriff erfolgt ist, der ein bisher unbekanntes Gewebe benutzte. Er sei allerdings nicht erfolgreich gewesen, weil ihr zufällig in der Nähe und schnell genug wart. Ihr habt keine der hier eingedrungenen Rebellinnen deutlich gesehen und alles ging unglaublich schnell. Die an der Verteidigung beteiligten Novizinnen und Aufgenommenen wurden von Euch sofort auf die Zimmer geschickt, aber an ihre Namen erinnert Ihr Euch nicht mehr, es ging einfach zu schnell. Nicola, Du gehst mit ihnen und lügst, dass sich die Balken biegen, das ist ein Befehl, verstanden?“ „Ja, Mutter.“ Nicola schien nicht halb so erfreut zu sein, wie sie es angesichts dieses Befehls erwartet hätte. Egwene konzentrierte sie auf Pevara, während sie sprach und wenig später wurde diese wieder in gelb angezeigt. Sie näherte sich dem Zugang sehr rasch. Die restlichen anwesenden Schwestern wandten sich hastig zum Gehen. Zwar war nur eine Rote Schwester anwesend, aber die Mischung aus allen übrigen Ajahs war trotzdem vermutlich zu auffällig, ging ihr auf. „Halt.“ rief sie energisch und sämtliche Aes Sedai blieben tatsächlich stehen, um zu ihr zurückzublicken. „Die Mischung Eurer Ajahs ist zu verdächtig, alle Grauen und Grünen Schwestern kommen mit mir.“ Das sollte reichen und einige Anweisungen an Meidani musste sie noch näher ausführen, als es in den kaum zwei Minuten ihres nachmittäglichen Treffens möglich gewesen war. Sie warf einen letzten Blick auf das Bild der Burg, löschte es und war zuversichtlich, dass sie den Zugang fände. Rasch ging sie die paar Schritte, die sie noch von der Tür zur Küche trennten, und beneidete die Schwestern nicht, die sich den anderen stellen mussten, von denen jede eine Schwarze Ajah sein konnte. Egwene war zufrieden, hinter sich eilige Schritte zu vernehmen, als sie die Tür zur Küche öffnete, und ließ nur Augenblicke vorher die Rüstung verschwinden. Sie hörte aufgeregte Stimmen vom anderen Ende des Saals und die fünf Schwestern, die ihr folgten, sprangen förmlich durch die Tür, bevor sie zuknallte. Da sie nach wie vor den umgekehrten Schutz gegen Lauscher hielt und mit sich führte, machte das laute Türknallen allerdings nichts. Die wenigen Bediensteten, die sich hier aufhielten, machten Knickse und wirkten überrascht, womit zu rechnen gewesen war. Es war Zeit für eine kleine Ablenkung. „Aber Aes Sedai, wie konnte denn dieser Eindringling unbemerkt in die Weiße Burg gelangen?“ fragte sie rasch in einem absichtlich sehr neugierigen Tonfall, während sie mit großen Augen Meidani anblickte. Sie musste eine halbwegs plausible Erklärung für all die Aufregung anbieten. Schnell kehrte sie den Schild wieder um, damit die übrigen ihn bemerken konnten, und passte ihn an, so dass er nur noch sie und die Schwestern umgab, statt der gesamten Küche. „Beruhigt Euch, ihr alle! Folgt mir rasch und gebt Euch gelassen, sonst fallen wir mit Sicherheit noch mehr auf. Es ist nicht weit.“ Sie behielt ihre aufgeregte Miene bei, als sie sprach, aber ihr Tonfall klang vollkommen ruhig, stellte sie zufrieden fest. „WAS ist nicht weit?“ wollte Yukiri, die einzige anwesende Sitzende, in frustriert wirkendem Ton und mit finsterer Miene von ihr wissen, als sie sich wieder in Bewegung setzte und ihr folgte. Egwene tat, als wäre sie zurechtgewiesen worden, und ging mit gesenktem Kopf weiter voraus, mit etwas Glück hatte keiner hier ihr Gesicht erkannt. Es waren ja genügend aufgeregte Aes Sedai dabei, die man anstarren konnte. „Sicherheit, Töchter. Das Herz der Weißen Burg.