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18. Nesan

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Amyrlin gegen Amyrlin

Am nächsten Tag war es spät, als sie erwachte, das merkte sie daran, dass sie sich merkwürdig erholt fühlte. Es musste bereits fast Mittag sein! Dann spürte sie eine vertraut wirkende Präsenz neben und in sich.

„Endlich seid ihr wach, Stärkste Mutter. Man wartet bereits auf Euch, der Saal der Burg will Euch wegen der Rebellen sehen. Kommt, Stärkste Mutter, steht auf!“ Das war ihr erster Behüter, erinnerte sie sich. Wie hieß er gleich? Er fühlte sich vertraut an in ihrem Kopf, und da waren noch...

Der Saal?! Sie sprang auf und zog sich schnell an, ohne ihn weiter zu beachten. Warum waren keine Roten in der Nähe? Ihr Behüter antwortete auf ihre diesbezügliche Frage, die würden draußen warten. „Seit wann tagt der Saal?“

„Seit heute Morgen und jetzt ist es kurz nach Mittag, Stärkste Mutter. Man wartet sicher bereits auf Euch.“

„Und keiner hat mich geweckt?“

„Wir haben sie nicht gelassen, Stärkste Mutter. Ihr brauchtet die Ruhe.“ Er ließ es völlig selbstverständlich klingen.

„Kannst Du vielleicht aufhören, mich „Stärkste Mutter“ zu nennen, ich heiße Egwene.“

„Leider nicht, Stärkste Mutter.“ Heiterkeit lag für einen Moment in der Verbindung.

„Und warum nicht, wenn ich fragen darf?“

„Weil Ihr die Stärkste Mutter seid natürlich, Stärkste Mutter.“

Natürlich, was auch sonst. Sie war fast fertig angezogen und ging zur Tür. Sie nahm noch schnell eines der bereitgestellten Brötchen in die Hand und leerte ein Glas Saft, sie würde alle Kraft brauchen. Die Tür öffnete sich wie von selbst, als ein weiterer ihrer Behüter sie bei ihrer Annäherung öffnete. Sie würde eine Weile brauchen, um sich an die fünf zu gewöhnen. Sie hatten verhindert, dass Aes Sedai in ihr Zimmer kamen? Wie beim Licht hatten sie das angestellt?

Die Antwort folgte auf dem Fuße: Dutzende, nein Hunderte Behüter füllten den Gang vor ihrem Zimmer. Sobald sie heraustrat riefen alle „Die Stärkste Mutter!“ und knieten nieder. Sie war mehr als nur überrascht, zeigte es aber nicht.

„Sie freut sich, Euch zu sehen!“ rief ihr erster Behüter grinsend. „Jetzt lasst sie durch.“ Sofort wurde eine Gasse gebildet, durch die er stolz an all den Behütern vorbei schritt, gefolgt von ihr und den übrigen Vieren.

„Was hat das zu bedeuten?“ wollte sie leise aber energisch vom ersten Behüter wissen.

„Ich fand, ein wenig Unterstützung zu zeigen, war das Wenigste, was wir tun konnten, Stärkste Mutter. Euer Wort steht jetzt über dem ihrer Aes Sedai, ich dachte, das solltet ihr wissen.“ Das letztere klang deutlich ernster als der Rest, auch wenn sich die Konzentration, die sie von ihm spürte nicht veränderte.

„Über dem ihrer Aes Sedai? Wie sollte das möglich sein?“ Die anderen vier Behüter fühlten sich überrascht an, aber von diesem spürte sie weiterhin nur Konzentration.

„Interessant, dass Ihr nie von der Prophezeiung der Behüter gehört habt, Stärkste Mutter.“ gab er gelassen zurück. „Die Behüter können natürlich nicht gegen die Befehle ihrer Aes Sedai handeln, doch für Euch werden sie zögern oder zumindest versuchen, Eure Befehle bevorzugt zu behandeln. Jeder Behüter erfährt von der Stärksten Mutter, hier in der Burg. Es ist eine sehr alte Prophezeiung, etwa aus der Zeit der Trolloc-Kriege, glaube ich. al’Lan Mandragoran wüsste es sicher genauer. Stimmt es, dass seine Aes Sedai tot ist, er ist ein guter Mann?“

„Er hat eine Neue.“ gab sie kurz angebunden zurück. Er musste nicht alles wissen, daher ließ sie es dabei bewenden, obwohl sie seine Neugier spürte. „Ich dachte, zwei Rote warten vor meinem Zimmer?“

„Anscheinend wurde ihnen die Zeit zu lang, Stärkste Mutter.“ Ganz kurz nur fühlte sie Heiterkeit.

„Das kann ich mir vorstellen“ murmelte sie. Die Anwesenheit so vieler Behüter musste der durchschnittlichen Roten einige Unannehmlichkeiten bereiten. Sie leistete sich ein kurzes Lächeln.

Sie sprachen nicht mehr, bis sie vor dem Saal der Burg standen, sie musste sich sammeln, auf der Sitzung musste sie hellwach sein. Ihre Behüter respektierten das offenbar und stellten keine Fragen.

Vor dem Saal erwarteten sie bereits zwei Rote Schwestern. Bevor diese jedoch ein Wort sagen konnte, wandte sie sich an ihre Behüter „Ihr wartet hier.“ Sie nickten, wirkten außer dem Ersten Behüter aber fast enttäuscht, bei dem sie abermals nur Konzentration spürte. „Gehen wir, Töchter.“ Sie schritt einfach an den überraschten Schwestern vorbei, öffnete die Tür und betrat den Saal. Nicht alle Plätze waren besetzt, einige weitere Schwarze Ajah außer Talene hatten ihren Weg in den Saal gefunden und waren jetzt mit den anderen im Keller gefangen. Elaida führte selbstverständlich, Tarna hinter sich, den Vorsitz.

Sie ignorierte beide und wandte sich an Saerin, die soweit sie wusste die ranghöchste unter den Anwesenden war. Selbstverständlich lenkte sie selbst bereits die Macht, allerdings getarnt, so dass sie besser nichts webte, um nicht bemerkt zu werden. Ihre Halskette lag griffbereit in ihrer Tasche, so dass sie es sicherlich notfalls mit allen hier gemeinsam aufnehmen könnte. Das wäre dann allerdings vorerst das Ende ihrer Bemühungen, also ließ sie es besser nicht soweit kommen. „Als Kriegsgefangene steht mir laut Burggesetz eine Kriegsverhandlung zu, Saerin Sedai. Entweder, ich mache eine vollständige Aussage im Rahmen einer Kriegsverhandlung nach dem Burggesetz oder ich mache von meinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.“ Sie blieb gelassen in der Mitte des Saales stehen.

