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Wir schreiben den 18. Nesan Einleitung Der Autor RJ's Blog Buchübersicht Buchdetails Handlung Kurzgeschichte Weitere Produkte Enzyklopädie Personen Heraldik Alte Sprache Prophezeiungen Namensgenerator
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Die Sitzung geht weiter Nach etwa zehn weiteren, eher schweigsamen Minuten waren endlich alle Sitzenden im Saal. Alle studierten bereits Tarnas Protokoll und unterhielten sich nur wenig und gedämpft. Sie selbst führte natürlich den Vorsitz, Salak Turvalis stand hinter ihr und Mesaana regungslos und gefesselt in einer Ecke. Vermutlich würde sie diesmal nicht mit Salaks Anwesenheit durchkommen, der Krieg war immerhin vorbei, aber es war einen Versuch wert. Das würde ihr viel über die neuen Verhältnisse im Saal verraten. Sie unterdrückte ein Lächeln, als sie sich erneut die beste Szene der letzten Minuten ins Gedächtnis rief: Tarna stand bei der Tür und drückte einer ausgeglichen wirkenden Romanda, die gerade mit ihren Gelben ankam, ein Protokoll in die Hand. „Hier machen wir weiter, Romanda.“ erklärte sie ihr beiläufig und deutete auf das Ende der etwa dreißig Seiten. „Bitte mache Dich mit dem Protokoll bekannt, bevor wir anfangen.“ Romanda nahm das Protokoll und nickte lediglich, bevor sie gelassen mit den anderen ihre Plätze im Saal bezog. Dann allerdings verteilte sie hektisch Teile des Protokolls an ihre Sitznachbarn und begann intensiv zu lesen. Egwene war nicht wirklich überrascht, Myrelle unter den Sitzenden der Grünen zu sehen, sie mussten glauben, sie besäße einen gewissen Einfluss auf sie, der nützlich sein mochte. Niemand hier konnte wissen, dass es genau andersherum war. Myrelle war allerdings nicht die einzige Anwesende, die zuvor keinen Sitz inne gehabt hatte, und unter den übrigen waren einige, die nach dem, was sie von den Treffen beobachtet hatte, wahrscheinlich die Anführerinnen ihrer Ajah waren. Laut Siuan war es bei einigen Ajahs durchaus üblich, dass deren Anführerinnen auch einen Sitz im Burgsaal einnahmen. Im Grunde konnte Siuan das nur von den Blauen sicher wissen, überlegte sie jetzt, also war vermutlich Lelaine die Anführerin der Blauen. Egwene fragte sich, ob nicht vielleicht sogar alle Ajahs heute derartig vertreten waren, Pevara und Javindhra jedenfalls begegneten der neu hinzugekommenen Tsutama mit deutlich sichtbarem Respekt. Alle Ajahs – außer den Roten und den Blauen natürlich – wurden jetzt von Sitzenden vertreten, die aus Elaidas Anhängerinnen und den Rebellen zusammengesetzt waren. Ihr fiel auch auf, dass das Durchschnittsalter der Sitzenden deutlich gestiegen war. Es gab keine Ausrutscher nach unten mehr, wie zuvor in beiden Burgsälen. Als letzte war jetzt die Weiße Ajah eingetroffen, kaum ein Wunder, diskutieren lag ihnen einfach zu sehr. Sie waren zehn Minuten über der Zeit. Egwene beschloss, dass jetzt genug gelesen worden war und erhob sich. Sofort eröffnete Tarna die Sitzung, Romanda wob als offenbar Älteste den Lauschschutz und es herrschte wieder Stille, als alle mehr oder weniger gelassen zu Egwene blickten. Tarna hatte bereits mit der Fortführung des Protokolls begonnen, während sie ihren aufmerksamen Blick schweifen ließ, und bekam dafür einige verblüffte Blicke von ehemaligen Anhängerinnen Elaidas ab, weil sie nicht vom Leuchten Saidars umgeben war. „Na endlich, schön, dass ihr es alle geschafft habt. Wer noch keine Zeit hatte, das Protokoll zu lesen, tut dies bitte im Anschluss an diese Sitzung. Folgendes steht auf dieser Sitzung an, nachdem die Frage der Amyrlin entschieden ist: Erstens: Die Urteile über achtunddreißig Schwarze Ajah. Zweitens: Das Urteil über Mesaana. Drittens: Die Wiederherstellung der vollen Verteidigungsfähigkeit der Weißen Burg, einschließlich der Reorganisation unseres Heeres in Vorbereitung auf Tarmon Gaidon. Viertens: Der Beschluss über die Behüter aus der Schwarzen Burg. Fünftens: Die Vorbereitung des Angriffs auf den Schattenfreund Mazrim Taim und die Befreiung der in der Schwarzen Burg gefangenen Schwestern. Sechstens: Der Vertrag der Weißen Burg mit dem Meervolk. Siebtens: Die Entscheidung über die freien Machtlenkerinnen des Landes, von denen es knapp zweitausend gibt. Achtens: Bündnismöglichkeiten der Weißen Burg angesichts der veränderten Lage. Neuntens: Mögliche Präventivmaßnahmen angesichts der Bedrohung durch die Seanchan. Zehntens: Sonstiges. Legen wir los. Stimmen zur Tagesordnung?“ Den meisten Sitzenden grauste es anscheinend vor dieser Fülle, mit jedem dieser Punkte konnte man Tage verbringen und es wurde draußen bereits dunkel. Kein Wunder, wenn sich niemand zu Wort meldete, keine wollte die Sitzung unnötig verlängern. Kein zweiter Blick fiel auf Salak Turvalis, sehr gut. Doch dann erhob sich Lelaine: „Was ist mit Elaida, Mutter?“ Egwene war sicher gewesen, dass diese Frage käme und hatte ihre Antwort parat. „Die fällt unter Sonstiges, Tochter. Weitere Stimmen?“ Diesmal blieb es still. Lelaine wirkte zufrieden, als sie sich setzte. Keine der drei Roten zeigte auch nur die kleinste Regung. „Zu Punkt eins: Ich stelle den Antrag, dass alle achtunddreißig Schwarzen Ajah zur Dämpfung mit anschließender Hinrichtung verurteilt werden. Natürlich werden vorher alle ihre Aussagen aufgezeichnet. Stimmen zum Antrag?“ Sie würde wahrscheinlich nicht daran vorbei kommen, zumindest einige wieder zu begnadigen, aber das erwähnte sie vorerst lieber nicht. Niemand rührte sich. „Wer ist für den Antrag?“ Eilig erhoben sich alle Sitzenden. Sie wollten, wie erwartet, diesen Schandfleck so schnell wie möglich beseitigt sehen. „Antrag einstimmig angenommen.“ verkündete Tarna. Egwene fuhr ruhig fort. „Damit das Urteil schnell vollstreckt werden kann, ordne ich folgende Verfügung an: Jede Ajah stellt mindestens eine Schwester ab, die die Aussagen der Schwarzen Ajah vollständig zu protokollieren hilft.