“ gab sie fest zurück. Die Aes Sedai schnappten kollektiv nach Luft. Zweifellos waren ihre Gesichter sehenswert, aber sie wandte sich nicht um, sondern feilte an ihrem Plan angesichts der völlig veränderten Lage. Eilig folgten die Schwestern ihr schweigend aus der Küche heraus und in den Korridor zu ihrer linken. Sie war verblüfft über den Mangel an Widerspruch, offenbar kamen sie nicht einmal auf die Idee, sie einfach zur Herrin der Novizinnen zu schicken und die Kontrolle über die Situation an sich zu reißen. Entweder das, oder sie... Plötzlich lenkte sie ein heftiges Kribbeln an ihrem rechten Handgelenk ab. Egwene sah darauf den gelben Vakara leuchten, obwohl die Rüstung nicht erschien. Ein schneller Rundumblick verriet ihr, dass gerade niemand sonst in der Nähe war. Sofort drückte sie im Weitergehen auf den gelben Vakara und ein Bild vom unteren Ende des Schachtes erschien direkt vor ihr, mit einer wie erstarrt wirkenden Pevara, die rot flackerte. Natürlich, sie hatte keinen Zugang. Verdammt, sie hatte ihr doch befohlen nach oben zu fliehen! „Diese Närrin!“ murmelte sie grimmig. Hoffentlich gelang der Verlorenen nicht die Flucht. Nach oben! Sie konzentrierte sich intensiv auf die Plattform und tatsächlich bewegte sich Pevara jetzt aufwärts durch den Schacht. Das Flackern hörte auf, als Egwene versuchte, den Zugang wieder für sie zu aktivieren, aber Pevara war nach wie vor rot. Daran änderte sich auch nichts, als sie es erneut versuchte. Verdammt, offenbar ließ sich jemand nicht so ohne weiteres von rot auf gelb oder grün umstellen, damit hatte sie nicht gerechnet. Sie drückte auf den grünen Vakara am linken Handgelenk, wofür sie kurz die Rüstung wieder sichtbar machte. Die Farbe der leuchtenden Linien wechselte gleichfalls zu grün und neben der unverändert roten Pevara stand jetzt eine grüne Beonin und stützte sie. Beonin konnte folglich alle sicher zur Plattform befördern. Sie hoffte, dass Pevara daran denken würde, die anderen zu fragen, ob sie schon mal dort oben gewesen waren. Sie hoffte auch, dass es möglich war, zwei dieser Leuchtscheiben gleichzeitig zu benutzen. Kurz konzentrierte sie sich auf den Zugang, der hinter der nächsten Ecke sein sollte, und ließ das Bild dann verschwinden. Tatsächlich befand sich an der Wand des nächsten Korridors ein unauffälliger gelber Fleck, den sie sofort drückte, denn der Korridor war noch immer frei, wie ein weiterer rascher Rundumblick zeigte. Egwene trat ohne zu zögern auf die leuchtende Fläche und winkte den anderen, die ihr mit aufgerissenen Augen schnell aber vorsichtig folgten. Es war zwar nicht mehr viel Platz, passte aber gerade so. Sie drückte den gelben Vakara an der Innenseite, die Wand glitt zu und die Leuchtscheibe zur Seite in den Schacht hinein. Egwene ignorierte die teils fordernden und teils vorsichtigen Fragen der anderen und holte die Rüstung und das grüne Bild zurück. Die leuchtenden Bilder schienen die Aes Sedai so sehr zu beeindrucken, dass sie sogleich wieder schwiegen, stellte Egwene leicht belustigt fest. Offenbar befanden sich zumindest Pevara und Beonin inzwischen auf der obersten Spitze und Pevara presste wiederholt ihre Finger gegen den Pfeiler. Teile des Bildes waren wegen der gedrängt stehenden Schwestern nur undeutlich zu erkennen, aber man sah genug. „Sie hätte wenigstens den Zugang freimachen können.