Elaida erhob ungläubig Einwände, es ginge in dieser Sitzung um die Rebellen, nicht um Egwene al'Vere, doch Saerin sagte: „Nach dem Burggesetz hat jede Kriegsgefangene dieses Recht, auch eine Novizin. Ich denke, wir sollten zumindest darüber beraten.“ Sie wandte sich an Egwene „Du bist bereit, eine vollständige Aussage zu machen?“ Saerins Neugier war förmlich zu spüren.

„Ja.“

„Bitte warte draußen, Kind, dies ist eine geschlossene Sitzung.“ Sie ließ sich das nicht zweimal sagen, sondern verließ den Saal. Hinter ihr ertönte ein wahres Gewitter aus Worten. Hoffentlich durchschaute Yuriki als einzige anwesende Graue nicht, was sie vorhatte! Siuan hatte über vergleichbare Situationen lange mit ihr beraten. Gut, das sie sich intensiv mit dem Kriegsrecht beschäftigt hatte, weil Tarmon Gaidon seit zwanzig Jahren vor der Tür stand.

Ihre Behüter waren – abgesehen vom ersten, den nichts zu erschüttern schien – überrascht, sie so schnell den Saal verlassen zu sehen. „Ihr werdet mir gleich in den Saal folgen. Sagt nichts, überlasst mir das Reden.“, befahl sie ihnen streng, wobei sie die entrüsteten Kommentare der zwei Aes Sedai einfach ignorierte, an denen sie erneut einfach vorbeischritt. „Ich soll hier warten, bis der Saal eine Entscheidung gefällt hat.“ war der einzige Kommentar, den sie auf deren strenge Fragen zurückgab.

Sie stellte sich auf eine lange Wartezeit ein und wurde nicht enttäuscht, es dauerte eine gute halbe Stunde, bevor sie wieder in den Saal gerufen wurde. Sie nutzte die Zeit so gut sie konnte, um sich eine Strategie zu überlegen. Es war ausgezeichnet, dass gerade Saerin die ranghöchste Sitzende war, sie würde ihr einiges durchgehen lassen, wie sie bei ihrem unangekündigten Eindringen bereits gezeigt hatte. Und sie war auch stark in der Macht, ein weiterer Pluspunkt. Mat hatte einmal betont, wie wichtig es war, Pausen in Krisensituationen effektiv zu nutzen, und es schien ihr angemessen, in dieser Situation auf ihn zu hören. Ihre Behüter wirkten jetzt alle einfach nur konzentriert, sehr gut. Nutze Deine Zeit. Und ob sie das würde! Es stand außer Frage, ihren Anspruch mit dem Herzen der Burg und ihrer Rüstung zu begründen, sie musste die Sitzenden von ihrer persönlichen Eignung ebenso überzeugen, wie von Elaidas Unfähigkeit. Hier lag der Schlüssel zum Erfolg.

Elaida wirkte wütend, die meisten anderen eher gelassen, als sie zum zweiten Mal hereintrat. Das war ein gutes Zeichen. „Ich stelle die Frage der Amyrlin!“ sie rief es laut und deutlich, bevor jemand anders auch nur den Mund öffnen konnte.

„Männer sind hier nicht zugelassen. Was soll das werden, Mädchen?“ wollte Saerin wissen, sie klang gelassen, wie sonst auch.

„Ist dies eine Sitzung nach dem Kriegsrecht?“ fragte sie zurück und Saerin bejahte. „Dann hat laut dem Burggesetz die Amyrlin das Recht, ihre Behüter an diesen Ort mitzunehmen. Fragt eine Graue, wenn ihr mir nicht glaubt.“

„Aber Du bist nicht die Amyrlin, Mädchen.“ Das war genau die Frage. Jetzt kam es darauf an.

„Stellt vor einem beschlussfähigen Saal der Burg auf einer Sitzung nach dem Kriegsrecht eine von mehreren rechtmäßig gewählten Amyrlins bei gleichzeitiger Anwesenheit mindestens einer weiteren rechtmäßig gewählten Amyrlin die Frage der Amyrlin, so muss der Saal der Burg einstimmig darüber entscheiden, bevor die Sitzung beendet oder weitere Beschlüsse gefasst werden können Tochter. Dieser Abschnitt aus dem Kriegsrecht stammt übrigens aus dem Jahr der vier Amyrlins. Damals wurden bei einer der Sitzungen sieben Sitzende von derselben ausgeschlossen.“ Sie hob die Stimme, um das einsetzende Gemurmel zu übertönen. „Bei der Frage der Amyrlin erhält die ranghöchste Sitzende für den Zeitraum der Sitzung die Befehlsgewalt beider Amyrlins und die Leitung der Sitzung. Nur sie ist in Notfällen berechtigt, die Sitzung zu vertagen. Ich nehme an, Du bist diese Sitzende, oder irre ich mich, Tochter?“

„Nein, Kind, Du irrst Dich nicht.“, kam es nachdenklich zurück. „Yuriki stimmt das, was sie sagt?“ Die Graue nickte ernst und bejahte. Sie wirkte etwas blass, musste also wissen, dass es jetzt fast kein Zurück mehr gab.

„Dann übernehme ich Kraft meines Amtes als ranghöchste unter den Sitzenden die Leitung dieser Sitzung, bis die Frage der Amyrlin geklärt ist. Wir müssen uns an das Burggesetz halten.“, stellte die Braune selbstsicher fest.

Es folgte eine recht lautstarke Diskussion, hauptsächlich zwischen Elaida und Saerin, doch Elaida würde den Kürzeren ziehen, das Burggesetz stand klar auf Saerins Seite. Sie nutzte die Zeit, um leise zwei ihrer Behüter nach Stühlen zu schicken. Erst als sie zurückkamen, jeder einen schweren Stuhl auf den Armen, brach Saerin die fruchtlose Diskussion ab und wandte sich ihr zu. „Und was wird das jetzt, Anwärterin auf den Amyrlin-Sitz?“ wenigstens gebrauchte sie die korrekte Bezeichnung, jetzt konnte sie kaum noch zurück! Es schien erstaunlich, aber Behüter mit Stühlen hatten inzwischen offenbar widerspruchslos Zugang zu geschlossenen Sitzungen.

„Laut dem Burggesetz, Vorsitzende, müssen in einem solchen Fall wie diesem, beide Anwärterinnen als gleichgestellt behandelt werden und ich vermute, dass Elaida nicht stehen möchte.“ Es fiel ihr schwer, ein Lächeln zu unterdrücken, aber sie schaffte es.

Den erneuten ungläubigen Protest Elaidas ignorierend fragte Saerin weiter „Und für wen ist der zweite Stuhl?“

„Laut Burggesetz hat jede der Anwärterinnen das Recht, jeden in angemessener Zeit erreichbaren Zeugen zu ihrer Verteidigung heranzuziehen. Und sei es ein Gefangener im Kerker der Weißen Burg, heißt es dort wörtlich.“ Völlige Gelassenheit. Es war wichtig, dass sie ruhig wirkte, sehr wichtig sogar. Sie hoffte innig, dass Elaida den Köder schlucken würde.