“ Es würde dazu beitragen, die Ajahs wieder zusammenzuführen, hoffte sie. Sicher würde jede Ajah mehr als eine schicken und zumindest darin, im Licht zu wandeln, waren sie sich einig. „Sobald die Protokolle durch die Behüterin der Chronik bestätigt wurden, wird das Urteil vollstreckt. Zu Punkt zwei: Jede Aes Sedai, die Mesaana nicht gedämpft und hingerichtet sehen möchte, möge sich jetzt erheben.“ Das war ungewöhnlich, aber zulässig. Als niemand aufstand, fuhr sie fort „Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als zu versuchen, Euch davon zu überzeugen. Mesaana, öffne Dich der Verknüpfung.“ Blitzschnell hatte sie deren Ohren für diesen Befehl geöffnet und umarmte Saidar mit voller Kraft durch die Verlorene hindurch. „Sitzende, versucht, mich abzuschirmen, das ist ein Befehl.“ „Das können wir nicht, Mutter.“ wandte Saerin ruhig ein, während einige Sitzende bereits vom Leuchten Saidars umgeben waren. „Ganz genau, Saerin, Grund eins, warum Mesaana lebend nützlicher ist.“ Sie ließ Saidar wieder los, die Ohren Mesaanas jedoch weiterhin unverschlossen. Auch die übrigen ließen Saidar wieder fallen, aber einige Blicke richteten sich vorher beunruhigt auf die Verlorene. Ihre Stärke in der Macht stellte selbst Sharinas in den Schatten, wenn auch nur knapp. „Wer von Euch war vor der Gefangennahme Mesaanas von der wiedererlangten Freiheit aller Verlorenen fest überzeugt, Sitzende?“ fragte sie dann in die Runde. Als sich wie erwartet keine einzige meldete, stellte sie fest: „Grund zwei. Wir können andere nur dann von der akuten Bedrohung durch die Verlorenen überzeugen, wenn wir ihnen Mesaana als abschreckendes Beispiel präsentieren. Zu Grund drei: Mesaana verfügt über eine Menge an Kenntnissen über den Dunklen König, die Verlorenen, die Schwarze Ajah, Schattenfreunde und uns unbekannte Gewebe, für die man Jahre bräuchte, um sie aufzuzeichnen. Selbst, wenn sie wollte, könnte sie uns nicht mit allen relevanten Informationen ausstatten, da sie selbst nicht weiß, welche Informationen bei Tarmon Gaidon nützlich sein werden. Durch die drei Eide und einen Gehorsamseid gebunden, stellt Mesaana bis auf weiteres keine Bedrohung mehr dar. Sind jetzt vielleicht einige Sitzende der Meinung, Mesaana dürfe noch nicht hingerichtet werden?“ Zunächst erhoben sich nur Saerin und Yuriki. Myrelle wirkte etwas unsicher, tat es ihnen dann aber gleich. „Danke für Euer Vertrauen.“ sagte sie mit einem Nicken zu allen dreien und hieß sie wieder sitzen. „Kommen wir zum wichtigsten Grund, warum wir Mesaana auf keinen Fall töten dürfen: Bei der Befragung kurz vor Beginn dieser Sitzung machte Mesaana einige sehr beunruhigende Aussagen, die sich mit einigen scheinbar unerklärlichen Beobachtungen, die gemacht wurden, decken. Es steht zweifelsfrei fest, dass es eine Frau gibt, welche Saidin lenken kann. Nach Mesaanas Aussage handelt es sich bei dieser Frau, die sich selbst zwar als Halima Saranov bezeichnete, aber unter den Verlorenen offenbar als Aran'gar bekannt ist, mit Sicherheit um einen der Verlorenen. Mesaana behauptet nun – und sie kann nicht mehr lügen! – der Dunkle König habe der Seele eines der getöteten männlichen Verlorenen offenbar einen neuen Körper gegeben, genau wie versprochen. Nur war es eben der Körper einer Frau. Da in diesem Körper jedoch eine männliche Seele steckt, kann der Verlorene in diesem Körper natürlich Saidin lenken. Alle Verlorenen, die während der letzten Jahre im Kampf getötet wurden, also soweit mir bekannt sind Aignor, Balthamael, Ishamael, Be’lal, Sammael, Rahvin und Lanfear sind möglicherweise bereits wieder unter den Lebenden. Mesaana ist sich nicht völlig sicher, glaubt aber offenbar, dass Lanfear sich in ihrem neuen – wenigstens weiblichen – Körper jetzt Cyndane nennt. Es wäre übertrieben zu behaupten, Mesaana freue sich auf ihre Hinrichtung, aber offenbar hofft sie mit gutem Grund auf ein zweites Leben. Tatsächlich hat sie bereits versucht, Selbstmord zu begehen, um so in den Dienst des Dunklen Königs zurückkehren zu können. Mesaana, stimmt das alles?“ Ein hasserfülltes und verzerrtes „Ja, Mutter.“ kam aus der Ecke, sobald sie kurz den Knebel löste. „Ihr seht also, verehrte Sitzende, wenn wir Mesaana töten, besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass ihre Seele durch den Dunklen König in einem neuen Körper zurückgeschickt wird. Wie wollt ihr sie dann finden, Sitzende, wenn sie einen völlig anderen neuen Körper hat?, sagt mir das. Selbst wenn wir sie vorher dämpfen und die Dämpfung auch nach ihrer Wiedergeburt bestand hat, wissen wir alle, dass eine Heilung keineswegs mehr ausgeschlossen ist. Und wenn wir sie nicht dämpfen, bevor wir sie töten, haben vielleicht die geleisteten Eide weiterhin Bestand, aber sie wird mit Hilfe des Dunklen Königs sicherlich in der Lage sein, sich wieder davon zu befreien. Alles, was dazu nötig wäre, ist ein weiterer Eidstab, der die Zeiten überdauert hat.“ Es herrschte Stille im Saal. Viele Sitzende sahen blass aus. „Ich stelle den Antrag, Mesaana unbefristet zur Zwangsarbeit einzusetzen, damit sie hilft, den Schaden wieder gut zu machen, den sie mit verursacht hat. Stimmen zum Antrag?“ Sie wartete nur einen kurzen Augenblick, bevor sie fortfuhr. „Keine? Dann bitte ich um Abstimmung, wer ist für den Antrag?“ Diesmal erhoben sich alle Sitzenden. „Antrag einstimmig angenommen.“ stellte Tarna pflichtgemäß fest und Egwene wandte sich an die Verlorene. „Mesaana, hiermit bist Du zu unbefristeter Zwangsarbeit verurteilt.