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Wir schreiben den 18. Nesan Einleitung Der Autor RJ's Blog Buchübersicht Buchdetails Handlung Kurzgeschichte Weitere Produkte Enzyklopädie Personen Heraldik Alte Sprache Prophezeiungen Namensgenerator
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Verhandlungen Während sie angestrengt auf die Karte von Arad Doman starrte, die inzwischen großzügig mit Hilfe der Raken und To'raken korrigiert worden war, musste sie an Matrim Cauthon denken. Vermutlich hätte er nur einen flüchtigen Blick darauf werfen müssen, bevor er den Ausweg entdeckte, der sich ihr so hartnäckig entzog. Natürlich hätte er ihn ihr nicht verraten, weil er den Anspruch auf ihre Heimat nicht anerkannte. Die Tochter der Neun Monde bezweifelte, dass selbst sie ihn zum Reden hätte bringen können. Energisch verdrängte sie jeden Gedanken an ihren Mann, aber sie wusste, sie würden zurückkommen. Das schienen sie jetzt ständig zu den unpassendsten Zeiten zu tun. Sie wandte den Blick von der deprimierenden Karte ab und musterte stattdessen General Galgan. „Was schlagt Ihr vor, wenn es wirklich so viele sind?“ „Es sind wirklich so viele, Kaiserin, möget Ihr ewig leben.“ gab er sofort zurück. Natürlich blickte er ihr nicht in die Augen, sondern hielt seinen Blick unterhalb ihres eigenen. Seltsamerweise ging ihr das heute auf die Nerven, wie sie jetzt feststellte. Dennoch zeigte sie selbstverständlich keinerlei Regung, während er fortfuhr. „Und in Illian noch einmal die gleiche Anzahl. Wenn diese Burschen genauso gut sind, wie diese Shaido, zählt außerdem praktisch jeder von ihnen für zwei unserer eigenen Soldaten, wenn es Mann gegen Mann geht. Dagegen nehmen sich die Truppen dieses Ituralde beinahe wie eine Vorhut aus. Und auf den Vorteil der Damane können wir uns auch nicht mehr verlassen.“ Das hatte er bei seinem Lagebericht vom Vormittag noch nicht erwähnt. Vermutlich gab es noch weitere schlechte Neuigkeiten. „Sie verfügen über diese Marath'damane, die sich Aes Sedai nennen?“ fragte sie sofort. „Ein paar.“ kam es vorsichtig zurück. „Zumindest sind es nach den Berichten, die mir vorliegen, nur wenige, etwa zwanzig vielleicht. Weit mehr Sorgen machen mir diese Asha'man. Nach denselben Berichten befinden sich in Bandar Eban etwa zweihundert von ihnen. Es würde mich überraschen, wenn es in Illian nicht genauso viele wären, Kaiserin, möget Ihr ewig leben. Selbst, wenn ein Sieg möglich ist, wird es sehr blutig werden und wir müssten zugleich Amadicia, Altara und auch das noch immer gelegentlich von Aufrührern geplagte Tarabon nahezu völlig schutzlos zurücklassen.“ Das konnte ihm kaum gefallen, aber er ließ dennoch keinerlei Beunruhigung erkennen. Galgan würde tun, was von ihm erwartet wurde, ganz, wie es sein sollte. Trotzdem hatte sie den beharrlichen Eindruck, er sollte eigentlich energisch von ihr verlangen, diese Sache gefälligst ihm zu überlassen, weil er trotz ihrer Ausbildung mehr als sie davon verstand. Seit ihrer Zeit mit den Einheimischen hatte sie schon mehrmals solch seltsame Anwandlungen gehabt, und auch jetzt verdrängte sie sie rasch wieder. Sie hatte sehr wohl bemerkt, dass der Mann ihre vorherige Frage nach Vorschlägen nicht wirklich beantwortet hatte. Vermutlich hatte er keine, überlegte sie düster. Zwar verfügten sie über weit mehr Damane, als dem Wiedergeborene Drache Asha'man zur Verfügung standen, aber es würde hohe Verluste geben, sollte diese Auseinandersetzung tatsächlich unvermeidlich sein, und viele ihrer neuen Damane waren noch praktisch unausgebildet und daher nur von geringem Nutzen. „Hat dieser Ituralde schon Wind von den Truppen des Wiedergeborenen Drachen bekommen?