“ murmelte sie. Sie drückte beiläufig auf die oberen gelben Vakara an der Wand neben ihr und hoffte, dass sie sich irrte. Sie irrte sich nicht. Nach dem obersten Zwischenstopp ging es nicht mehr weiter, der obere Vakara war nicht mehr farbig sondern schwarz. Pevara versuchte noch immer, die Vakara zu aktivieren! Sie suchte nach dem schnellsten Weg zur Treppe, der gleichzeitig möglichst weit von Elaidas Räumen entfernt lag. „Phirashi, drücke auf die beiden Vakara neben Dir“ forderte sie und die Rebellin aus der Grünen Ajah tat zögernd wie geheißen. Dann erstarrte die Aes Sedai zu völliger Regungslosigkeit und ihr Handgelenk schlug erneut Alarm. Rasch wechselte das Bild Phirashis zu gelb und gewährte den Zugang. Jetzt, wo sie darüber nachdachte, glaubte Egwene, in einem der drei übrigen grünen Abbilder, die sich mit Pevara im Saal der Novizinnen aufgehalten hatten, die Grüne erkannt zu haben. Vielleicht hatte sie deshalb diesmal das Bild ändern können. Die Wand des Schachts glitt zur Seite und sie setzten sich wieder in Bewegung. „Was ist da gerade mit mir passiert?“ fragte die junge Grüne, die jetzt sehr blass wirkte, schwach in einem Akzent, der nach Shienar klang. „Hat es weh getan?“ fragte Egwene zurück. Wie dumm, dass sie die Wirkung der Vakara trotz Pevaras Aktion einfach vergessen hatte, schalt sie sich in Gedanken. „Nein. Ich konnte mich einfach nur nicht mehr rühren und auch nicht Saidar ergreifen.“ kam die zögerliche Antwort. Egwene unterdrückte ein erleichtertes Seufzen. „Du warst nicht als berechtigt registriert, deshalb konntest Du den Vakara nicht verwenden.“ erklärte sie geduldig. „Ich werde den Zugang zu gelben Vakara wieder für Dich sperren, also berühre sie lieber nicht. Das gilt für Euch alle. Grüne Vakara tun Euch nichts, ihr könnt sie unbesorgt verwenden.“ Jeder konnte sehen, wie das genaue Abbild Phirashis erst zu flackern begann und dann zu grün wechselte, bevor sie das Abbild der Burg wieder ausschaltete. „Rote Vakara sind tödlich, also kommt besser nicht auf die Idee, einen von denen zu berühren.“ Ihr fiel auf, dass das so nicht stimmen konnte, Pevara lebte ja noch. Vielleicht galt das mit dem Sterben ja nur für bestimmte Benutzer. Mit gelb hatte Pevara den nächstniedrigeren Rang, der unterhalb ihres eigenen roten möglich war, vielleicht lag es daran, überlegte sie weiter, während sie diesmal selbst auf den grünen Vakara drückte, der den Ausgang öffnete. Als erste trat sie aus dem Schacht, aber die anderen hatten es sehr eilig, ihr zu folgen. Sobald die letzte herausgetreten war, verschwand der Schacht in der Zeit eines Blinzelns hinter der Tür, die praktisch mit der Wand des Korridors verschmolz und völlig unscheinbar wirkte, wenn man von dem kleinen gelben Punkt absah, der in der Mitte lag. „Ihr wartet genau hier, während ich die anderen hole.“ befahl sie, ließ die Aes Sedai einfach in dem staubigen Korridor stehen und lief los in Richtung der Treppen. Sie sollte eigentlich jeden Moment Elaida aufwarten, rannte aber stattdessen zur Spitze der Weißen Burg, um sich um eine der Verlorenen zu kümmern!, schoss es ihr ungläubig durch den Kopf. Die Situation war wirklich reichlich verzwickt, aber was konnte sie sonst schon tun? Sie lief so schnell sie konnte und keuchte, als sie nach nur etwa fünf Minuten ununterbrochenen Treppensteigens die Luke erreichte. Ihre Beine brannten