“ Sie verschloss wieder ihre Ohren, wob zusätzlich noch ein undurchsichtiges Gewebe aus Luft und Wasser vor ihren Augen und wandte sich ruhig wieder an die Sitzenden „Zu Punkt drei: Ich schlage vor, mit der Besprechung der Burgverteidigung noch zu warten, bis auch der Befehlshaber der Burgwachen, Hochkapitän Chubain, sowie Gareth Bryne und Gawyn Trakand, die Befehlshaber der Truppen außerhalb der Burg, hier sind. Irgendwelche Einwände? Nein? Gut, dann weiter zu Punkt vier: Der Saal der Burg hat auf ein Angebot des Wiedergeborenen Drachen hin beschlossen, siebenundvierzig Machtlenker aus der Schwarzen Burg als Behüter zu binden. In Unkenntnis dieses Beschlusses hat meine Behüterin der Chronik gemeinsam mit fünf Roten Schwestern die Schwarze Burg bereits vor einigen Tagen aufgesucht. Zusammengenommen haben diese Schwestern dort siebzehn Behüter an sich gebunden.“ Die drei Roten Sitzenden wirkten von dieser Eröffnung unbeeindruckt, aber bei den übrigen traf diese Information wie erwartet einen empfindlichen Nerv. Sie ignorierte das allgegenwärtige Geraune und die ungläubigen Blicke, denen ihre Behüterin der Chronik plötzlich ausgesetzt war, und fuhr einfach etwas lauter fort. „Nach Angaben meiner Behüterin der Chronik wurde dies möglich, da die Rote Ajah in völligem Einklang mit dem Burggesetz neue Behüterregelungen beschloss. Es ist seit etwa zwei Wochen auch Roten Ajah gestattet, Behüter zu nehmen. Allerdings sind für sie nur solche Männer zugelassen, welche Saidin lenken können. Es ist wohl unbestritten, dass die Rote Ajah in der Tat die meiste Erfahrung im Umgang mit männlichen Machtlenkern besitzt.“ Sie machte eine kurze Pause, um die Worte sinken zu lassen. Egwene hatte gehofft, den drei Roten durch die letzte Feststellung etwas entgegen zu kommen, nachdem sie Elaida vorhin so herabgewürdigt hatte. Allerdings blieben alle drei auch jetzt unbewegt. „Nun hat die Weiße Burg also laut dem Abkommen mit dem Wiedergeborenen Drachen nur noch Dreißig Männer frei. Da passenderweise sechs Ajahs leer ausgegangen sind, stelle ich folgenden Antrag: Jede Ajah darf fünf Schwestern in die Schwarze Burg schicken, die je einen Behüter bekommen. Da auch genau fünf Rote Schwestern Behüter aus der Schwarzen Burg gebunden haben, verfügt dann jede Ajah über fünf Schwestern mit Behütern aus der Schwarzen Burg. Zwei der Männer fallen durch die Behüterin der Chronik indirekt dem Amyrlin-Sitz zu. Stimmen zum Antrag?“ Natürlich gab es noch die vier Schwestern, die bei Rand waren, aber die schienen jetzt ihm zu folgen und nicht mehr der Weißen Burg. Mehrere Sitzende fanden gute Worte für diesen Vorschlag und bald war dieser Antrag ebenfalls einstimmig beschlossen. „Zu Punkt fünf. Es steht fest, dass der sogenannte „M'Hael“ der Schwarzen Burg, Mazrim Taim, ein Schattenfreund ist. Es steht weiterhin fest, dass sich einundfünfzig Aes Sedai genau jetzt als Gefangene bei ihm in der Schwarzen Burg befinden. Hat jemand Vorschläge, wie die Weiße Burg in dieser Situation reagieren sollte?“ Mehrere Sitzende hielten es sehr nachdrücklich für eine gute Idee, die Schwestern zu befreien, aber zum Wie hatte wie erwartet keine einzige einen brauchbaren Vorschlag parat. Nach fünfzehn Minuten ergebnisloser Diskussion übernahm Egwene wieder das Wort. „Angesichts der allgemeinen Ideenlosigkeit des Saals der Burg zu diesem Thema war es offensichtlich eine gute Idee, meinerseits bereits erste Maßnahmen diesbezüglich getroffen zu haben.“ sagte sie gelassen. Überrascht und beleidigt wollten die Sitzenden wissen, was sie unternommen hätte. Gelassen gab sie Auskunft: „Ich habe meine erste Adjutantin, Sharina Melloy, zu Logain Ablar geschickt. Sie wird zur Sicherheit von Tarna Feirs zwei Behütern begleitet, welche sicherlich dessen Aufenthaltsort schnell ausfindig machen können. Sharina hat den Auftrag, Logain so schnell wie nur möglich hierher zu holen. Ich habe ihm selbstverständlich freies Geleit zugesichert. Logain Ablar ist mir etwas schuldig, er wird kommen. Er hat freien Zugang zur Schwarzen Burg und dort anscheinend sogar Gefolgsleute, die ihm treu ergeben sind.“ Meister Benakra hatte sie mit seinem Auftritt davon überzeugt, dass es so sein musste. „Mit ihm und Gareth Bryne auf unserer Seite haben wir eine gute Chance, einen wirksamen Plan aufzustellen. Seine Qualitäten als Heerführer hat Logain ja bereits unter Beweis gestellt.“ Dass Logain laut Tarnas Behütern gleich zwei Schwestern an sich gebunden hatte, konnte er ihnen selbst beibringen. In Anbetracht dessen, was noch folgen würde, was es sicherlich besser, nicht zu erwähnen, dass sie Nicola zugleich zu Elayne geschickt hatte. Der Vertrag mit dem Meervolk war nicht zuletzt auf ihrem Mist gewachsen. „Sitzende,“ sie sprach plötzlich scharf und sehr deutlich „ich habe einen Grund dafür, Euch dies alles zu berichten, obwohl es in meiner Befugnis liegt, kein Wort darüber zu verlieren, welche Aufträge ich meinen Adjutantinnen erteile. Wollt ihr wissen, warum ich Euch dies und noch weiteres ganz offen sagen werde, Sitzende?“ Sie hatte Logain erwähnen müssen, aber es war wichtig, schnellstmöglich die Gedanken der Sitzenden anderweitig zu beschäftigen. Später konnte niemand behaupten, dass sie es dem Saal nicht vorher verkündet hatte, das war das Wichtigste. Außerdem durfte sie die Sitzenden nicht zur Ruhe kommen lassen, wenn sie die Oberhand behalten wollte. Schnelle Themenwechsel waren dazu ein nützliches Mittel. Vereinzeltes „Ja, Mutter“ war zu hören. „Weil Vertrauen das einzige ist, Sitzende, wirklich das einzige, das uns zum Sieg über den Dunklen König verhelfen kann. Der Wiedergeborene Drache wird die Schlacht gegen den Schatten letzten Endes entscheiden, aber ohne unsere Unterstützung wird er Tarmon Gaidon nicht einmal erreichen, davon bin ich überzeugt. Ohne die vereinigte Unterstützung aller Schwestern der Weißen Burg wird er scheitern müssen. Wir können eine solche Unterstützung aber nur dann gewährleisten, wenn alle Aes Sedai einander bedingungslos vertrauen können und zusammenarbeiten. Nach meiner Rückkehr in die Weiße Burg war ich schockiert über die Feindseligkeit, die sämtliche Ajahs untereinander zur Schau stellten. Es gab sogar Übergriffe auf Aes Sedai, nur weil sie die Quartiere einer anderen Ajah betraten! Zu einem Großteil zeichnen sicherlich die Machenschaften der Schwarzen Ajah dafür verantwortlich, aber es bleibt eine Tatsache, dass praktisch sämtliche Schwestern sich daran beteiligten. Nicht zuletzt die Abspaltung der Rebellen macht das eindeutig. Ich bete, dass die entstandenen Wunden schließlich heilen werden, und werde dafür alles tun, was in meiner Macht steht. Dasselbe erwarte das auch von Euch, die ihr das Vertrauen Eurer Ajahs genießt. Mit der Prüfung, die ich durchgeführt habe, ist ein guter Anfang gemacht, um unser Vertrauen zueinander zu stärken, denn wir können jetzt absolut sicher sein, keinem Schattenfreund gegenüber zu stehen, und viel offener miteinander sprechen. Wenn die Amyrlin nicht einmal ihrem Saal der Burg vertrauen kann, wem dann?