“ war ihre nächste Frage. Falls diese Truppen sich vereinigten, sah es noch wesentlich schlechter aus für Turan, der auf ihren Befehl hin den Vormarsch abgebrochen hatte, um sich eine feste Stellung aufzubauen, die halbwegs sinnvoll verteidigt werden konnte. Die Vorratssituation war zwar schlecht genug, dass die Rationen der Männer eher dürftig ausfielen, aber mindestens einen Monat konnte er dort noch aushalten. Selbst mit der Luftunterstützung durch To'raken, die regelmäßig Vorräte brachten, allerdings nur wenig länger, dafür waren sie einfach zu zahlreich. Auch Ituraldes Männer würden bis dahin Hunger verspüren, aber sie würden zumindest jagen können, während Turan unter Belagerung stand. Zudem konnte dieser Ituralde sicherlich Unterstützung durch die Einheimischen auf sich ziehen. Wenigstens gab es nur wenige ernst zu nehmende Angriffe, denn die Damane hielten die Angreifer zuverlässig auf Abstand. Diesmal war es Yamada, der antwortete. „Es scheint so, Kaiserin, möget Ihr ewig leben. Morat'Raken haben von einem bewaffneten Trupp berichtet, der auf Bandar Eban zuhielt. Sie hatten eine Palamentärsflagge bei sich, also sind sie anscheinend zu Gesprächen bereit.“ Natürlich waren sie das! Yamada war ein Narr, das Offensichtliche festzustellen. Glaubte er wirklich, dass sie so einfältig war? Rasch hielt sie ihren Ärger wieder im Zaum, als sie die wahre Bedeutung seiner Worte erkannte. Deutlicher wagte es vermutlich keiner hier zu sagen, aber wenn sie nicht auf das Angebot der Wiedergeborenen Drachen für Verhandlungen einging, sah es wahrhaft schlecht für sie aus. Nicht nur, dass sie auf dieser Seite des Aryth-Meeres immer weiter in Bedrängnis gerieten, nein, viel schlimmer waren die Berichte, die sie aus Seandar erhalten hatten. Das Reich stand kurz vor seiner Auflösung und das zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Ohne das Schnelle Reisen, welches offenbar nicht nur einige der hiesigen Marath'damane beherrschten, sondern nach allen verfügbaren Berichten auch diese Asha'man, gab es keinen Weg, im Reich so schnell wie möglich wieder Ordnung herzustellen. Der Wiedergeborene Drache konnte sicherlich dafür sorgen, ihnen dieses Gewebe zur Verfügung zu stellen. Aber würde er dazu bereit sein? Das Schnelle Reisen konnte auf viele Arten Verwendung finden. Sie hatte auch schon eine gute Vorstellung davon, wo es sich nach Seandar noch als nützlich erweisen würde. Galgan hatte es heruntergespielt, aber es gab diese Aes Sedai in Bandar Eban und sicherlich auch in Illian. Kaum anzunehmen, dass sie gezwungen worden waren, dorthin zu gehen. Welche Pläne sie auch verfolgten, man musste alles nur mögliche unternehmen, um sie zu Damane zu machen, wie es gut und richtig war. „Ich werde noch heute nach Illian aufbrechen.“ verkündete sie ruhig. „Das ist völlig verrückt, der Mann ist sicherlich schon halb wahnsinnig!“ Nur selten hatte es jemand gewagt, so energisch das Wort an sie zu richten, aber Selucia schien das keinerlei Probleme zu bereiten. Weil sich noch kein geeigneter Ersatz für Anath gefunden hatte, übernahm sie vorläufig die Aufgaben ihrer Wahrheitssprecherin. Genau betrachtet, war es vielleicht auch eher so, dass sie sonst niemandem mehr genug vertraute, musste sie sich eingestehen. Dass sich eine der Verlorenen als ihre Wahrheitssprecherin ausgegeben hatte, war noch immer schockierend, und sie tat sich schwer, anderen noch allzu viel Vertrauen entgegen zu bringen. Außer vielleicht Karede, der jetzt wirkte, als spräche Selucia ihm direkt aus dem Herzen. „Es ist viel zu gefährlich, sich ihm auch nur zu nähern, Tuon, und seine Bedingungen sind völlig unverschämt!“ fuhr Selucia sichtlich aufgebracht fort. Wenn man die Frau so gut kannte wie sie, war offensichtlich, wie sehr ihr die neue Rolle gefiel, aber manchmal war sie nahe daran, es zu übertreiben. Natürlich hatte sie noch keinen neuen Namen angenommen, weil es dafür noch viel zu früh war, aber auch wenn Tuon theoretisch noch immer ihr Name war, war es mehr als nur unerhört, ihn tatsächlich zu verwenden. „Das genügt.