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18. Nesan

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Blut und Asche

Sie hörte und spürte, dass die anderen hinter ihr folgten, doch im Wald war sie den Pferden und wohl durch ihre Wendigkeit auch ihrem ersten Behüter überlegen. Die Bäume, hauptsächlich Kiefern, standen recht nahe beisammen, aber es gab praktisch kein Unterholz, man kam hier schnell voran. Sie hielt direkt auf die Verletzten zu, es waren nicht mehr als ein halbes Dutzend, schätzte sie, doch ihr Leben war fast erloschen. Dann endlich hatte sie sie erreicht. Und sofort schleuderte ihr jemand eine Wand aus Feuer und Luft entgegen. Sie löste sie ohne Mühe auf, das Gewebe war weder sonderlich stabil noch stark. Sie entdeckte auf einer Lichtung jetzt fünf übel zugerichtete Frauenkörper, die wohl Aes Sedai sein mussten und eine sechste Aes Sedai, die nach wie vor die Eine Macht hielt und sie erneut angriff.

Wütend fegte sie auch dieses Gewebe zur Seite und wob einen mächtigen Schild. Er schirmte sie natürlich problemlos ab. Sofort fesselte sie die völlig schockiert wirkende Frau, ließ sie zusätzlich mit einem von Moghediens heimtückischeren Geweben ohnmächtig werden und band die Ströme ab. Dann beugte sie sich über die erste Schwester, doch für sie kam jede Hilfe zu spät. Der nächsten Schwester ging es nur wenig besser. Schnell, aber sorgfältig, hüllte sie diese und die anderen in Erhaltungsgewebe, da ihr nichts Besseres einfiel. Zwar konnte sie durch ihre Tiefenschau genau sagen, was den Frauen fehlte (schwere innere Verletzungen und zahlreiche Knochenbrüche, hervorgerufen vermutlich durch die Eine Macht), doch eine Heilung überschritt ihre Fähigkeiten bei weitem. Sie hob rasch die Umkehrung wieder auf, damit die übrigen sie hier finden würden.

„Was ist hier geschehen, Stärkste Mutter?“ Ihr erster Behüter war erneut am schnellsten gewesen.

„Ich bin noch nicht sicher. Diese Schwester dort ist tot, die vier hier sind lebensgefährlich verletzt. Alle Wunden deuten auf Saidar hin, und als ich hier ankam, griff mich diese dort an.“ Sie zeigte auf die gefesselte Aes Sedai, deren Augen seltsam verdreht waren, so dass fast nur die weißen Augäpfel im Halbdunkel des Waldes schimmerten.

„Eine weitere Schwarze Ajah, Stärkste Mutter?“ Er klang ganz sachlich und fühlte sich auch so an.

„Wahrscheinlich, Erster Behüter. Finden wir es heraus.“

Sie ging schnell zu der Gefesselten, weckte sie und wob den Zwang. „Bist Du eine Schattenfreundin?“

„Ja.“ Sie wimmerte und duckte sich, soweit es die Fesseln aus Luft zuließen, als sie sprach.

„Kannst Du diese Frauen heilen, wenn Du genug Saidar bekommst?“

„Nein.“

„Warum hast Du das getan?“ wollte Egwene wissen und deutete auf die reglosen Körper.

„Es war mein Befehl. Sollte die Amyrlin Egwene al'Vere den Sieg davon tragen, dann sollte ich alle Aes Sedai, die bei mir waren, töten und dann verschwinden.“

„Warum hast Du mich angegriffen und warum warst Du noch hier?“

Hinter ihr trabten Gawyn und Lord Bryne auf die Lichtung, doch sie schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit. Dennoch hörte sie Gawyns durchaus angebrachten Kommentar: „Blut und blutige Asche!“

„Ich habe Euch nicht erkannt, darum griff ich an, anstatt zu fliehen, ich hielt Euch für eine Novizin. Ich wollte sie leiden lassen und sie sollten leiden, weil ich meinen eigentlichen Auftrag nicht erfüllen konnte, darum war ich noch hier.“

„Wie lautete Dein eigentlicher Auftrag?“

„Ich sollte vor allem sicher gehen, dass Gawyn Trakand die Weiße Burg nie wieder betreten kann.“

„Indem Du ihn tötest?“

„Ja.“

„Warum hast Du es nicht getan?“

„Ich dachte ich hätte noch Zeit, aber dann wurden wir unerwartet von den Jünglingen getrennt.“

„Jünglinge, in der Tat.“ warf ihr erster Behüter grinsend ein. Gawyn unterdrückte plötzlich erstaunlich viel Zorn!