„Stimmt das?“ wandte sich Saerin erneut an die einzige Graue, die sich sichtlich unwohl fühlte.

„Ja, das stimmt.“ gab Yukiri dennoch zurück, schließlich konnte sie nicht lügen. Dem Licht sei Dank schwieg sie über nähere Einzelheiten.

Elaida rief dazwischen „Dann holt sie doch aus dem Kerker, diese angebliche Leane! Na los, holt sie! Das wird garnichts ändern!“ sie war aufgestanden und sichtbar erregt. Tarna stand nach wie vor hinter ihr, wirkte jedoch etwas unsicher über die neue Situation. Sie war in einer schwierigen Lage, aber im Moment konnte sie noch nicht viel tun, um ihr zu helfen.

Egwene blickte lediglich zu Saerin herüber und hob fragend eine Braue.

„Holt sie.“ entschied Saerin. Besser konnte es kaum laufen! Ganz gleich, ob Leane Elaidas oder Saerins Zeugin war, ihre war sie bestimmt nicht.

„Ich schicke einen meiner Behüter, wenn ihr nichts dagegen habt, Vorsitzende.“ Sie wartete Saerins Nicken kaum ab und zeigte auf einen der anderen vier. Sie konnte sich beim besten Willen nicht an die Namen ihrer Behüter erinnern, wie sie plötzlich schockiert feststellte. Natürlich hielt sie ihre Gefühle ausreichend unter Kontrolle, dass sie es wenigstens nicht bemerken würden, jetzt war nicht die Zeit, sich eingehender mit ihnen zu befassen. „Hole Leane Sedai aus dem Kerker direkt hierher. Sage den Wachen, der Saal der Burg will sie augenblicklich sehen.“

Sofort lief er los. So ein Behüter konnte schon praktisch sein, keine Frage. Innerlich frohlockte sie: Elaida hatte sich gerade selbst ihr Grab geschaufelt. Besser hätte sie ihr nicht zuspielen können, wenn sie es gewollt hätte, sie war voll in ihre Falle getappt. Egwene erwartete, dass Saerin die Sitzung weiterführte, aber die wartete einfach ab und auch sonst ergriff jetzt keiner das Wort. Sie nahm auf ihrem Stuhl - eigentlich war es ein richtiger Sessel, was für Angeber! - Platz und überlegte sich die nächsten Schritte. Sie spürte, wie ihre restlichen Behüter hinter ihr Aufstellung nahmen.

„Sie hat keine Chance, das ist Elaidas Saal der Burg, nicht ihrer!“ hörte sie eine gedämpfte Stimme hinter sich. Sie musste im ganzen Saal zu hören gewesen sein!

„Würdest Du darauf wetten, zwei Silberlinge, dass sie das Rennen macht?“ Sie war doch kein Rennpferd! Und das von ihrem Ersten Behüter. Dennoch war sie gespannt auf die Antwort.

„Nein, lieber nicht.“ hörte sie nach einer Weile von hinten. Das war beruhigend, wenn sie ihren Zustand von gestern bedachte. Sie bemerkte, dass Saerin und einige andere die vier verbliebenen Behüter nachdenklich betrachteten. Einige mussten sich an ihre Kommentare von gestern erinnern oder davon gehört haben und sie in neuem Licht betrachten, glaubte sie. Sie ahnte nicht, wie sehr sie daneben lag, denn sie kannte als einzige Anwesende die Geschichten über Salak Turvalis noch nicht.

Endlich kam ihr Behüter zurück, natürlich spürte sie ihn schon vorher. Und er hatte wie erwartet nicht nur Leane sondern auch die zwei Schwestern im Schlepptau, die sie bewacht hatten. Sofort erhob sich Egwene und wandte sich an Saerin. „Normale Schwestern haben auf einer Sitzung nach dem Kriegsrecht keinen Zutritt, Vorsitzende. Ich muss darauf bestehen, dass sie den Saal sofort verlassen.“ Sie nahm wieder Platz.

Die Braune nickte leicht. „Sie hat völlig recht. Ihr beide verlasst bitte umgehend den Saal.“ Sie winkte sachte in Richtung der Tür. Sichtlich überrascht verließen die beiden Aes Sedai von der Weißen Ajah den Saal, wobei sie den Behütern, die jetzt alle fünf hinter ihr Stellung bezogen hatten, ungläubige Blicke zuwarfen. Als die Tür wieder geschlossen war, fuhr Saerin fort.

„Leane, Du bist als Zeugin vor den Saal der Burg gerufen worden. Die Frage der Amyrlin wurde gestellt, ich nehme an, Du bist mit diesem Terminus vertraut.“

„Das bin ich, Vorsitzende.“ antwortete Leane. Sie freute sich sichtlich, zeigte sogar ein leichtes Lächeln. „Guten Tag, Mutter.“ fügte sie mit einer angemessenen Verbeugung in ihre Richtung hinzu. „Schön auch mal raus zu kommen, Danke, Mutter.“

Egwene lächelte nicht zurück, weil es zu wichtig war, völlig gelassen zu erscheinen. „Du musst Dich bei Elaida bedanken. Sie hat Dich als Zeugin bei der Frage der Amyrlin benannt, nicht ich.“

Erfreut lachte Leane auf „Hat sie eine Ahnung, was sie getan hat, Mutter?“

„Nicht die geringste, Tochter.“ Egwene schenkte ihrer Freundin doch noch ein kurzes Lächeln, bevor sie ihre Züge wieder glättete.

„Was soll das bedeuten, ich habe sie als Zeugin bestellt?“ rief Elaida aufgebracht im Sitzen, und ballte kurz die Fäuste. „Das ist ihre Zeugin.“ Sie zeigte auf Egwene, die jetzt gelassen zu Saerin blickte. Anscheinend erkannte die Rote nicht, dass sie so indirekt ihren Anspruch anerkannte, aber Tarna und einige der Sitzenden wirkten plötzlich sehr nachdenklich. Ohne dies jedoch zu beachten, ergriff sie wieder das Wort.