“ signalisierte sie rasch. Im Grunde gab sie ihrer Vertrauten sogar recht, aber es gab nun einmal keinen anderen Ausweg. „Es mag gefährlich sein, aber es ist notwendig.“ fügte sie sofort im Anschluss laut hinzu. Niemand der übrigen Anwesenden macht auch nur den Versuch, zu widersprechen, auch wenn Karede jetzt eine versteinert wirkende Miene zur Schau trug. Er wusste genau, dass es mehr als nur einen Grund für sie gab, mit diesem Rand al'Thor zu sprechen, aber natürlich wusste er auch genug, um zu schweigen. „Wenigstens droht uns aus Richtung Ghealdan keine zusätzliche Gefahr.“ stellte Generalleutnant Khirgan ruhig fest. „Das ist eine Sorge weniger.“ Die Frau war gerade erst in das höhere Blut aufgenommen worden und nahm von den Anwesenden – abgesehen von den Da'covale natürlich – den geringsten Rang ein. Dennoch hatte sie sich ihren Platz hier mit Sicherheit verdient. Auch wenn es ursprünglich der Plan dieses Perrin Aybara mit dem Schmiedehammer gewesen war, hatte sie das Bestmögliche herausgeholt. Diese Chaos stiftenden Shaido waren vernichtet, zahlreiche wertvolle Da'covale gewonnen und das Erbe Manetherens würde ihnen nicht mehr gefährlich werden. Als Zugabe hatte sie noch gute zweihundert Damane an die Leine gelegt, was in der Geschichte Seanchans noch niemandem an nur einem Tag gelungen war. Noch dazu praktisch ohne Verluste in den eigenen Reihen. Zudem hatte sie keine Versprechungen hinsichtlich Ghealdans gemacht und das auch eindeutig klargestellt. Es war schon beeindruckend, wie effektiv die hiesigen Heerführer vorzugehen wussten. Beunruhigend, aber auch beeindruckend. Ihr Mann, dieser Ituralde, Perrin Aybara. Wenn der Wiedergeborene Drache nur halb so geschickt vorzugehen wusste, wie einer von diesen dreien – und sie sah angesichts seiner bisherigen Erfolge keinen Grund, der dagegen spräche – blieb Verhandeln ihr einziger Ausweg. „Das war eine hervorragende Leistung.“ wandte sie sich an Thylee Khirgan. „Ich wäre gerne dabei gewesen.“ Deutlicher würde sie nicht sagen, dass sie der Erhebung durch Galgan zustimmte. So stolz und erfreut, wie die Frau trotz ihrer äußeren Gelassenheit wirkte, war das auch nicht nötig. „Ich danke Euch für Eure freundlichen Worte, Kaiserin, möget Ihr ewig leben.“ Es erschien angemessen, dass ihr Blick unterhalb ihres eigenen blieb, aber irgendwie wirkte es dennoch irritierend. „Diese Bögen von den Zwei Flüssen waren wirklich beeindruckend, so eine Reichweite erreicht man normalerweise nur mit einer Armbrust.“ „Von den Zwei Flüssen?“ kam sie nicht umhin, zu fragen. „Ja, Kaiserin, möget Ihr ewig leben. Perrin Aybara stammt von dort und brachte von dort auch Verstärkung heran.“ Das war eine Überraschung. „Er stammt nicht zufällig aus einem Dorf namens Emondsfeld, oder Generalleutnant?“ „Das tut er, Kaiserin, möget Ihr ewig leben.“ Ein kurzes Blinzeln war alles, was die Frau an Reaktion zeigte, aber ihre Überraschung war dennoch offenkundig. Also kam auch dieser Aybara aus Emondsfeld, das war äußerst interessant. Zweifellos war auch er mit dem Wiedergeborenen Drachen gemeinsam aufgewachsen, genau wie der rätselhafte Spieler, der jetzt ihr Ehemann war. Kein Wunder also, dass er in Rand al'Thors Namen sprechen konnte und dessen Vertrauen genoss. Ungewöhnlich, drei so erfolgreiche Heerführer in nur einem Dorf zu finden, aber andererseits hatte an den Zwei Flüssen einst das Herz der Bergheimat geschlagen. Wenn ein Ort das Erbe Manetherens in die Welt tragen konnte, dann sicherlich dieser. Diesem Erbe nicht mehr direkt gegenübertreten zu müssen, war letzten Endes vielleicht der wichtigste Erfolg dieser Frau gewesen. Eigentlich hatte sie nur Selucia, Karede und einige der Totenwächter mitnehmen wollen, aber es war unverzichtbar, mehr über diesen Lord Perrin mit den goldenen Augen zu erfahren. „Ihr werdet mich nach Illian begleiten, Generalleutnant Khirgan.