„Nenne mir die Namen aller lebenden Schwarzen Ajah und Schattenfreunde, die Du kennst.“ Zu ihrer Enttäuschung waren ihr die Schwarzen Ajah bereits bekannt. Sie ließ sich die wahrscheinlichsten Aufenthaltsorte der vier übrigen Schattenfreunde nennen und dann den Zwang fahren.

„Du bist hiermit für schuldig befunden, eine Schattenfreundin zu sein und eine Aes Sedai getötet zu haben sowie vier weitere lebensgefährlich verletzt. Kraft meines Amtes als Amyrlin verurteile ich Dich zur Dämpfung mit anschließender Hinrichtung.“ Sie dämpfte die Schwarze Ajah auf der Stelle und enthauptete sie anschließend, bevor sie auch nur zum Schreien den Mund öffnen konnte, mit einem Strang aus fester Luft. Es dauerte kaum so lange wie ein Herzschlag. Sofort verbrannte sie den Leichnam zu feiner Asche, die in der herrschenden Windstille langsam zu Boden sank. „Schatten, nimm dich in acht!“ murmelte sie grimmig.

„Mutter? Sind diese Frauen noch am Leben?“ Gareth Bryne schien am wenigsten schockiert zu sein, Gawyn und ihr Erster Behüter jedenfalls fühlten sich beide sehr überrascht an.

„Ja, Lord Bryne, aber sie brauchen sofort die besten Gelben Schwestern, die man auftreiben kann. Leider kann ich sie in diesem Zustand nicht bewegen. Wo steckt übrigens Siuan?“

„Sie ist vom Pferd gefallen, Mutter.“ Das schien ihn nicht weiter zu bekümmern. Tatsächlich wirkte er geradezu erfreut! „Eure Stimme war sehr laut und hat viele der Pferde erschreckt. Wir mussten mitten im Angriff abbrechen, so etwas habe ich noch nie gesehen, noch nicht einmal davon gehört, Mutter!“ Er klang jetzt regelrecht begeistert! „Ich bezweifle, dass es viele Tote gegeben hat. Ihr kamt – oder vielmehr Eure Stimme kam – gerade so zur rechten Zeit. Seid ihr sicher, dass ihr nicht auch ein wenig Ta’vaeren seid, so wie Eure drei Freunde?“

Was, beim Licht, hatte Siuan diesem Mann alles erzählt, nur um nicht die Wahrheit darüber aussprechen zu müssen, was sie für ihn empfand, fragte sich Egwene unwillkürlich. Siuan hatte ihr einmal gesagt, sie würde jeden belügen, wenn es nötig sei, außer ihr und diesem Mann hier. Sie war jetzt endgültig davon überzeugt, dass sie in ihn verliebt sein musste, sonst hätte sie ihm nie so viel gesagt.

Gareth blickte zur Asche der Schwarzen Ajah, als sie nicht gleich auf seine Frage reagierte. „Das einzige, was ihr tun konntet, wenn ihr mich fragt. Eine weniger. Könnt ihr ein Notsignal senden oder etwas Ähnliches, Mutter? Diese vier hier brauchen dringender eine Aes Sedai, als jeder, den ich bisher gesehen habe! “ Und das immerhin von Gareth Bryne, der unter anderem den Blutigen Schnee erlebt hatte!

„Ich bin das Notsignal, Lord Bryne. Derzeit halte ich mehr Saidar, als jede Aes Sedai im Umkreis von Meilen es auch nur könnte. Jede Aes Sedai in Tar Valon weiß, wo ich gerade bin. Außerdem suchen sicher alle nach mir. Tarna Feir und die anderen sollten jeden Moment hier eintreffen.“ Seltsamerweise schienen ihre zwei Behüter, die bei Leane waren, nur recht langsam und unter großer Anstrengung näher zu kommen.

„Tarna Feir? Das ist doch diese Rote, die in Salidar war.“ meinte ihr leicht ergrauter Heerführer und klang zumindest verblüfft.