“ Sie reckte sich und ließ ihren Blick schweifen, hatte mehr enthüllt, als zu erwarten gewesen wäre. Und weitere Enthüllungen würden folgen. Natürlich durfte sie nicht alles preisgeben, dessen sie sich bewusst war, aber die Sitzenden sollten zumindest diesen Eindruck gewinnen. „Weitere Stimmen zu Punkt Fünf?“ Diejenigen der Sitzenden, die Egwene im Verdacht hatte, die Anführerinnen ihrer jeweiligen Ajah zu sein – und Myrelle, die diese Position dann möglicherweise bei den Grünen einnahm – melden sich nacheinander zu Wort und erklärten, ihr Bestes zu Heilung der Weißen Burg beitragen zu wollen. Es kamen keine Fragen zu Logain, sie hatte den Zeitpunkt gut gewählt. Doch vermutlich würden später noch einige darauf zurückkommen, inwiefern er ihr etwas schuldete. Sie spürte, dass Salak Turvalis etwas sagen wollte, als sich keine weiteren Sitzenden zu Wort meldeten, gebot ihm aber Einhalt. Es lief gut, kein Grund, jetzt den Fluss zu stören. „Da es zur Lage bezüglich der Schwarzen Burg offenbar keine weiteren Stimmen gibt, vertage ich Punkt fünf, bis Logain eintrifft. Zu Punkt sechs: Ist einer der anwesenden Sitzenden die Vereinbarung bereits geläufig, die in Ebou Dar mit dem Meervolk getroffen wurde, um das Wetter zu heilen?“ Natürlich nicht, sie hatten keine Ahnung. Hierauf freute sie sich nicht. Um die damalige Notwendigkeit raschen Handelns zu betonen, rief sie den Sitzenden das ungewöhnliche Wetter dieser Zeit in Erinnerung und fuhr dann fort: „Obwohl die Heilung des Wetters unter Leitung einiger der stärksten Machtlenkerinnen des Meervolks ein Erfolg und ein großer Schlag gegen den Dunklen König war, werden Euch die Vereinbarungen, die die Aes Sedai vor Ort notgedrungen trafen, nicht gefallen. Diese waren zum Ersten, dass das Ter'angreal, welches verwendet wurde, genannt die Schale der Winde, dem Meervolk überlassen werden musste.“ Sie ignorierte die finsteren Blicke und das um sich greifende Stirnrunzeln im Saal und machte weiter, da musste sie jetzt durch. „Dies war zum Zweiten, dass die Weiße Burg jeder Schwester aus dem Meervolk ihren Abschied als Aes Sedai und die Rückkehr zu ihrem Volk gestatten muss.“ Ungläubiges Raunen im Saal. Sie ignorierte auch dies, hob lediglich eine Hand, damit es wieder ruhiger wurde. Ursprünglich hatte sie die Sitzenden langsam an dieses Thema heranbringen wollen, aber jetzt war es kaum mehr als eine Ablenkung für das, was sie für die Kusinen geplant hatte – wenn es denn klappte. „Dies war zum Dritten und Letzten, dass die Weiße Burg den Windsucherinnen zwanzig Aes Sedai als Lehrerinnen für je mindestens ein Jahr unentgeltlich zur Verfügung stellen muss.“ Es brauchte eine Weile, bevor sich nach diesen Worten wieder Ruhe im Saal ausbreitete. Wenigstens hatte noch niemand mit dem Finger auf sie gezeigt. Sie rief die Sitzenden zur Ordnung, keine von ihnen hatte ums Wort gebeten, stellte sie trocken fest. „Da die Windsucherinnen des Meervolks, wie jeder von Euch sicherlich klar ist, ihren Teil der Abmachung bereits erfüllt haben, sind jetzt wir gefordert. Ihr könnt Euch sicher sein, dass ich nicht weniger als ihr über das mangelnde Verhandlungsgeschick der Aes Sedai vor Ort bestürzt war, als ich davon erfuhr. Dieses liegt zum Teil sicher in der Abneigung begründet, die das Meervolk traditionell den Aes Sedai entgegenbringt. Wer von Euch ist schon mal mit einem Schiff des Meervolks gereist, Sitzende?“ Sie war nicht überrascht, dass keine einzige im Saal je ein Schiff des Atha'an Miere betreten hatte. Einige hatten es bereits versucht, aber jeder war die Fahrt verweigert worden. Die Sitzenden begannen zu zweifeln, sehr gut. „Der Grund für diese Verweigerungshaltung war, zu verhindern, dass die Weiße Burg davon erfährt, dass die jedes ihrer Schiffe begleitenden Windsucherinnen die Eine Macht lenken können.“ Manche Sitzende schienen von dieser Eröffnung kaum überrascht, doch die meisten warfen ihr ungläubige Blicke zu. „Ich habe keine genauen Zahlen, aber wir können vorläufig davon ausgehen, dass es mindestens Tausend machtlenkende Windsucherinnen gibt.“ Natürlich waren es deutlich mehr. Jede der Sitzenden würde bereits ihre eigene Schätzung haben und sichtlich gefielen sie ihnen nicht. „Ein weiterer wesentlicher Faktor beim Abschluss des Vertrages war sicherlich auch, dass Aes Sedai normalerweise nicht gewohnt sind, wie Händler zu feilschen und das Meervolk ist für sein Verhandlungsgeschick berühmt. Der entscheidende Punkt war jedoch mangelnde Zeit. Schattenfreunde, die Schwarze Ajah und ein Gholám waren zu der betreffenden Zeit ebenfalls in Ebou Dar aktiv. Nur durch pures Glück wurde keine der Schwestern durch den Gholám getötet, denn wie ihr sicherlich wisst, sind Gholáms immun gegen die eine Macht.