„Vorsitzende, ich habe meinen Zeugen noch gar nicht benannt. Wir alle haben gehört, wie Elaida verlangt hat, Leane Sedai herzuholen, Vorsitzende.“ Sie war wie zuvor aufgestanden. Die Regeln im Saal der Burg waren jetzt anders, Saerin hatte jetzt die Kontrolle, doch Elaida schien das immer noch nicht völlig verstanden zu haben und sie musste jeden Vorteil nutzen, den sie bekam. „Wenn sie ihre Zeugin nicht befragen möchte, Vorsitzende, dann würde ich Leane Sedai gerne selbst einige Fragen stellen, wo sie schon einmal hier ist. Wie Ihr sicherlich wisst, ist dies nach dem Burggesetz ausdrücklich gestattet, natürlich muss kein Zeuge antworten, wenn er nicht will. Lasst uns weitermachen, damit ich endlich ebenfalls meinen eigenen Zeugen aufrufen kann, Vorsitzende.“ Diesmal ließ sie kein Lächeln aufblitzen, jetzt wurde es ernst. „Außerdem stelle ich den Antrag, dass Protokoll geführt wird, um weiteren Missverständnissen vorzubeugen. Zweifellos haben wir eine lange Sitzung vor uns und es wird nötig sein, den Wortlaut jeder Aussage aufzuzeichnen. Ich schlage Tarna Sedai als Führerin des Protokolls vor.“ Es würde leichter werden, wenn Tarna von Elaida getrennt war.

Saerin meinte leicht nickend „Antrag genehmigt. Tarna, führe bitte ein Protokoll.“ und Tarna sagte „Ich brauche etwas zu schreiben. Ich bin gleich wieder da.“ bevor sie sich auf den Weg machte. Ausgezeichnet, durch ihre lange Erfahrung wusste die Braune Sitzende natürlich, dass Anträge zum Ablauf der Sitzung nicht der Zustimmung durch den Saal benötigten, sondern direkt von der Vorsitzenden entschieden wurden. Jetzt, wo Tarna aus dem Weg war, konnte ihr niemand hinterher Voreingenommenheit vorwerfen.

Bevor Elaida protestieren konnte, machte sie weiter. „Vorsitzende, ich stelle den Antrag, jetzt Elaidas Zeugin zu befragen. Wenn Elaida Fragen stellen möchte, dann hat sie natürlich das Recht, sie ihrer Zeugin zuerst zu stellen, aber wenn sie keine Fragen hat, würde ich gerne weitermachen.“ Sie setzte sich wieder.

Saerin wandte sich gelassen an Elaida, offensichtlich erkannte sie ihre Lage besser und passte sich ihrer neuen Rolle bereits an. „Möchtest Du Deine Zeugin befragen, Elaida?“

„Was fällt Dir ein, mich Elaida zu nennen, Saerin, ich bin die Amyrlin!“ Elaida war sichtlich erschüttert.

„Alle Befugnisse des Amyrlin-Sitzes liegen derzeit bei mir, Elaida. Wenn ich Dich Amyrlin nenne, womit ich persönlich kein Problem habe, dann muss ich auch Egwene Amyrlin nennen, denn nach dem Burggesetz seid ihr gleichgestellt. Ich halte es für angemessener, jede von Euch vorläufig mit ihrem Vornamen anzusprechen. Schließlich kennen wir uns lange genug, meinst Du nicht?“ Sie hob eine Braue und Elaida presste die Lippen zusammen, schließlich war sie kaum lange genug Aes Sedai, dass sie unter normalen Umständen auch nur Sitzende hätte werden können. Saerin war vermutlich hundert Jahre älter als die Rote und verfügte über genügend Erfahrung, sich nicht von einer jüngeren Schwester einschüchtern zu lassen. „Als Vorsitzende dieser Sitzung nach dem Kriegsrecht erwarte ich eine Antwort auf meine Frage: Elaida, möchtest Du Deine Zeugin befragen? Wir alle haben gehört, wie Du sie benannt hast, also wenn Du sie befragen willst, dann tue es endlich und stiehl uns nicht die Zeit.“

Elaida setzte sich und schwieg, offensichtlich war sie sprachlos. Saerin wandte sich an Egwene. „Du kannst die Zeugin jetzt befragen, Egwene.“

„Danke, Vorsitzende. Leane, Du warst lange Siuan Sanches Behüterin der Chronik…“ begann sie, wurde aber von Elaida wütend unterbrochen „Sag nicht diesen Namen! Niemand hat Dir erlaubt, diesen Namen zu sagen!“

Egwene wandte sich gelassen an Saerin, das lief ja noch besser, als sie je erwartet hätte! Soweit sie es einrichten konnte, würde „Siuan“ ab sofort jedes zweite Wort sein, dass ihren Mund verließ, so wie Elaida darauf ansprang. „Vorsitzende, Elaida hat nicht ums Wort gebeten, ich stelle den Antrag, dass ihr Einwand im Protokoll als unangebracht vermerkt und wörtlich zitiert wird.“

Gerade kam Tarna mit ihrem Schreibzeug zurück, sie hatte genug Papier dabei, dass es für ein Buch gereicht hätte. Als sie im Einklang mit dem Burggesetz von Saerin darüber informiert wurde, was sie aufschreiben sollte, sagte sie „Ich bitte um ein Gespräch unter vier Augen mit der Anwärterin auf den Amyrlin-Sitz Elaida a’Roihan, Vorsitzende.“

„Gewährt, Behüterin der Chronik.“ Beide verzogen keine Miene bei dieser Erwähnung ihres doppelten Ranges.

Hinter sich hörte sie ein leises „Sehr gut, Stärkste Mutter.“, vermutlich vom Ersten Behüter. Außer einer Gelben Sitzenden, die als jüngste den Lauschschutz aus Saidar hielt, hatte es vermutlich niemand gehört.

Tarna ging zu Elaida hinüber und wob einen Lauschschutz. Sie kannte sich offensichtlich im Protokoll gut aus, das war vielversprechend. Als Saerin sie aufforderte, jetzt ihre weiteren Fragen an Leane zu richten, legte sie Widerspruch ein: Dies könnte ihr einen unfairen Vorteil verschaffen, Leane war Elaidas Zeugin, nicht ihre, Elaida hatte das Recht, alles, was Leane aussagte, auch zu hören. Außerdem fehle noch der bereits genehmigte Vermerk im Protokoll, also müssten sie wohl warten. Die erfahrene Sitzende der Braunen akzeptierte auch das und lehnte sich seufzend zurück. Sie schien dem Licht sei Dank gewillt, dem Burggesetz in allem zu folgen. Egwene vermutete, dass sie diese Gelegenheit, Elaida mal die Meinung sagen zu können, innerlich in Hochstimmung versetzte, doch das Gesicht der Sitzenden blieb regungslos. Es würde Egwene eher schaden als nutzen, wenn sie die Braune hier mit der Chronik unter Druck brächte, das wussten sie beide. Der Saal würde es früher oder später erfahren und das würde ihre ohnehin auch langfristig schwierige Position zusätzlich schwächen. Es war auch unwahrscheinlich, dass die Braune so etwas überhaupt zulassen würde, nicht hier.