„Allerdings. Sie ist meine neue Behüterin der Chronik. Ich fand, etwas Mut kann man immer gebrauchen.“

„Aber sie ist doch Elaidas Behüterin der Chronik!“ wandte Gawyn ein, wobei sich seine Stimme beinahe überschlug. Am Rande fragte Egwene sich, woher er das hier draußen überhaupt hatte erfahren können, aber das war jetzt nicht so wichtig, denn Gawyn näherte sich offenbar den Grenzen seiner geistigen Belastbarkeit, während ihr Erster Behüter vermutlich gerade eine humorvolle Bemerkung über dessen baldigen Stimmbruch vorbereitete. „Warum nennen Dich alle Mutter, Egwene? Gareth, warum nennst Du Egwene „Mutter“?“ Er war ein Muster an Verwirrung und wirkte nach außen dennoch ernst.

„Weil sie die Amyrlin ist, Holzkopf.“ Gareth grinste plötzlich. „Was glaubst Du, wem mein Heer, wem ich die Treue geschworen habe? Es ist der Amyrlin-Sitz Egwene al'Vere, dessen Behüter Du vor wenigen Minuten geworden bist, Gawyn.“ Er hatte es also mitbekommen. Es war nicht zu ändern und sie glaubte auch nicht, dass er es an die große Glocke hängen würde.

„Ihr irrt Euch. Sie ist viel mehr als das!“ wandte ihr erster Behüter nachdrücklich ein. Er fühlte sich... erschrocken an! „Sie ist die Stärkste Mutter, jene, die den Schatten nicht fürchtet. Und ich bin ihr Erster Behüter.“ Starke Entschlossenheit und nicht gerade wenig Stolz beim Ersten Behüter. „Übrigens, Stärkste Mutter, mein Name ist Salak Turvalis.“ Sie spürte Gawyns Überraschung, er blinzelte und sein Blick flog vom Ersten Behüter zu ihr und zurück. Er kannte ihn? Selbst Gareth Bryne hob eine Braue und musterte den Mann anscheinend mit neuen Augen! „Allerdings betrachte ich es als Ehre, wenn ihr mich weiterhin „Erster Behüter“ nennt, Stärkste Mutter.“ Er nickte ihr kurz zu und wandte sich an Gawyn.

Er war jetzt wieder völlig ernst, innen und außen, ganz der Behüter. „Gawyn Trakand, ihr seid zwar von Behütern ausgebildet worden, aber ihr wart bisher keiner. Da das jetzt anders ist, wird es Zeit für ein Gespräch. Mit Eurer Erlaubnis, Stärkste Mutter?“ Sie nickte knapp und er machte sich auf zum anderen Ende der Lichtung, wobei er Gawyn einfach am Arm mitzog. Der junge Soldat zögerte einen Moment und folgte den beiden dann.

Nach ein paar Schritten wandte Salak sich geschmeidig zu ihr um, wobei Gawyn, den er einfach mit sich herumzog, fast aus dem Gleichgewicht gekommen und hingeflogen wäre. „Stärkste Mutter, ich weiß, dass ihr jedes Wort hören könnt, wenn ihr wollt, aber dies ist Sache der Behüter.“ Er ging nach einer zweiten geschmeidigen Drehung weiter und ignorierte Gawyns entrüstete Proteste einfach, der vergeblich versuchte, sich von dem Griff zu befreien.

Es war ihr sehr recht, etwas Zeit zum Sammeln und Nachdenken zu bekommen. Ihr Erster Behüter war erstaunlicherweise mindestens ebenso gut wie Gawyn, wenn nicht besser. Gawyn hatte zwei der besten Behüter der Weißen Burg erschlagen, doch dieser Mann zog ihn mit sich wie ein Kind! Und Gawyn schien das völlig normal zu finden, wenn sie seine Gefühle richtig deutete, er war nur ein kleines bisschen ärgerlich, nicht wütend. Sie fühlte sogar deutlichen Respekt. Wer beim Licht war Salak Turvalis? Sie wob einen Lauschschutz um sich und Gareth Bryne.

„Lord Bryne, habt ihr je von einem Salak Turvalis gehört?“ fragte sie sofort.