“ Woher hatte Mat das bloß gewusst?, Elayne hatte keine Erklärung dafür gehabt. Sie war sicher, dass keine einzige der Anwesenden je von etwas wie dem Gholám gehört hatte, aber dieses Unwissen jetzt zuzugeben, lag natürlich nicht im Bereich des Möglichen, soweit es die Sitzenden anging. Die meisten wirkten, als hätten sie etwas sehr Saures im Mund. „Es wurde sogar eine der Schwarzen Ajah gefangengenommen, auch wenn diese genau wie Adeleas Sedai später leider einem Attentat durch Schattenfreunde zum Opfer fiel; offenbar um weitere Aussagen zu verhindern. Der dortige Angriff der Seanchaner fand nur zwei bis drei Stunden nach dem hastigen Aufbruch besagter Schwestern aus Ebou Dar statt. Dies war noch während die Schale der Winde eingesetzt wurde. Als in Ebou Dar die Schlacht mit den Seanchanern tobte, setzten zeitgleich die Aes Sedai etwa vierzig Meilen von der Stadt entfernt mit der Schale der Winde den Einfluss des Dunklen Königs auf das weltweite Wetter außer Kraft – spürbar auch hier in Tar Valon, wie ihr Euch vermutlich erinnert. Nur durch abermaliges Glück gelang den Schwestern und den sie begleitenden Windsucherinnen die Flucht vor den auf Flugtieren wie Raken und To'raken heranrückenden Truppen der Seanchan, die auch von zahlreichen Damane unterstützt wurden. Es gelang ihnen sogar, eine stattliche Anzahl ortsansässiger Machtlenkerinnen ebenfalls der Gefangennahme durch die Seanchan zu entziehen. Ich denke, angesichts dieser Umstände ist die Weiße Burg noch gut davongekommen, was denkt ihr, Sitzende?“ „Ortsansässige Machtlenkerinnen, Mutter?“ fragte Myrelle neugierig „Meint ihr diese Schwesternschaft in Ebou Dar? Das können doch nicht allzu viele sein.“ Sie gab sich leicht überrascht. „Hast Du nicht zugehört, als ich die Tagesordnung vortrug, Myrelle? Es gibt fast zweitausend Mitglieder der Schwesternschaft, etwa doppelt so viele wie Aes Sedai.“ Erstaunen rundherum, wunderbar. „Aber das gehört zu Punkt sieben. Gibt es noch Fragen zu Punkt sechs?“ Alle wollten offensichtlich lieber mehr über Punkt sieben wissen. „Dann nur noch eine letzte Überlegung zu Punkt sechs meinerseits: Zuerst die eine Frage: Wie viele lebende Aes Sedai stammen aus dem Meervolk? Dann die zweite: Gibt es einen Weg, den Vertrag mit dem Meervolk so auszulegen, dass die Aes Sedai des Meervolks erst als Lehrerinnen für ihr eigenes Volk herhalten und wir sie dann erst freilassen? Bedenkt, dass das Meervolk uns absichtlich nur ihre schwächsten Machtlenkerinnen geschickt hat, der Verlust ist also zu verschmerzen. Ich schlage vor, dass ich der Grauen Ajah eine wortgetreue Version des Vertrages zukommen lasse, und wir schauen dann mal, was daraus wird. Die Mühlen der Weißen Burg mahlen langsam, meint ihr nicht?“ Zustimmendes Nicken allerseits. Sie selbst wusste natürlich, dass es nur drei waren. Es war wohl die vielversprechendste Möglichkeit, einigen der Schwarzen Ajah eine Gnadenfrist einzuräumen und diese dann zum Meervolk zu schicken, aber das hatte jetzt erstmal Zeit. „Dann machen wir es so. Kommen wir also zu Punkt sieben. Euch allen ist bekannt, dass es in Ebou Dar seit der Zeit der Trolloc-Kriege eine sogenannte „Schwesternschaft“ gibt. Ihre Mitglieder halfen zwar gelegentlich Ausreißerinnen, richteten sich aber streng danach, dass sie keine Aes Sedai sind. Sie machten keinen Ärger. Sie waren kein Problem, sondern sogar nützlich, denn Ausreißerinnen wurden viel leichter gefunden. Dies zum Zustand der Schwesternschaft bis lange nach ihrer Gründung. Zu keiner Zeit hat die Weiße Burg versucht, diese freien Machtlenkerinnen aufzuspüren oder ihr Tun genauer zu erforschen. Erst den Schwestern, die ich nach Ebou Dar schickte, gelang es, mehr zu erfahren. Offenbar ist seit der Zeit ihrer Gründung eine streng nach Alter geordnete Hierarchie entstanden, vielleicht so, wie manche Novizinnen oder Aufgenommene es bei Aes Sedai erwarten würden, weil sie es nicht besser wissen. Diese Frauen wohnen stets nur maximal zehn Jahre an einem Ort, um nicht durch ihr verlangsamtes Altern aufzufallen, und sie benutzen so gut wie nie die Macht. Dennoch verfügen viele über enorme Erfahrung im Umgang mit Saidar, denn sie werden offenbar deutlich älter als Aes Sedai.“ Keine Sitzende, die nicht pikiert wirkte, über das Alter sprach man nicht. Sicherlich glaubte keine der Anwesenden ihr die letzte Aussage, aber das würde sich bald ändern. „Sie treffen sich auf „Kränzchen“ genannten Versammlungen und ihre Mitglieder nennen sich gegenseitig unverfänglich „Kusinen“. Eine der ersten, die die Schwestern dort trafen, war eine gewisse Reanne Corly, als älteste die Vorsitzende des örtlichen Kränzchens von Ebou Dar. Sie war als Novizin in der Burg – was sicherlich durch Aufzeichnungen nachvollzogen werden kann – ist aber nicht als Aes Sedai aufgenommen worden, da sie die Prüfung zur Aufgenommenen nicht bestanden hat. Reanne Corly wird nach den Berichten, die ich erhalten habe, dieses Jahr vierhundertundzwölf Jahre alt, ihr Haar ist graumeliert und sie ist gut in Form.“ Heftiges Raunen im Saal, erneut musste sie lauter werden. „Die älteste lebende Kusine ist sogar fast sechshundert. Die Kusinen führen sehr genau Buch über ihre Mitglieder. Mesaana, deren Alter von gut dreihundertvierzig man ihr wirklich nicht ansieht, behauptet, Machtlenker wurden im Zeitalter der Legenden in manchen Fällen fast siebenhundert Jahre alt, folglich habe ich keinen Anlass, an den Behauptungen der Kusinen zu zweifeln. Gegenwärtig befinden sich um die achtzig Kusinen in Caemlyn und weitere versuchen, ihre Freundinnen aus dem Einflussbereich der Seanchan zu schaffen. Ein Bemühen, dass ich nur gutheißen kann und bei dem wir schnellstmöglich Unterstützung leisten sollten. Jede Machtlenkerin, die von den Seanchan versklavt wird, ist eine zu viel. Die meisten Kusinen sind offenbar bereit, sich der Weißen Burg anzuschließen. Zwei von ihnen haben bereits gestanden, als Novizinnen geflohen zu sein, und tragen wieder das Weiß. Eine davon, Kirstian Chalwin, ist nach eigenen Angaben vor über dreihundert Jahren geflohen und damit ebenfalls älter als jede lebende Aes Sedai. Soweit ich weiß, kümmert sich gegenwärtig Vandene Sedai um die beiden Ausreißerinnen.