Fast eine halbe Stunde verging, bevor Tarna den Schutz wieder losließ und sich an Saerin wandte. Jeder hier hatte verfolgen können, wie beide immer wieder die andere unterbrochen hatte, auch wenn nur Elaida dabei aufgeregt gewirkt hatte. „Danke, Vorsitzende.“

„Bitte vermerke im Protokoll, dass Elaida einen unangebrachten Einwand gebracht hat. Leider erinnere ich mich nicht an den genauen Wortlaut.“

„Dann bitte ich darum, den Einwand zu übergehen, Vorsitzende. Erstens habe ich als Protokollführerin ihn nicht gehört und zweitens befand sich Elaida offensichtlich im Unklaren über ihre genaue Situation.“

„Eine Amyrlin muss sich immer über ihre Situation im Klaren sein, Tarna, vor allem auf einer Sitzung nach dem Kriegsrecht. Deine Bitte wird abgelehnt. Erinnert sich jemand an den genauen Wortlaut?“ Tarna setzte sich und begann sofort zu schreiben. Sie verwendete dazu ein Gewebe aus Wasser und Erde, welches Egwene noch nie gesehen hatte. Anscheinend zeichnete es Gespräche mit großer Geschwindigkeit auf Papier auf, verblüffend, wie vielfältig Saidar sein konnte.

„Ich kenne den genauen Wortlaut, Vorsitzende.“ Egwene war wieder auf den Beinen. Gut, dass sie heute wieder einigermaßen in Form war. Sie gab Elaidas Worte zu Protokoll und Tarna vermerkte die Unangemessenheit. Es lief weiterhin besser, als erwartet.

Sie begann mit Leanes Befragung. Elaida bekam noch zwei weitere Einträge wegen Unangemessenheit, obwohl sie sichtlich bemüht war, sich unter Kontrolle zu halten. Niemand zweifelte auch nur im Geringsten an Leanes Identität, nicht einmal mehr Elaida. Schließlich wandte sie sich wieder an Saerin: „Ich habe keine weiteren Fragen an diese Zeugin, Vorsitzende.“ Dann nahm sie wieder Platz.

Einige Sitzende hatten noch weitere Fragen an Leane, vor allem über ihre Dämpfung mit späterer Heilung. Als die Befragung endete, übernahm Saerin wieder das Wort „Wenn es dann keine weiteren Fragen gibt, wirst Du den Saal jetzt wieder verlassen, Leane.“

„Ich bleibe lieber, Vorsitzende, wenn ihr erlaubt, das möchte ich nicht verpassen und im Keller zieht es.“ Kaum angemessen, aber verständlich, schließlich hatte sie einiges für die Weiße Burg auf sich genommen.

„Na schön. Vielleicht ergeben sich noch weitere Fragen, Du kannst bleiben.“ sagte die derzeitige Vorsitzende. Sie musste sich wirklich gut im Protokoll auskennen, jede Zeugin durfte traditionell einem Prozess folgen und auch wenn dies kein Prozess war, konnte Saerin das durchaus erlauben, Leane Sharif war immerhin eine Aes Sedai der Grünen Ajah. Leane nahm mit leichtem Lächeln im Sessel neben Egwene Platz.

„Sie gehört in eine Zelle!“ rief Elaida aufgebracht. Sie hatte ihre Zurückhaltung erneut verloren, wundervoll!

Sofort war Egwene wieder auf den Beinen. „Vorsitzende, ich stelle den Antrag, Elaida einen Verweis auszusprechen.“

„Begründung?“ Jetzt war der Tonfall schärfer, ein Verweis war immer eine ernst zu nehmende Sache.

„Missachtung der Autorität des Saals der Burg durch wiederholte unangemessene Einwürfe, Vorsitzende.“ Drei gleichlautende Einträge sollten genügen, wenn man den althergebrachten Traditionen folgte.

„Genehmigt. Tarna, notiere einen Verweis für Elaida im Protokoll.“

„Vorsitzende…“ begann Tarna, doch Saerin überging sie einfach, so dass sie keine andere Wahl hatte, als den Verweis zu notieren. „Es wird allmählich Zeit für die nächste Zeugin. Egwene, benenne jetzt Deine Zeugin.“

„Ich rufe Mattin Stephaneos als meinen Zeugen vor den Saal der Burg, Vorsitzende.“

„Ausgezeichnet, Mutter!“ flüsterte Leane fast unhörbar von der Seite, aber Egwene achtete nicht darauf.

„Wo hält er sich derzeit auf? Ich lasse ihn gerne durch meine Behüter holen, Vorsitzende.“ fuhr sie gelassen fort.

„Er wird gefunden werden. Elaida, Tarna, weiß eine von Euch, wo er sein könnte?“ Die Braune hatte nur kurz geblinzelt, aber viele der anderen Sitzenden richteten sich rasch auf und bei einigen sah sie sogar ein leichtes Lächeln. Die Roten hatte die übrigen Schwestern praktisch nie in die Nähe des Mannes gelassen und diese Gelegenheit, ihn ausführlich befragen zu können, fand offenbar Anklang. Nur Yuriki runzelte kurz die Stirn. Egwene betete im Stillen, dass die einzige anwesende Graue sich nicht zu Wort melden würde.

Tarna gab gelassen Auskunft und sie schickte diesmal zwei ihrer Behüter los, ihn zu holen, die Roten waren möglicherweise schwierig zu überzeugen. Außerdem ließ sie einen weiteren Sessel holen. Sie wandte sich an Saerin und schlug vor, ihre eigene Befragung durch den Saal schon zu beginnen, um etwas Zeit zu sparen. Diese stimmte zu und sofort regnete es Fragen über die Schwarze Ajah, zuerst nur von ihren gestrigen Mitstreiterinnen, dann auch von den übrigen. Elaida riss sich sichtlich zusammen, offensichtlich glaubte sie noch immer nicht wirklich an die Existenz der Schwarze Ajah, obwohl ihr doch jemand erklärt haben musste, was es mit der Abwesenheit der fehlenden Sitzenden auf sich hatte. Egwene beantwortete die ersten drei Fragen geduldig und gelassen und wandte sich dann an Saerin, die Mühe gehabt hatte, den Saal nach ihren beiläufigen aber detailreichen Antworten einigermaßen zur Ordnung zu bringen.

„Ich kann nicht erkennen, wie Fragen über die Schwarze Ajah Euch helfen sollen, zwischen mir und Elaida als Amyrlin zu entscheiden, Vorsitzende. Ich stelle daher den Antrag, dass alle weiteren Fragen an mich in ihrer Relevanz bezüglich meiner Eignung begründet werden müssen. Ansonsten sitzen wir vielleicht morgen noch hier. Wer auch immer diesen Saal als Amyrlin verlässt, die andere hat zu der sicherlich folgenden geschlossenen Sitzung keinen Zutritt, es wäre daher unangemessen, die Betreffende an Dingen des Amyrlin-Sitzes und des Saales der Burg teilhaben zu lassen, Vorsitzende.“

„Nur noch begründete Fragen?“ fragte die Braune und runzelte zweifelnd die Stirn. „Gibt es dafür einen Präzedenzfall?“

„Ja, sogar mehrere, Vorsitzende. Natürlich hat die Vorsitzende der Sitzung jederzeit das Recht, auch unbegründete Fragen zu stellen. In der Regel ist das die Amyrlin.“ Saerins Augen blitzten förmlich auf. Egwene glaubte sogar, den Hauch eines Lächelns erkannt zu haben.