leicht, aber sie ignorierte das, als sie hinaustrat. Es war schon beinahe dunkel und recht windig. Die fünf Menschen, die oben auf der durchsichtigen Kuppel kauerten, hatten großes Glück, dass es nicht regnete, denn es sah danach aus, als würde sich das bald ändern, wenn sie die dunklen Wolken richtig deutete. Kalt, wie es war, mochte es sogar schneien. Es kostete sie große Anstrengung, ihre Wut auf Pevara im Zaum zu halten, die jetzt begann, nach ihr zu rufen. Sie war auch wütend auf die Verlorene, die ihre Zeitplanung so drastisch durcheinandergebracht hatte, aber sie war zugleich auch sehr erleichtert, sie zu sehen. Nicht auszudenken, wenn sie von den Schächten erfahren hätte und dann entkam! Mit raschen, aber der Amyrlin angemessenen Schritten hielt sie auf den kleinen Pfeiler zu, der fast mittig unter der Kuppel stand. Sie brauchte nicht lange, bis sie oben stand, und ohne zu zögern ging sie auf die Verlorene zu, ohne auf die aufgeregten Worte der beiden Sitzenden zu achten. Beide verstummten wieder. „Name?“ fragte sie barsch und wob einen Schild, der weit stärker war als der, welcher die Frau bisher abgeschirmt hatte, und diesen einfach beiseite schob. Sie sah, dass Saerin und nicht Pevara den kleineren Schild gehalten und auch den Angreal in der Hand hatte, darum also war sie nicht entkommen. Saerin hatte nach der Tradition die höhere Position inne und vermutlich war der Versuch, zum Herzen zu gelangen, ebenfalls darauf zurückzuführen. Der Angreal war etwa so groß wie eine Faust und schwarz, aber mehr konnte sie im Moment nicht ausmachen. Die Verlorene blieb stumm und wirkte unbeeindruckt, aber ihr Blick schien sie durchbohren zu wollen.. Egwene wandte sich unwirsch an die Sitzende der Roten. „Wenn Du schon meine Anweisungen missachtest, Tochter, dann gebrauche wenigstens Deinen Verstand. Wenn es Dir gelungen wäre, zum Herzen vorzudringen, wärt ihr alle jetzt schon tot. Du wurdest mehr als deutlich vor dem Schutzmechanismus gewarnt, der das Herz schützt. Wie dem auch sei, wenn Du wenigstens den Zugang freigemacht hättest, wäre ich schon viel eher hier gewesen und hätte nicht noch mehr kostbare Zeit verloren. Beonin, da Du bereits hier oben warst, bist Du als berechtigt für grüne Vakara registriert, also nimm die anderen mit nach unten, während ihr hier auf mich wartet. Wir haben schon genug Zeit verloren, also macht jetzt endlich den Zugang frei!“ Sie merkte, dass sie etwas laut geworden war und nahm sich vor, ihren Tonfall zukünftig wieder zu mäßigen, während Beonin sich vorsichtig beeilte, zu dem anderen Pfeiler zu gehen und Niglot und eine rotwangige Pevara ihr rasch folgten. Saerin dagegen machte keine Anstalten, ihren Platz neben der Verlorenen zu räumen. Sie ignorierte sie einfach und drückte auf den unteren gelben Vakara, wobei sie sich vage fragte, wozu der obere, rote jetzt wohl gut wäre, denn er war ja nicht schwarz und damit unbrauchbar. „Lanfear ist tot“ sagte sie gelassen zu niemand Bestimmtem, sobald sie durch den Schacht in die Tiefe glitten „Moghedien kenne ich, für Semirhage bist Du nicht groß und für Graendal nicht hübsch genug, also musst Du Mesaana sein.“ Die Verlorene blinzelte nur, aber sie wusste, sie hatte ins Schwarze getroffen. „Die Lehrerin geht einer Novizin in die Falle, wenn das nicht Ironie des Schicksals ist.