“ Sie ließ die Sitzenden auch dies kurz verdauen, bevor sie weitermachte. Vandene musste noch älter als Romanda sein, das machte gewiss Eindruck. Einzig Cadsuane war unter den Aes Sedai wohl noch älter. „Gibt es Vorschläge, wie mit den Kusinen zukünftig zu verfahren ist, Sitzende?“ Die Sitzenden wirkten wie erschlagen und selbst Tarna wirkte schockiert. „Glaubt ihr wirklich, dass sie so alt werden, Mutter?“ wollte Saerin schließlich leise wissen. „Ich bin mir sogar sicher, Tochter, denn ich kenne den Grund für das begrenzte Alter der Aes Sedai.“ „Was ist es, Mutter?“ Saerin verbarg nicht einmal ihr Erstaunen. Sie klang tief erschüttert, aber das konnte ihr wohl niemand verdenken. „Das hier.“ Sie hielt den Eidstab hoch, den sie in einer der praktischen Schlaufen im Hüftbereich der Rüstung getragen hatte. „Der Eidstab der Weißen Burg ist etwas, dass im Zeitalter der Legenden „Binder“ hieß und vor dem Schattenkrieg nur zu einem einzigen Zweck genutzt wurde: Hiermit und mit weiteren Bindern gleicher Machart wurden Machtlenker, welche die Regeln der Gesellschaft brachen, gezwungen, sich wieder an diese Regeln zu halten. Je mehr Regeln man brach, desto mehr Eide musste man leisten. Doch es gab eine Nebenwirkung, die die Verurteilten dazu anhielt, sich möglichst gut zu betragen: Wer einen Eid leistete, der lebte weniger lange. Sobald man jedoch aufrichtig gewillt war, die Regeln der Gesellschaft wieder zu beachten, durfte man den Eid zurücknehmen und die Auswirkung der Bindung ließ langsam wieder nach. Kaum jemand war im Zeitalter der Legenden so verrückt, auf Kosten seiner Lebensspanne gleich zwei oder gar drei Eide zu riskieren, denn jeder weitere Eid verstärkt den Effekt der vorigen. Offenbar führen die drei Eide dazu, dass Aes Sedai jung sterben. Auch wenn sie natürlich weiterhin deutlich älter werden, als andere Menschen.“ „Was schlagt ihr vor, Mutter? Sollen wir den Eiden abschwören? Was macht uns dann noch zu Aes Sedai, Mutter?“ Das kam von Tarna Feir. Sie klang etwas hohl, machte ansonsten aber einen gefassten Eindruck. „Die Weiße Burg kann nicht auf die drei Eide verzichten, aber es gibt einen Weg. Ich zeige Euch, was ich meine.“ Sie hielt den Eidstab vor sich und lenkte etwas Geist hinein, während ihr alle gespannt zusahen. „Ich entsage allen Eiden, die mich binden.“ Sie spürte, wie der Eid sie verließ, den sie bisher geleistet hatte, aber es war kaum wahrnehmbar. „Jetzt ist mein Alterungsprozess wieder völlig normal, wie es auch bei Euch der Fall wäre, doch ich bin nicht an die drei Eide gebunden, das geht natürlich nicht. Also kommt jetzt folgendes: Ich schwöre, mich an die drei Eide der Aes Sedai zu halten.“ Sie spürte diesen Eid genauso stark, wie den ersten Eid zuvor alleine, sehr gut, es klappte bei ihr genauso gut wie bei Siuan und Leane. Sie erklärte, was geschehen war: „Da mir der Wortlaut der drei Eide geläufig ist, kann ich problemlos einen Eid auf alle drei leisten, so ist die Verringerung der Lebensspanne nur noch minimal und trotzdem bin ich an die drei Eide gebunden. Dieses Vorgehen sollte hoffentlich bei jeder von Euch die Wirkung zweier Eide langsam rückgängig machen, was die Wirkung des verbleibenden Eides mehr als ausgleicht. Ihr werdet also sozusagen jeden Tag etwas jünger. Wie ihr an Siuan und Leane sehen könnt, führt eine Dämpfung übrigens ebenfalls zur Rückkehr des ursprünglichen körperlichen Zustandes, da auch hierdurch die Wirkung der Eide aufgehoben wird. Bis Tarmon Gaidon schafft es so wohl jede von Euch, falls ihr nicht im Kampf getötet werdet, und danach … Vielleicht wird ein Weg gefunden, auch auf diesen letzten Eid zu verzichten, wer weiß? Ich stelle folgenden Antrag: Jede bereits von mir geprüfte Aes Sedai der Weißen Burg kann, wenn sie will, die drei Eide durch diesen einen ersetzen. Stimmen zum Antrag?“ Diesmal machte sie keine Pause. „Keine? Wer ist dafür?“ Schnell erhoben sich die Sitzenden, sie schienen alle weiterhin tief erschüttert. Da Tarna es nicht tat, fuhr sie selbst fort. „Der Antrag ist einstimmig angenommen. Ich treffe dazu folgende Verfügung: Dieser Beschluss darf ausschließlich bereits geprüften Aes Sedai durch Sitzende ihrer Ajah und unter vier Augen mitgeteilt werden. Die Schwarze Ajah hat hiervon offenbar keine Ahnung, und ich möchte dass das so bleibt, verstanden?“ Alle nickten grimmig. „Tarna, fang an und gib ihn weiter.“ Pevara erhob sich überraschend und rief ohne Einleitung hastig: „Du musst die Eide einzeln zurücknehmen, Tarna!“ Als sich die versammelten Blicke aller Anwesenden auf sie richteten, fügte die Rote deutlich leiser aber ernst hinzu „Es schmerzt, wenn man sie gleichzeitig zurücknimmt. Sehr sogar“ und setzte sich dann mit leicht geröteten Wangen wieder auf ihren Platz. Freundlich wandte Egwene sich ihr zu. „Das habe ich nicht gewusst. Danke, Tochter. Ihr habt es gehört, nehmt die Eide besser einzeln zurück.“ Irgendwie hatte sie geglaubt, dies gelte nur für die Eide, welche die Schwarzen Ajah leisteten, wie kurzsichtig. Sie drückte Tarna den Eidstab in die Hand und diese zögerte nicht. Sie schüttelte sich kurz, als sie den Eiden abschwor, das war alles. Tarna legte den neuen Eid ab und blickte sie an. „Es klappt, Mutter, ich bin noch immer an die drei Eide gebunden! Aber ich fühle mich leichter, Mutter, so viel leichter!“ Ihre Augen schimmerten, aber wenn sie eines jetzt nicht gebrauchen konnte, dann eine Behüterin der Chronik, die die Fassung verlor und ganz offen weinte. Mit sanfter Stimme wandte sie sich an die Frau an ihrer Seite. „Ist schon gut, Tarna. Schreib es ins Protokoll und gibt den Stab weiter, die Sitzung wird nicht unterbrochen.