Saerin nickte. „Der Antrag ist angenommen. Ab sofort muss jeder seine Fragen an Egwene al'Vere in Bezug auf die Relevanz für Ihre Eignung für den Amyrlin-Sitz begründen.“ Egwene nahm wieder Platz.

Einige Sitzende protestierten. Das dürfe Saerin nicht allein entscheiden, war ihr Argument. Sie durfte, stellte Yuriki auf die selbstbewusste Nachfrage der Vorsitzenden hin trocken fest, es handelte sich eindeutig um eine Frage des Ablaufs der Sitzung. Danach herrschte einen Moment Schweigen.

Elaida wirkte ungläubig, so zahm hatte sie ihren Saal der Burg wohl nicht in Erinnerung. Als Saerin nicht sofort Anstalten machte, fortzufahren, stand sie erneut auf.

„Ich stelle den Antrag, jetzt im Sinne der Gleichheit Elaida ebenfalls drei Fragen beantworten zu lassen, Vorsitzende.“ Diesmal blieb sie stehen.

„Antrag angenommen.“ Saerin wirkte hocherfreut und hatte nicht gezögert.

„Darf ich die erste der drei Fragen selbst stellen, Vorsitzende?“

„Du darfst nicht, Egwene. Elaida, warum hast Du regelmäßig die Herrin der Novizinnen besucht und später dann Alviarin dorthin geschickt?“ Egwene nahm wieder Platz. Eine bessere Frage hätte sie auch nicht stellen können. Elaida hatte Silviana besucht? Unfassbar!

Elaida zuckte zusammen. „Das geht Euch nichts an!“

Es stimmte also tatsächlich, der Tonfall klang eindeutig verteidigend. Sie wechselte einen ungläubigen Blick mit Leane, die sie mit großen Augen anstarrte. Alviarin musste die Rote gehörig unter Druck gesetzt haben und bis gestern hatte sie ganz eindeutig täglich die Quittung dafür bekommen. Fast musste Egwene lachen, als sie an Silviana dachte, welche offenbar die Ehre gehabt hatte, gleich zwei amtierenden Amyrlins regelmäßig den Hintern zu versohlen.

„Das geht den Saal der Weißen Burg sehr wohl etwas an, Elaida, denn Alviarin ist ohne jeden Zweifel die Anführerin der Schwarzen Ajah. Beim Ersten Eid.“ Elaida zweifelte offenbar dennoch, das stand klar auf ihrem Gesicht zu lesen. „Wenn Du es wünscht, Elaida, könnte ich meine Fragen an Dich begründen. Möchtest Du, dass ich meine Fragen begründe, Elaida?“

„Ja!“ So energisch sie dies aussprach, war sie doch sichtbar blass geworden. Hatte sich tatsächlich niemand die Mühe gemacht, ihr das vorher zu sagen? Egwene blickte zu Tarna, die es sofort bemerkte, aber statt ihr offen ins Gesicht zu sehen, den Blick senkte. Vielleicht hatte sie es versucht und war einfach nicht zu der störrischen Frau durchgedrungen. Egwene machte ihr deshalb keinen Vorwurf, sondern empfand eher Respekt, dass sie es zumindest versucht hatte.

„Dann stell einen Antrag.“ Die Stimme der Brauen mit den grauen Stränen im Haar klang hart und ließ keinerlei Geduld oder Nachsicht erkennen. „Bis dahin beantworte einfach meine Frage: Elaida, warum hast Du Alviarin zur Herrin der Novizinnen geschickt und vor allem, warum warst auch Du selbst dort? Niemand kann Dich zwingen, zu antworten, aber jeder hier wird Dich angesichts der Situation auch nach dem beurteilen, was Du zu erklären bereit bist.“ Elaida wusste anscheinend nicht, was sie sagen sollte.

„Vorsitzende“ wagte Egwene zu bemerken, während sie sich erhob „wenn ihr erlaubt, dann werde ich meine Version der Ereignisse vortragen, die zum Teil Vermutung sind. Elaida kann das Ganze dann durch ein einfaches Ja oder Nein bestätigen oder auch nicht.“ Fast hätte sie hinzugefügt „falls sie wenigstens dazu in der Lage ist“, doch sie ließ es bleiben, einen Verweis wegen Unangemessenheit zu riskieren, konnte sie sich nicht leisten. Mehrere Sitzende keuchten, sie hatten vermutlich bemerkt, was sie absichtlich ausgelassen hatte. Es war ein ausgezeichneter Seitenhieb, gratulierte sie sich selbst. Leane verbarg hinter ihrer erhobenen Hand mit Sicherheit ein Lächeln.

„Das klingt ganz ver...“ begann Saerin, doch in dem Moment ging die Tür auf und ihre Behüter brachten Mattin Stephaneos herein. Sie hatte kaum bemerkt, wie nahe sie schon waren, wie seltsam. Der ehemalige König von Illian wirkte eingeschüchtert. Ihre Behüter hatten auch einen weiteren Sessel aufgetrieben und stellten ihn links neben Egwene, Leane saß auf ihrer anderen Seite. Sofort ergriff sie das Wort „Ich will mit meinem Zeugen zuerst allein sprechen, Vorsitzende, das ist mein Recht.“

Saerin blickte kurz zur Grauen hinüber und diese nickte. „Wenn es Dein Recht ist.“ stimmte sie dann ruhig zu.

Sofort trat Egwene auf Mattin Stephaneos zu und wob einen Schutz gegen Lauscher, der auch ihre Behüter, nicht aber Leane, umfasste. Sie blickte kurz zu Saerin und diese nickte. Behüter waren etwas anderes. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf den Mann vor sich. Anscheinend hatte er sich noch nicht gefasst. „Ihr, was macht ihr denn hier? Warum bin ich hier? Alle Behüter reden von Euch und...“ Sie hob einfach nur die Hand, und er verstummte. Erstaunlich, dass das immer wieder funktionierte, wenn sie äußerlich gelassen blieb.