„Klar, das ist Kaynara Sedais Behüter. War, sollte ich wohl sagen. Ihr habt noch nie von ihm gehört, Mutter? Er ist berühmt.“ Er zeigte seine Überraschung nur durch ein kurzes Heben seiner Braue und das kurze Zucken seiner Lippen mochte sogar ein Zeichen von Erheiterung sein.

„Im Ernst? Wofür?“ Ihre Neugier wuchs beträchtlich, doch Gareth Bryne ging nicht darauf ein.

„Mutter, was ist in der Weißen Burg geschehen? Erst fürchten sich alle Aes Sedai vor Elaidas großer Macht in der Weißen Burg und machen mir deswegen die Hölle heiß, und dann spaziert ihr einfach her, verkündet Elaida sei abgesetzt und verhindert eine Schlacht. Ihr müsst Ta’vaeren sein, wenn ihr auch noch Salak Turvalis als Behüter gebunden habt und ihn nicht einmal kennt. So etwas ist genau das, was bei Ta’vaeren geschieht, Mutter. Siuan hat mir einiges darüber erklärt und ich bin mir sicher, es kann nicht anders sein. Und vergessen wir nicht Euren zweiten Behüter, Gawyn Trakand. Er war nicht nur hervorragend in der Schlachtaufstellung, sondern auch in der Taktik. Selbst wenn er Unterstützung durch Aes Sedai bekam, hat er mir mit seinen fünfhundert Mann doch gehörig zu denken gegeben. Er ist mir praktisch ebenbürtig als Kommandant, Mutter! Und ohne angeben zu wollen, bin ich einer der fünf besten Heerführer des Landes und das auch nur, wenn von den übrigen noch alle leben, was ich angesichts des allgemeinen Chaos nicht zu hoffen wage. Allerdings bezweifle ich, dass ich allein meine Männer noch hätte zurückhalten können, die letzten Wochen haben zu viele Opfer von ihnen gefordert.“ Er holte tief Luft. „Niemand hatte auch nur Zeit zu kämpfen, Mutter! Keiner! Und doch gibt es natürlich Tote, ein paar, durch Tritte von Pferden zumeist. Doch im Wald, an einer Stelle, wo nach keiner mir bekannten Taktik IRGENDJEMAND etwas zu suchen hat, Mutter, findet ihr zielsicher die einzige Person, die tatsächlich an diesem Abend ermordet wurde, eine Aes Sedai. Ich will sofort wissen“ er sprach jetzt sehr erregt und blickte todernst in ihr ungerührtes Gesicht „was in der Burg geschehen ist, Egwene al'Vere!“

Sie lachte kurz auf. „Dann stünden wir morgen noch hier, Lord Bryne! Vielleicht habt Ihr sogar Recht mit Eurer Vermutung, aber mein Ta’vaeren ist anders. “ Sie wurde schlagartig ernst, als ihr ein völlig neuer Gedanke kam. „Es ist anders! Wie es verschiedene Arten von Behüterbünden gibt, so gibt es auch verschiedene Arten von Ta’vaeren! Bei Mat ist es Glück und bei Perrin sind es die Wölfe. Vielleicht färbt es sogar sozusagen ab, wenn man in der Nähe ist. Ich war andauernd von Ta’vaeren umgeben. Und“ sie überlegte weiter, da war noch etwas. „Mat und Perrin waren andauernd in Rands Nähe. Deshalb wurden sie stärker beeinflusst als ich!“ So könnte es sein. Beim Licht, Rands Ta’vaeren war möglicherweise ansteckend! Und noch etwas fiel ihr jetzt erst auf, sie hatte es vorher einfach übersehen. Es hatte zwar nichts mit Ta’vaeren zu tun, war aber trotzdem nicht unerheblich. „Sie hat gewusst, wie es geht! Sie war eine Grüne, sie muss es gewusst haben. Verdammt, sie hat absichtlich schwache Bünde gewoben, damit er es nicht merkt. Und die anderen vermutlich auch. Oder gibt es eine andere Erklärung?“ Und da war noch mehr, jede Grüne Ajah hatte... Doch Gareth Bryne unterbrach den nächsten Gedanken, bevor sie ihn richtig erfassen konnte.