“ Hastig gab Tarna den Eidstab weiter und konzentrierte sich auf das Protokoll. Betont ruhig und gleichmäßig fuhr Egwene mit einigen Erläuterungen über die Schwesternschaft und ihre Regeln fort, während der Eidstab rasch von Hand zu Hand wanderte. Zwar verfügte sie nicht gerade über viele Informationen – nur das was Elayne und Nynaeve ihr in Tel'aran'rhiod berichtet hatten – aber sie breitete langatmig alles aus, an das sie sich erinnerte. Wie erwartet, erfuhren ihre Worte schließlich kaum noch Beachtung durch die Sitzenden. Dann kam sie mit ruhiger Stimme zum Punkt: „Ich finde, jede Machtlenkerin sollte ungeachtet ihrer Eignung als Aes Sedai ein Leben lang mit der Weißen Burg verbunden sein. Darum stelle ich folgende Anträge: Erstens: Jede Machtlenkerin kann künftig als Novizin aufgenommen werden, falls sie das möchte. Zweitens: Jede Machtlenkerin, die nicht Aes Sedai werden kann oder will, muss sich der Schwesternschaft anschließen und sich ihrer Autorität beugen. Drittens: Jede Aes Sedai hat das Recht, sich unter Rücknahme der Drei Eide der Schwesternschaft anzuschließen und bei ihnen in den Ruhestand zu gehen. Viertens: Die Hierarchie der Kusinen bleibt unverändert, nur ist ihr höchstes Gemeinschaftsgremium ab sofort dem Saal der Burg und ihre höchste Entscheidungsträgerin dem Amyrlin-Sitz gegenüber zu Gehorsam im Ausführungsstatus verpflichtet. Stimmen zu den Anträgen?“ Die meisten der Sitzenden hatten den neuen Eid bereits geleistet und lächelten erleichtert, sie hörten ihr kaum zu. Die restlichen folgten ihr größtenteils nur mit halbem Ohr, da sie den Weg des Eidstabes in der Runde verfolgten. Niemand hatte Stimmen zu den Anträgen, stellte sie pflichtgemäß fest. Sie bemerkte, dass zumindest zwei Sitzende sie jetzt aufmerksam betrachteten, schenkte aber Saerin und Yuriki zunächst keine besondere Beachtung, als sie gelassen weitermachte „Wer ist für die Anträge?“ Das war zwar nicht verboten, aber so ziemlich das Rüdeste, was man im Saal der Burg fragen konnte, Anträge wurden traditionell einzeln gestellt und entschieden. Jetzt blickten auch die meisten der übrigen zu ihr herüber, während Yuriki sie stirnrunzelnd musterte. Egwene nickte Myrelle fast unmerklich zu und diese reagierte gut. Sie stupste die beiden übrigen Grünen an und erhob sich, schnell gefolgt von den anderen beiden. Offenbar hatte sie also wirklich eine Autoritätsposition bei den Grünen inne. „Wer dafür ist, erhebt sich.“ Sie musste Zeit gewinnen. Romanda erhob sich mit einem Lächeln, dem ersten echten, das Egwene je bei ihr bemerkt hatte. Die beiden anderen Gelben folgten sofort, anscheinend hatte Romanda noch immer das Szepter in der Hand, obwohl beide nicht von den Rebellen kamen. Lelaine betrachtete jetzt abwechselnd sie und Romanda und schien zu überlegen. Sicher hatte sie nicht mitbekommen um was es ging, aber wenn Romanda dafür war, war sie dagegen. Zu Egwenes Erleichterung erhoben sich jetzt Pevara und Saerin, gefolgt von zwei weiteren Braunen. Die beiden letzteren lächelten glücklich und hatten offensichtlich keine Ahnung, worum es ging. Verdammt, es reichte noch nicht! Egwene sah nur eine Chance. Sie blickte zu der aufmerksamen Grauen und deutete dann mit gesenktem Blick eine Verbeugung an. Das sollte so viel heißen wie „Ich weiß, es ist nicht sehr elegant, aber bitte hilf mir jetzt, dann hast Du etwas gut.“ Yuriki zögerte nur kurz, bevor sie sich erhob. Auch sie deutete ein Nicken an „Ich habe etwas gut bei Dir.“ Das hatte sie allerdings, nur eine Stimme hatte noch gefehlt! Die beiden anderen Grauen erhoben sich achselzuckend ebenfalls, wenn Yuriki zustimmte, war es sicherlich in Ordnung. Außerdem war es üblich, ein geschlossenes Bild der Ajah zu präsentieren, und angenommen waren die Anträge sowieso. Ihre stumme Zwiesprache mit der Grauen war den übrigen nicht entgangen, zumindest nicht Lelaine und Romanda, welche Yuriki jetzt nachdenklich musterten. Der Eidstab war jetzt ganz herum und alles lief wie am Schnürchen. Egwene konnte kaum glauben, wie leicht sie heute mit dem Saal fertig wurde. „Gegenstimmen?“ Nur Lelaine und ihre Blauen erhoben sich. „Die Anträge sind angenommen mit dreizehn zu drei bei fünf Enthaltungen.“ stellte Tarna sofort fest. Ihre Stimme klang zum ersten Mal in dieser Sitzung etwas unsicher. Sie hatte zwar mechanisch alles Gesagte einschließlich der Anträge protokolliert, aber offenbar war sie im Unklaren über deren genauen Inhalt, offenbar war sie noch immer durch den neuen Eid abgelenkt. Ihre Augen weiteten sich, als sie erneut las, was sie da gerade geschrieben hatte. Auch wenn sie keine Graue war, hatte sie jetzt wohl verstanden, welch drastische Folgen diese Beschlüsse nach sich zogen. Dann, als Egwene fortfuhr… „Weitere Stimmen zu Punkt sieben? Keine? Dann zu Punkt…“ klopfte es. Wenn das kein gutes Timing war! Eine Minute eher, und die Sitzung hätte dreimal so lange gedauert. Mindestens. „Herein!“ Zögernd und mit einem tiefen Knicks trat Nicola in den Burgsaal. „Verzeiht die Störung, Mutter, aber ihr befahlt, ich solle sofort zu Euch kommen, wenn ich zurück bin.“ Es war auffällig, wie schnell die Sitzenden wieder völlige Gelassenheit zur Schau stellten, um sich keine Blöße zu geben. „Das ist richtig, Tochter, komm herein und schließe die Tür, dies ist eine geschlossene Sitzung.“ Ihre neue Adjutantin tat rasch wie geheißen. „Sie ist eine Novizin, Mutter! Eine ausgerissene Novizin! Sie darf hier nicht so einfach hereinplatzen, sondern hat hier überhaupt nichts verloren!“ Romanda schien sich erholt zu haben. Sie war aufgestanden und wies mit ihrem Finger auf Nicola, das Gesicht ganz ruhig, aber die Stimme voller Empörung. Wenn sie wüsste, dass Nicola gerade die Eine Macht hielt, würde sie vermutlich platzen, dachte Egwene amüsiert. Gelassen wandte sie sich an die grauhaarige Gelbe. „Du bist nicht auf dem Laufenden, Tochter. Die Aufgenommene Nicola Areina ist meine Zweite Adjutantin und als Adjutantin der Amyrlin hat sie hier sehr wohl Zutritt, wenn ich es ihr gestatte. Genau das habe ich gerade getan, Tochter. Und, Romanda“ sie warf der Aes Sedai einen strengen Blick zu „bitte ums Wort, wenn Du Deinen nächsten Einwand vorbringen willst.