„Mattin Stephaneos, bitte beruhigt Euch und setzt Euch zu mir, wir sollten uns einen Moment ungestört und in aller Ruhe unterhalten.“ Sie setzte sich. „Tee!“ rief sie an ihre Behüter gewandt und sofort machte sich einer auf den Weg. Er war verblüffend schnell zurück, sie mussten mit so etwas gerechnet haben. Sie ließ sich selbst und dem ehemaligen König eine Tasse einschenken und nippte gelassen am Tee, bevor sie weitermachte. Zwar war sie durstig, doch sie trank nur einen kleinen Schluck. Hier ging es ganz wesentlich um Etikette, sie wurde beobachtet. Sie wandte sich wieder an den ehemaligen König, der sich jetzt verwirrt im Saal umblickte, aber ebenfalls Platz genommen hatte und eine Tasse nahm, um daran zu nippen. Von den Sitzenden, die sich teilweise offensichtlich lebhaft unterhielten, war natürlich kein Ton zu hören.

„Mattin, Ihr befindet Euch auf einer Sitzung des Saals der Burg, bei der die Frage entschieden werden soll, ob Elaida oder ich selbst künftig das Recht haben, den Amyrlin-Sitz einzunehmen. Es wird nichts weiter von Euch erwartet, als dass Ihr alle Fragen, die man Euch stellen wird, wahrheitsgemäß beantwortet.“ Sie trank einen weiteren Schluck und blickte gelassen in die Gesichter einiger der Schwestern, während sie den Mann aus dem Augenwinkel beobachtete.

„Ich dachte, Männer hätten auf solchen Sitzungen keinen Zutritt? Äh, Mutter.“ fragte er mit einem Wink auf ihre Behüter. Er hatte sich etwas gefangen, gut.

„Das ist richtig, Mattin. Allerdings gibt es eine Sonderregelung für Behüter der Amyrlin, die gegenwärtig Anwendung findet. Diese fünf Männer sind meine Behüter.“ Er zog überrascht eine Braue hoch, aber sie ging nicht näher darauf ein. „Im Anschluss an Eure Befragung könnt ihr jederzeit die Weiße Burg verlassen, falls ihr das wünscht. Von einer Amyrlin - in diesem Falle mir - auf einer solchen Sitzung benannte Zeugen sind laut dem Burggesetz frei zu gehen, wenn sie ihrer Verpflichtung nachkommen und aussagen. Das gilt übrigens auch, falls Elaida gewinnt.“

„Ich kann dann gehen?“ fragte Mattin überrascht, aber er klang auch hoffnungsvoll.

„Ja.“ gab sie freundlich und entspannt zurück „Allerdings wäre es mir sehr recht, wenn ihr noch eine Weile freiwillig bleibt, Mattin. Ich werde Euch zwei meiner Behüter zur Seite stellen, wenn ihr erlaubt, um zu gewährleisten, dass keine Aes Sedai Euch vorschreibt, was ihr tun oder wohin ihr gehen sollt. Ich würde, sobald ich die Zeit dafür finde, gerne mit Euch über Eure Zukunft und die Verhältnisse in Illian sprechen und auf diese Weise wüsste ich stets, wo ich Euch finde. Eure Sicherheit, die mir sehr am Herzen liegt, kann hier in der Weißen Burg besser gewährleistet werden, als sonst irgendwo im Land. Was sagt Ihr?“

Er entschloss sich schnell, anscheinend hatte er sich jetzt wirklich gefangen. „Ich werde vorerst bleiben... Mutter.“ Dann zeigte sich ein leichtes Lächeln auf seinen Zügen. „Es wird mir eine Ehre sein, wenn Eure Behüter mich begleiten, Mutter, sie schienen von den Roten Schwestern, die mich bewachten, nicht sehr beeindruckt zu sein.“

Egwene nickte lediglich leicht, um Zustimmung anzudeuten. „Seid Ihr bereit für die Befragung, Mattin?“

„Ich denke schon, Mutter.“ Er nickte ihr sichtbar respektvoll zu. Statt der halben Stunde, die Tarna für Elaida gebraucht hatte, waren nur wenige Minuten vergangen, das sollte zumindest etwas Eindruck machen, hoffte sie.

Sie ließ den Schild fallen und erhob sich. „Mein Zeuge ist jetzt bereit, Vorsitzende, ihr könnt weitermachen.“ Sogleich nahm sie wieder Platz und trank ihren Tee. Es war Honig darin, mehr als sie üblicherweise nahm, aber sie sah unter diesen Umständen davon ab, sich zu beschweren.

Und Saerin begann selbst mit der Befragung. Offensichtlich war Elaida nicht gerade offen mit Details seiner Entführung umgegangen. Mattin Stephaneos hielt sich gut, die Aussicht auf baldige Freiheit tat ihm sichtlich wohl und es war ein Geschenk des Lichts, dass er seine bevorstehende Freiheit mit keiner Silbe erwähnte. Natürlich konnte es auch sein, dass er sein Glück lieber nicht bewusst herausfordern wollte. Elaida hielt sich zurück, zumindest jetzt noch. Erst als Egwene mit ihrer Befragung begann, konnte sie nicht mehr an sich halten, wie sich erfreulicherweise herausstellte.

„Mattin Stephaneos, entspricht es aus Eurer Sicht der Wahrheit, wenn ich behaupte, ihr wärt auf Veranlassung von Elaida a’Roihan hierher entführt worden und anschließend ohne Angabe von Gründen von ihr in der Weißen Burg festgehalten worden?“

„Ja, Mutter.“ Er antwortete klar und deutlich und nickte nachdrücklich.

„So war das nicht, er lügt!“ rief Elaida aufgebracht und sprang auf.

Egwene wandte sich ruhig an Saerin „Vorsitzende, ich stelle den Antrag, Elaida einen weiteren Verweis wegen Missachtung des Saals der Burg zu erteilen.“

Saerin nickte grimmig. „Angenommen.“ Tarna schüttelte leicht den Kopf, schrieb aber pflichtgemäß alles nieder. Sie musste Elaida bereits selbst darauf hingewiesen haben, wie Verweise sich möglicherweise auswirkten, falls sie es denn wusste. Dieser Bereich des Burgrechts war nicht gerade tägliche Praxis, da er so gut wie nie vorkam.

„Bitte erlaubt mir, Elaida auf die Folgen weiterer Verweise aufmerksam zu machen, Vorsitzende.“ Sie musste fair spielen. Sie wollte den Saal selbst überzeugen und nicht durch Tricks gewinnen, hier war für Zweifel kein Platz.

„Nur zu, Egwene.“ Eine hochgezogene Braue war alles, was die Braune als Reaktion zeigte. Wie den meisten hier, war auch ihr sicher unbekannt, was ein weiterer Verweis bewirken würde.

Ihr erster Behüter flüsterte „Zeigt’s ihr, Stärkste Mutter!“, doch sie ignorierte das. Außer der jungen Gelben hatte es sicherlich niemand gehört, und das war auch besser.