„Ich verstehe kaum ein Wort von dem, was ihr sagt, Mutter. Ich verstehe nur eines, wir haben gewonnen und ich wüsste gerne wie und warum, Mutter. Ich hoffe, dass ihr irgendwann bereit sein werdet, mir diese Fragen zu beantworten, sofern ich Euch davon überzeugen kann, dass ich im Licht wandle.“ Er warf einen vielsagenden Blick auf die Asche am Boden. „Und darum möchte ich Euch einen Vorschlag machen: Wendet bei jedem, dem ihr unbedingt Vertrauen müsst, den Zwang an, Mutter! Ich melde mich freiwillig. Eure Behüter werden sich vermutlich darum Prügeln, also warum fangt ihr nicht an.“ Er sah ihr ruhig in die Augen. „Vertraut mir, Mutter.“

Egwene blickte zur Seite, doch es war nur eine Gewohnheit, sie spürte, die beiden kamen näher. Schnell wob sie den Zwang so leicht sie es vermochte. Hatte sie zuvor alles nur Mögliche aus ihrem Verstärkergewebe für ihre Stimme herausgeholt, so tat sie beim Zwang jetzt das Gegenteil und wob ihn bewusst schwach. „Wandelt Ihr wahrhaftig im Licht, Gareth Bryne?“

„Ja, Mutter.“

Sie ließ ihn sanft wieder los. „Ich habe nichts gespürt, Mutter.“ Er schien überrascht, das Bild der wimmernden Aes Sedai musste ihm den Eindruck vermittelt haben, es verliefe immer auf diese Weise. Dabei war er natürlich nicht in der Lage, die Eine Macht zu lenken, daher hatte sie den Zwang nur in sehr eingeschränkter Form benötigt.

„Ich bin gut, Lord Bryne, sehr gut sogar.“ Eine schlichte Feststellung, nichts weiter. Es gefiel ihr nicht, aber der Einsatz von Zwang schien ihr tatsächlich zu liegen, selten ging ihr ein so feines und flexibles Gewebe so leicht von der Hand.

„In der Tat, Mutter, meine Verehrung. Sicher wollt ihr jetzt einen Moment mit euren Behütern allein sein.“ Er ließ sie mit einer steifen Verbeugung stehen und ging fort. Einige grimmig wirkende Aes Sedai mit vor Anstrengung roten Gesichtern kamen ihm aus dem Wald entgegen, ein tapferer Mann.

Sie wandte sich an ihre zwei Behüter, so lang sie noch allein waren. „Ich weiß, wir müssen dringend reden, Gawyn. Und wir auch Erster Behüter. Jeder außer mir scheint Salak Turvalis zu kennen und ich habe keine Ahnung, woher. Vielleicht habt ihr sogar eine Ahnung, warum sich jeder meiner sechs Behüterbünde bei mir verschieden anfühlt, schließlich war Eure vorherige Aes Sedai eine Grüne. Aber wie dem auch sei, vier Schwestern ringen mit dem Leben, und meine höchste Pflicht ist es, diese Frauen zu beschützen, versteht ihr? Achtunddreißig Schwarze Ajah und eine Verlorene warten auf ihre Urteile und der Saal der Burg tritt bald erneut zusammen. Es wird eine Vollversammlung aller Aes Sedai stattfinden, noch heute, bei der ich den Vorsitz führen muss und, als wäre das noch nicht genug, werden uns die Seanchaner wahrscheinlich bald angreifen, wenn wir nicht zuerst zuschlagen. Übrigens, kein Wort darüber, dass ich statt fünf Behütern jetzt sechs habe, sonst ziehe ich Euch und Eurem Freund hier das Fell über die Ohren, verstanden! Irgendwelche Fragen?“ Sie ließ die drei stehen und schritt auf Tarna zu, die die Lichtung gerade betrat. Seltsamerweise spürte sie bei ihren beiden Behütern sofort das Gleiche: Wache Aufmerksamkeit, so wie sie es bei Behütern erwartet hatte. Höchstens eine Spur Verwunderung bei beiden, erstaunlich!

Die Aes Sedai schien tatsächlich etwas zu schnaufen, sie musste gerannt sein. Allerdings hielt sie sich besser, als die Schwestern, die sonst noch zu sehen waren.

„Ihr seid schnell, Mutter.“ Tarna hielt sich wirklich gut, sie stand völlig gerade und wirkte nach außen gelassen.