“ Ihr Tonfall war bei diesen Worten betont herablassend und mit einem Funken Belustigung gewürzt und das zeigte die gewünschte Wirkung. Moghedien mochte ihr entkommen sein, aber ihr Wissen erwies sich als erfreulich nützlich. „Ich bin keine Lehrerin, Du...!“ Ihre Augen weiteten sich, als die Verlorene die Falle erkannte, und sie verstummte, aber es war zu spät, an ihrer Identität bestand kein Zweifel mehr. Egwene wandte sich gelassen an Saerin, die sie jetzt mit erhobener Braue musterte „Wenn Du im Herzen der Burg die Macht lenkst, bist Du so gut wie tot, Tochter. Ich dachte, ich sollte das vielleicht erwähnen, bevor es gefährlich wird.“ Bei jedem Halt genügte ein bloßer Gedanke Egwenes, sie weiter nach unten reisen zu lassen. Die Sitzende der Braunen zweifelte offensichtlich an dem, was sie hörte und zog ihre Stola zurecht. Sie warf Mesaana einen undeutbaren Seitenblick zu und ließ dann Saidar fahren. „Sehr vernünftig, Tochter. Ich muss Euch beide bestimmt nicht extra darauf hinweisen, dass es keine gute Idee ist, irgendwelche gelben oder roten Punkte zu berühren. Pevara hatte Glück, ich hatte ihr den Zugang zu gelben Bereichen gestattet, sonst wäre sie vorhin im Schacht sicherlich gestorben. Das Herz der Burg ist durchaus ein heimeliger Ort, wenn Ihr dort zu Hause seid“ sie schlug einen plaudernden Ton an „aber wenn nicht kann es etwas ungemütlich werden. Mesaana, es wird Dich freuen zu hören, dass Du wahrscheinlich nicht verdursten wirst, bis ich neben allem anderen die Zeit finde, nach Dir zu sehen. Es gibt etwas Tee für Dich da unten. Er ist angenehm minzig im Geschmack, allerdings macht er ein wenig schläfrig, aber Schlaf soll ja gesund sein.“ Mühsam unterdrückte Wut zeigte sich auf dem so durchschnittlich wirkenden Gesicht, aber war da nicht auch ein Hauch von Angst? Schließlich drückte sie den roten Vakara, der sie nach ganz unten bringen würde, weil er nicht auf ihren bloßen Gedanken hin reagierte, und ließ den Schild um Mesaana einfach fallen, sobald sie am Ziel waren. Ganz kurz flackerte ein Leuchten um die Verlorene herum auf, aber sie waren bereits nahe beim Kristall und da sie die Wirkung solcher Gewebe offenbar erkannte, ließ sie Saidar schnell wieder los. Egwene hob sie mit Strängen aus Luft von der Leuchtscheibe, bevor diese auch nur verblasst war, und in eine Ecke des Saals. Dort fesselte sie sie und trat dann mit einem an Saerin gerichteten „Warte hier, Tochter.“ schnell auf die Karte zu, während sie eine kleine Flamme wob, sie an der Wand befestigte und dann abband, damit es etwas Licht gab. Kurz darauf öffnete sie die Wände und hörte zufrieden, wie sowohl Mesaana als auch Saerin ungläubig nach Luft schnappten. Mit Hilfe Saidars nahm sie den Band heraus, den Pevara sich zuvor als ersten geschnappt hatte, und verstaute ihn mit Strängen aus Luft im Beutel mit dem Seil, während sie gleichzeitig die Flasche herausholte und neben Mesaana stellte. Als sie gerade wieder mit einem weiteren Druck auf den Vakara die Wand schließen wollte, kam ihr ein Gedanke, und sie führte ihn sofort aus. Die Wände zischten wie von selbst zurück an ihre Position. Lächelnd betrat sie mit dem Beutel in der Hand wieder die Plattform und drückte den roten Vakara, der sie nach oben bringen würde. „Wir sehen uns später, wenn Du dann noch lebst.“ war alles, was sie zu Mesaana sagte, bevor sie mit Saerin wieder in die Höhe glitt und erst im letzten Moment die Fesseln löste. |
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