Zum ersten Mal seit Beginn der Sitzung blickte sie Elaida in die Augen. Sie wirkte seltsam mitleiderregend, mit ihrem wütend-verwirrten Blick, doch es stand zu viel auf dem Spiel, um darauf Rücksicht zu nehmen. „Elaida, solltest Du einen Dritten Verweis durch die Vorsitzende bekommen, dann musst Du diese Sitzung verlassen, genau wir jeder andere, der in einer Sitzung drei Verweise bekommt, das weiß jede von uns. Da die Frage der Amyrlin gestellt wurde, darf aber keine von uns beiden diese Sitzung verlassen, denn sonst erhält die andere automatisch den Amyrlin-Sitz zugesprochen, und dies wusstest Du vielleicht nicht. Es müsste nicht einmal mehr darüber abgestimmt werden und Saerin hätte laut dem Burggesetz nur die Wahl, dem zuzustimmen. Ich schlage dringend vor, Du hältst Dich ab sofort wieder an das Protokoll, Elaida, damit wir diese Sitzung ordnungsgemäß zu Ende führen können.“

„Das kann nicht sein.“ hauchte Elaida ungläubig und blickte erschüttert in die Runde.

„Es ist genau so, wie sie sagt.“ wandte Yuriki ruhig ein, wobei sie sich kurz erhob.

„Vorsitzende, ich bitte ums Wort.“ Elaida schien sich wieder etwas zu fangen, aber Saerin enttäuschte sie nicht.

„Elaida, nach dem Burggesetz hat Egwene das Recht, ihren Zeugen als erste und so lange zu befragen, wie sie will. Selbst ich hätte ihr das Recht auf die erste Befragung zugestehen müssen, hätte sie darauf bestanden, und derzeit halte ich den Rang der Amyrlin. Ich lehne die Bitte ab. Egwene, Du kannst die Befragung fortsetzen.“

„Danke Vorsitzende. Ich denke, Mattin Stephaneos hat uns alles gesagt, was für die anstehende Entscheidung der Sitzenden relevant ist. Ich habe an ihn keine weiteren Fragen.“ Sie wandte sich an Elaida, obgleich sie ahnte, dass es vergeblich sein würde. „Elaida, dies ist Deine letzte Gelegenheit, einer Dämpfung zu entgehen, nenne mich jetzt sofort Mutter. Du kannst so wertvoll sein für die Weiße Burg! Ich weiß das, Elaida!“ Sie sprach so, dass Elaida keines ihrer Worte entgehen konnte, sprach sehr eindringlich, wo es bisher nur Gelassenheit gegeben hatte. Die Frau starrte sie mit großen Augen an, Egwene bezweifelte, dass ihre Worte wirklich verstanden wurden, Elaida war von der Situation offensichtlich völlig überfordert. Wie hatte man sie nur jemals zur Amyrlin wählen können! „Ich brauche jede Aes Sedai an meiner Seite, die nicht dem Schatten folgt, um bei Tarmon Gaidon zu gewinnen, auch Dich! Beweise Deinen Mut auf dem Feld, Elaida. Dies wird Deine letzte Gelegenheit sein, ich werde Siuan eigenhändig davon abhalten müssen, Dich zu erwürgen. Mit Sicherheit keine leichte Aufgabe. Ich nehme für Dich etwas auf mich, Elaida, verstehst Du, damit wir den Schatten gemeinsam besiegen können. Nenne mich ein Mal Mutter, Elaida, nur ein einziges Mal, jetzt.“ Sie nahm nach einem „Danke für das mir erteilte Wort, Vorsitzende“ in einem plötzlich völlig ruhigen Tonfall wieder Platz.

„Na schön. Elaida, Du hast ums Wort gebeten.“ Die Braune blickte gelassen herüber.

Die Angesprochene erhob sich, ihr Blick war fast mörderisch und sie ließ Egwene nicht aus den Augen, als sie selbstsicher und kühl ihre Antwort formulierte. „Ich habe keine Fragen an den Zeugen, Vorsitzende.“ Der ehemalige König von Illian blickte Elaida strahlend an. Diese warf stirnrunzelnd einen kurzen Blick auf Tarna, die keinerlei Regung zeigte, und setzte sich wieder. Nach außen wirkte sie wieder gelassen, doch in ihr musste es brodeln!

Erneut sprang Egwene auf, sie hatte es versucht, jetzt sollte die sture Frau doch sehen, wie sie allein zurechtkommen würde. „Hat noch jemand Fragen an meinen Zeugen, Vorsitzende?“ Wie sich herausstellte, war das nicht der Fall. „Dann bestehe ich darauf, dass er auf der Stelle dem Burggesetz entsprechend die Weiße Burg als freier Mann verlassen darf, Vorsitzende.“

„Yuriki, entspricht das dem Burggesetz?“ Die derzeitige Vorsitzende wirkte zum ersten Mal wirklich überrascht und ihre Stimme klang etwas höher als sonst. Nachdenklich betrachtete sie Leane, als die Graue erneut ihre Worte bestätigte. Elaida hauchte ein ungläubiges „Waaas?“, doch niemand achtete darauf.

Saerin wandte sich ruhig an den ehemaligen Herrscher von Illian. „Mattin Stephaneos, ihr seid frei die Weiße Burg zu verlassen.“

Ebenso ruhig gab er zurück: „Ich bleibe noch etwas in der Sicherheit der Weißen Burg, wenn ihr erlaubt, Vorsitzende. Die Amyrlin Egwene al'Vere hat mich zu sich bestellt, sobald sie es einrichten kann.“ Das tat gut, sehr gut sogar. Saerin nickte leicht. Tarna vermerkte es im Protokoll. Beide ließen sich ihre Überraschung, im Gegensatz zu einigen Sitzenden, kaum anmerken. Mit einer gekonnten Verbeugung wandte er sich dann Egwene zu. „Mutter, ich stehe tief in Eurer Schuld. Mag ich auch nicht mehr über meine Herrschaftsgewalt über Illian verfügen, so will ich doch für Euch tun, was ich kann, um diese Schuld zu begleichen.“

Sie erhob sich nicht, sondern nickte nur leicht, hier ging es um mehr als Könige. „Wir werden etwas finden, Mattin. Ihr zwei, bringt ihn, wohin er will!“ fügte sie an die zwei Behüter gewandt hinzu, die ihn hergeholt hatten. Nach einer weiteren Verbeugung und einem respektvollen „Mutter.“ verließ er den Saal, ihre Behüter im Schlepptau. Sie hatte erneut Mühe, nicht zu lächeln.

Dann bemerkte sie es: Ihre Behüter verschwanden langsam aus ihrem Bewusstsein. Natürlich nicht alle, sondern nur die zwei, die den Raum verlassen hatten. Oh, sie wusste, wo sie waren, doch ihre Gefühle wurden beständig schwächer. Als ihr anderer Behüter Leane geholt hatte, war das längst nicht so spürbar gewesen, was war da passiert? War sie vielleicht zu schwach gewesen, die Bindung richtig hinzubekommen? Vielleicht sollte sie eine Grüne danach fragen.



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