„Schnelligkeit bedeutet Leben auf dem Schlachtfeld.“ Ein weiterer von Mats Sprüchen. Sie spürte starke Überraschung beim Ersten Behüter, ein wenig auch bei Gawyn.

„Ich musste mir Eure Behüter ausleihen, um so schnell hier zu sein, Mutter. Sie sind leider etwas außer Atem, stehen Leane jetzt aber wieder uneingeschränkt zur Verfügung.“ Sie hatte sich tragen lassen? Tarna reagierte schnell, das musste man ihr lassen. Weitere Aes Sedai gesellten sich zu dem guten Dutzend, das schon anwesend war, einige davon auf Pferden, die sie irgendwie hatten auftreiben können, fast alles waren Sitzende, wie sie erkannte. Verblüfft entdeckte sie zwischen ihnen Sharina, die auf einem großen Rappen heranritt, neben ihr der prächtige Schimmel, auf dem sie selbst zum Treffen auf dem See in Murandy geritten war, die Zügel lagen fest in Sharinas Hand. „Was ist hier passiert?“ fragte ihre Behüterin der Chronik ernst und warf einen Blick auf die Tote und die vier Schwerverletzten.

Sie sagte nur „Folge mir, Tochter.“ und trat zu den Aes Sedai, die um die fünf am Boden liegenden Schwestern versammelt waren. Sie entdeckte Romanda, die den Kopf einer der Frauen berührte und vom Leuchten Saidars umgeben war. Die grauhaarige Gelbe schüttelte leicht den Kopf und erhob sich, als sie Egwene bemerkte.

„Ich kann nichts für sie tun, Mutter. Es ist schon ein Wunder, dass Ihr ihr Leben so lange erhalten konntet.“ sagte sie bedauernd.

„Lasst es mich mal versuchen, Romanda Sedai.“ sagte Sharina unwirsch, die inzwischen abgestiegen und nähergetreten war. Romanda musterte sie herablassend und öffnete den Mund, aber Egwene kam ihr zuvor.

„Hier, nimm die hier, Kind.“ Einem instinktiven Impuls folgend löste sie rasch ihre Halskette und reichte sie herüber.

Ein Prickeln war an ihrem ganzen Körper zu spüren, als Sharina die Halskette berührte und die Novizin erstarrte regungslos auf dem Fleck. Mehrere Aes Sedai schnappten überrascht nach Luft, auch sie hatten die feinen Stränge bemerkt, die aus der Kette gedrungen waren und Sharina umhüllt hatten, viel zu schnell, um mehr zu erkennen, als dass sie größtenteils aus Geist bestanden. Verdammt, daran hatte sie nicht gedacht, es musste einen Schutzmechanismus geben! Sie zog die Kette zurück und das Kribbeln verschwand, aber die Erstarrung blieb. Es musste doch möglich sein, die Halskette zu übergeben! Sie wirkte natürlich nur, wenn man sie trug, also legte sie rasch probeweise die Kette um Sharinas Hals und schloss sie. Es gab diesmal kein Prickeln, aber die Erstarrung löste sich sofort und das Gewebe verschwand spurlos. Die Novizin schnappte erschrocken und sicherlich auch überwältigt nach Luft, als plötzlich eine Menge an Saidar in sie strömte, die Egwene unter keinen Umständen hätte kontrollieren können. Sie musste instinktiv nach Saidar gegriffen habe, sobald sie es wieder konnte. Egwene ergriff fest ihre Schultern und blickte ihr ernst in Augen. „Wenn Du es damit nicht schaffst, schafft es niemand.“ stellte sie fest und die Frau vor ihr fasste sich rasch wieder und nickte ernst, bevor sie sich über die erste der Verwundeten beugte. Irgendwie wirkte Sharina jünger als früher, aber jetzt war keine Zeit, sich damit näher zu beschäftigen.