“ Die Sitzende der Gelben nahm stirnrunzelnd wieder Platz und verzog missbilligend den Mund. Nicht ganz zu Unrecht, wie Egwene zugeben musste, denn ohne ihre Gelben wären die Anträge vermutlich gescheitert. Nicola war fast schüchtern bis vor ihren Platz getreten, ihr Temperament musste gerade auf dem Rückzug sein. Sie stand aber vollkommen aufrecht und blickte ihr offen ins Gesicht. „Was gibt es Neues aus Caemlyn, Tochter?“ Mehrere Sitzende hoben bei dieser Frage die Brauen. „Elayne Sedai kann leider Eure Einladung nicht annehmen, Mutter, denn sie ist schwanger. Sie lädt Euch ein, sie in Ihrem Palast zu besuchen, Mutter.“ Zwar klang ihre Stimme ruhig, aber ihr Blick verriet, dass ihre Worte die typischen Eigenschaften einer Aes-Sedai-Wahrheit aufwiesen. Mit anderen Worten, sie hatten mit dem tatsächlich Geschehenen so gut wie nichts zu tun. „Du kannst hier ruhig alles offen aussprechen, Tochter, es besteht derzeit kein Grund zur Vorsicht.“ „Elayne Sedai hat die Krone von Andor vor drei Tagen errungen, Mutter.“ Nicht nur von Egwene wurde diese Nachricht gut aufgenommen, bei mehreren der Anwesenden blitzte ein Lächeln auf. Bei anderen jedoch, und nicht nur unter Elaidas ehemaligen Anhängerinnen, bemerkte sie ein Stirnrunzeln, welches vermutlich auf die Erwähnung ihres Ranges als Aes Sedai bezogen war. Nicola fuhr ohne Unterbrechung fort, als von ihr keine Erwiderung kam. „Den Aes Sedai in der Schwarzen Burg ging es zuletzt gut. Elayne Sedai schickt jeden zweiten Tag ihre Wachen hin, um nachzusehen. Allerdings haben sie inzwischen auf Befehl des Wiedergeborenen Drachen mit vielen der Asha'man zusammen die Schwarze Burg verlassen. Ihr Ziel ist unbekannt. Elayne Sedai hält es für keine gute Idee, ihre Patrouillen dort abzubrechen, Mutter, sie meint, es fiele sicher auf. Sie war aufrichtig bestürzt, das über Mazrim Taim zu erfahren, Mutter, aber überrascht war sie eher nicht.“ „Ich habe Elayne nicht um ihre Meinung gebeten, sondern ihr einen Befehl erteilt, hast Du ihr das nicht klargemacht?“ „Das habe ich, Mutter. Ich habe Euren Befehl genauso weitergegeben, wie Ihr es mir aufgetragen habt, aber sie weigerte sich trotzdem. Ich sagte ihr, ich sei die Adjutantin der Amyrlin, aber sie antwortete, sie sei die Königin von Andor und es sei ihr Palast und sie mache darin, was sie wolle. Sie wurde sehr laut und warf mit ihrer Teetasse nach mir, Mutter. Dann griff sie nach Saidar und versuchte, mich hinauszuwerfen. Ich hielt es für unangebracht, die schwangere Königin von Andor in ihrem eigenen Palast abzuschirmen, und machte mich lieber auf den Rückweg, Mutter. Die Haushofmeisterin der Königin meinte, ihre Launen kämen von der Schwangerschaft und oft könne sie nicht einmal mehr Saidar lenken. Kann das wahr sein, Mutter?“ Egwene war erfreut über die ruhige Stimme, mit der dieser ungewöhnliche Bericht vorgetragen wurde. Der Inhalt allerdings sagte ihr weniger zu. „Ich habe keine Ahnung, Tochter.“, gestand sie. „Sitzende, geschieht etwas Besonderes bei Machtlenkerinnen, wenn sie schwanger werden?“ fragte sie dann in die Runde. Schnell stellte sich heraus, dass keine der Sitzenden eine Ahnung hatte, was bei schwangeren Aes Sedai geschah. „Mutter“ wagte Nicola einzuwerfen „die Haushofmeisterin erwähnte, eine Aielfrau namens Melaine hätte das so behauptet.“ „Melaine? Dann muss es wohl stimmen, die Weisen Frauen der Aiel heiraten ganz normal und bekommen auch Kinder. Gab es sonst noch etwas?“ „Ja, noch einiges, Mutter. Von der Haushofmeisterin habe ich erfahren, dass Vandene Sedai, Sareitha Sedai und Careane Sedai bei einem Angriff auf einige Schwarze Ajah getötet wurden.“ Nicola schenkte den entsetzten Ausrufen einiger der Sitzenden keine Beachtung. Stattdessen hielt sie ihren Blick auf Egwene gerichtet und fuhr fort, sobald es wieder etwas ruhiger wurde. „Eine der Schwarzen Ajah wurde später ebenfalls getötet und fünf weitere befinden sich jetzt in Caemlyn in Gefangenschaft, zusammen mit zwei weiteren Schattenfreunden.“ Licht! Das waren allerdings Neuigkeiten! „Ich hatte gegenüber Elayne Sedai leider keine Gelegenheit mehr, die Angreale und Ter’angreale zu erwähnen, Mutter. Ich hätte die Haushofmeisterin danach fragen können, sie schien sehr hilfsbereit, aber Euer Befehl lautete, mit niemandem außer Elayne Sedai darüber zu sprechen, Mutter.“ „Du hast alles richtig gemacht, Tochter. Ich werde wohl demnächst selbst einen Besuch in Caemlyn machen müssen. Bitte fertige bis morgen einen ausführlicheren Bericht an und lasse ihn meiner Behüterin der Chronik zukommen. Es ist jetzt nicht mehr nötig, die Eine Macht zu halten, Du kannst Saidar jetzt loslassen. Der Angreal?“ Sofort drückte Nicola die kleine schwarze Katzenfigur in Egwenes Hand. „Das wäre vorerst alles, Tochter. Du kannst jetzt entweder gehen und Dich den Aufgenommenen anschließen, oder hier weiter der Sitzung folgen.“ Nicola knickste respektvoll. Sie zeigte ihre Überraschung in keiner Weise, sehr gut. „Vielen Dank, Mutter. Ist Sharina schon zurück?“ Und sie nahm sich geschickt etwas Bedenkzeit, ausgezeichnet. „Noch nicht, wer weiß schon, wo Logain sich gerade herumtreibt.“ „Ich glaube, ich werde lieber bei den anderen Aufgenommenen auf weitere Anweisungen von Euch warten, Mutter.“ Sie hatte nicht gezögert und blieb weiterhin gelassen, gut. „Warum, Tochter?“ Sie stellte die Frage, als wäre sie einfach nur neugierig. „Es erschiene mir meiner Stellung in der Weißen Burg unangemessen, auf einer geschlossenen Sitzung des Saals der Burg anwesend zu sein, Mutter.“ gab Nicola sofort ruhig zurück. „Ich habe doch einen neuen Auftrag für Dich, Nicola. Bitte erkundige Dich nach den genauen Rechten und Pflichten einer Adjutantin der Amyrlin.“ „Sofort, Mutter.“ Sie machte einen weiteren, recht annehmbaren Knicks und verließ den Saal. |
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