Egwene sah, dass alle Schwestern staunend die alte Großmutter musterten, die mehr Saidar hielt, als vermutlich seit dem Zeitalter der Legenden von einer einzelnen Aes Sedai gelenkt worden war. Auch dafür war jetzt keine Zeit! Mit dem Gewebe, das schon zuvor ihre Stimme verstärkt hatte, war sie überall gut zu hören: „Theodrin, Faolain, ihr nehmt auf der Stelle alle Schwestern, die keine Sitzenden sind, und folgt Lord Bryne schnellstmöglich zu den Truppen. Lasst alle heilen, die es nötig haben, und schickt alle anwesenden Schwestern dann umgehend ins Lager der Rebellen zurück, ihr selbst bleibst beim Heer.“ Leider waren die beiden die einzigen Anwesenden, die ihr den Eid geleistet hatten. „Lord Trakand, Ihr und Euer Gefolgsmann begleitet sie und sorgt dafür, dass es keine Übergriffe gibt. Setzt beide Truppen in Richtung Tar Valon in Marsch, dort werdet ihr weitere Anweisungen von mir erhalten, sobald ich es einrichten kann.“

„Zu Befehl, Mutter!“ kam es sofort von allen Genannten zurück und sie setzten sich in Bewegung. Das Wort, das am geeignetsten schien, um Gawyns Gefühle zu beschreiben, war „schicksalsergeben“, sicher sah er ein, dass seine Männer ihn jetzt brauchten.

Die Blicke aller anwesenden Sitzenden waren jetzt prüfend Egwene zugewandt, wie sie zufrieden feststellte. Es war mehr als nur ungewöhnlich, zwei so jungen Schwestern eine solche Aufgabe anzuvertrauen, für die Sitzenden aus der Burg waren beide sogar noch Aufgenommene. Fast alle hielten Saidar fest. Ohne jedoch darauf zu achten, wandte sie sich ohne den Stimmverstärker an Tarna: „Den Eidstab, bitte.“ Sie streckte ihre Hand aus und Tarna zögerte nicht.

Rasch wob sie einen Lauschschutz, der die gesamte Lichtung umgab und folgte mit ihrem Blick auffällig den letzten einfachen Schwestern, die es plötzlich eilig hatten, die Lichtung zu verlassen. Wenige Sekunden später war die Lichtung bis auf sie selbst, ihren Ersten Behüter, Sharina und die Verwundeten, Tarna Feir und – wie sie schnell zählte – ganze neunundzwanzig Sitzende verlassen, wenn man von den Behütern absah. Anscheinend war Delana noch nicht ersetzt worden. Ihre beiden Behüter, die sicherlich wieder Leane begleiteten, nachdem sie Tarna bis zum Tor im Wald getragen hatten, spürte sie in der Richtung, die Lord Bryne eingeschlagen hatte, vermutlich suchten sie noch nach Siuan.

Sie wandte sich an die Aes Sedai, die sie jetzt unsicher musterten, wobei sie den Stimmverstärker etwas zurücknahm. „Was jetzt kommt ist der Flamme versiegelt.“ Ihre Stimme war überall gut zu hören und das war auch gut so, für das was jetzt kam sogar notwendig. „Jede Aes Sedai, die nicht sofort Saidar loslässt, wird auf der Stelle von mir gedämpft.“ Sie sprach ganz ruhig und wob sechs extrem scharfe Klingen aus Geist. Hastig ließen alle Saidar fahren und Egwene ließ die Klingen wieder verschwinden.

„Du natürlich nicht, Tarna.“ Ihre Behüterin der Chronik hatte nur einmal kurz die Macht gelenkt, um die Verletzten zu untersuchen. Offensichtlich konnte sie nichts machen und ließ Saidar gleich wieder los. Jetzt griff sie nach Saidar, noch bevor Egwene ausgesprochen hatte.

„Diese fünf Schwestern hier wurden von einer Schwarzen Ajah gefoltert, bevor ich einschreiten konnte. Ich habe diese Schattenfreundin überwältigt, vor Zeugen ihr Geständnis bekommen und sie anschließend gedämpft und hingerichtet.“ Sie wies beiläufig auf die Stelle, an der die Asche lag und die, die in der Nähe standen, wichen erschrocken zurück. „Jede einzelne von Euch kommt jetzt zu mir, schwört auf den Eidstab den ersten Eid und wiederholt folgenden Satz wörtlich: „Ich wandle wahrhaftig im Licht.“ Jede Aes Sedai, die sich weigert, unterwerfe ich Kraft meiner Befugnis als Amyrlin durch den Zwang, da der Verdacht besteht, dass es sich bei Verweigerern des ersten Eides um Schattenfreunde handelt. Jede Vollschwester der Weißen Burg wird bei der bevorstehenden Vollversammlung dasselbe tun. Tarna, Du führst Buch. Pevara, mit Dir fangen wir an.“

Die Angesprochene zögerte nicht – schließlich kannte sie das ja bestimmt schon – und nach zehn Sekunden war es vorbei. „Die nächste.“ Innerhalb von höchstens zehn Minuten legten alle anwesenden Schwestern den Eid ab und wiederholten diesen einen Satz „Ich wandle wahrhaftig im Licht.“ Einige klangen stolz, wie Pevara. Andere wirkten grimmig oder beleidigt und manche schienen sich vor ihr sogar zu fürchten. Romanda und Lelaine überboten sich an Gelassenheit. Keine einzige zögerte.

Kurz bevor sie mit der letzten fertig war, hatte Sharina beendet, was immer sie getan hatte, und stand jetzt neben den vier Aes Sedai. Sie wirkte beinahe schüchtern für ihre Verhältnisse und hielt nicht mehr die Eine Macht. Zweimal bemerkte Egwene, wie ihre Hände zu ihrem Hals zuckten, doch beide Male hielt sie vorher inne und nahm sie wieder herunter. Vermutlich war das eine gute Idee.

Als die letzte Sitzende – keine einzige war eine Schattenfreundin gewesen – von ihr zurücktrat, wandte sie sich den Verwundeten zu und fand durch ihre Tiefenschau schnell heraus, dass alle vier völlig wiederhergestellt zu sein schienen. Sie löste die Erhaltungsgewebe und die Schwestern regten sich stöhnend. „Romanda!“ rief Egwene im Befehlston und sofort trat die Gelbe auf die Frauen zu, gefolgt von den übrigen fünf Gelben Sitzenden. Jeder Streit um Amyrlins war im Angesicht verletzter Schwestern offenbar zumindest für die Gelben bedeutungslos, das war durchaus ein Anlass zur Hoffnung für die Weiße Burg. Rasch murmelten die Gelben den vier Schwestern beruhigend zu und versetzten sie dann in einen tiefen Schlaf, der vermutlich jetzt das beste für sie war.

Sie trat auf Sharina zu und nahm ihr das Sa'angreal mit einem „Gute Arbeit, Tochter.“ wieder ab. Schnell legte sie es wieder um ihren eigenen Hals und fühlte sich erleichtert, es wieder dort zu spüren. Es wirkte so vertraut an ihrer Haut.

„Verzeiht, Mutter, aber ich bin noch Novizin.“ wandte Sharina vorsichtig und respektvoll ein.

„Ab jetzt nicht mehr, ich ernenne Dich hiermit zur Aufgenommenen. Und jetzt leiste den Ersten Eid, sag das Sprüchlein auf und nehme den Eid dann sofort zurück, Tochter.“ Sie zögerte nicht, als Egwene ihr ruhig den Eidstab hinhielt, sondern tat ruhig wie geheißen.

„Was ist mit mir, Stärkste Mutter?“ fragte Salak Turvalis nicht ganz unerwartet leise von der Seite her. Gelegentlich waren Unsicherheit und Besorgnis durch seine Konzentration gesickert und sie hatte geahnt, was der grund dafür sein musste. Egwene wiederholte blitzschnell den Zwang, wie sie ihn bei Gareth Bryne benutzt hatte. Er brauchte kaum Saidar und war beunruhigend einfach zu weben.

„Bist Du ein Schattenfreund?“ fragte sie ganz direkt.

„Nein, Stärkste Mutter. Aber wie kann ich...“

„Dann ist ja gut.“ unterbrach sie seinen Versuch, etwas zu erklären, dass längst bewiesen war, und richtete den Blick bereits wieder auf Tarna Feir, die ungerührt neben ihr stand. Mehrere der Sitzenden schnappten nach Luft, als sie das Zwangsgewebe im Handumdrehen wieder zurückzog und fallen ließ. Einige der übrigen Behüter hatten zumindest mitbekommen, dass etwas Ungewöhnliches vorgefallen sein musste, aber bevor einer von ihnen ähnliche Anwandlungen wie Salak zeigte, wandte sie sich rasch an Tarna Feir. „Hast Du alle Namen, Behüterin der Chronik?“

„Ja, Mutter.“ kam es gelassen zurück.



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