“ verkündete sie folgerichtig. Ohne auf die unvermeidlichen Ehrbezeugungen der Frau angesichts einer solchen Ehre zu achten, wandte sie sich dann an Karede. „Gebt den Der'morat'raken Bescheid, dass wir in einer Stunde abreisen. Nur Totenwächter werden mich außer ihr und Selucia sonst noch auf dieser Reise begleiten. Zwanzig Mann reichen aus.“ Den ungläubigen Protest Selucias unterdrückte sie mit einer scharfen Geste, die keinen Einspruch mehr gelten ließ, schon im Ansatz. Ihre neue Wahrheitssprecherin beließ es denn auch bei einem abfälligen Schnauben, welches von einem Stirnrunzeln begleitet wurde. Dabei war ihr selbst nicht besonders wohl dabei, ohne eigene Damane dem Wiedergeborenen Drachen und einer unbekannten Anzahl weiblicher und vor allem auch männlicher Machtlenker gegenüber zu treten. Doch welchen Sinn hätten Damane gegen das, was der Wiedergeborene Drache aufbieten konnte? In Begleitung von lediglich sechs Leuten, war es ihm gelungen, nicht nur ebenso viele Damane zu überwältigen, sondern sogar noch eine der Verlorenen dazu. Und sollte sie wenigstens die kleine Mylen als Zeichen ihres Anspruches mitnehmen, würde diese vermutlich als Verhandlungsgegenstand enden. Angesichts ihrer Lage wäre sie dann vielleicht sogar gezwungen, auf sie verzichten zu müssen. Das würde sie nicht zulassen, egal, wie verfahren die Situation auch sein mochte. Sie hatte zu viel Mühe in deren Ausbildung gesteckt, als dass sie zugelassen hätte, sie einem derartigen Stress auszusetzen. Davon abgesehen hatte sie die kleine Mylen richtig liebgewonnen. Obwohl sie sehr neugierig war, diesen Rand al'Thor kennenzulernen, sah sie dem Treffen alles in allem recht unbehaglich entgegen. Wie hoch auch immer ihre unterschiedlichen Positionen den einen über den anderen erhoben, es stand außer Frage, dass sie in seiner Schuld stand. Nicht nur, dass offenbar in ihrem Namen Vereinbarungen getroffen und dann gebrochen worden waren. Nicht nur, dass er ihre Sul'dam und Damane sofort zurückgegeben hatte, soweit das noch möglich gewesen war. Nicht nur, dass dem Wiedergeborenen Drachen der Dank dafür gebührte, sie vor einer der Verlorenen zu retten, nein, es war noch weit schlimmer: Er hatte dabei seine Hand für sie geopfert! Selbst der einfachste Bauer hätte unter diesen Umständen sicherlich die Ehre verdient gehabt, ihr Gesicht zu sehen. Hätte sich damit vermutlich sogar für das niedere Blut qualifiziert. Es war eine Tatsache, dass sie in der Schuld des Wiedergeborenen Drachen stand, noch bevor sie sich überhaupt begegnet waren, daran war nichts zu rütteln. Sie würde tun, was nötig war, um dem Rechnung zu tragen. Er würde es wirklich gut bei ihr haben, sobald er erstmal unter ihrer Obhut stand, das war sie ihm schuldig. Sie würde bei seiner Ausbildung nicht mehr Druck anwenden, als unbedingt nötig, und ihm sogar dreimal täglich sein Lieblingsessen zubereiten lassen – solange er davon nicht zu dick wurde, natürlich. „Ein Cairhienin? Er hat einen Cairhienin zum König von Arad Doman gemacht? Wiedergeborener Drache oder nicht, was glaubt der Mann, wer er ist?!“ Rodel Ituralde gab sich keine Mühe, seinen Ärger über diese Neuigkeit zu verbergen. „Nicht König.“ gab Jaalam Nishur rasch zurück. „Dieser Dobraine hat ausdrücklich betont, er sei lediglich der Verwalter des Lord Drachen, bis ein geeigneterer Kandidat gefunden sei. Er war aufrichtig erfreut, als ich mich als Leutnant zu erkennen gab. Er hat mir sogar auf der Stelle angeboten, den Oberbefehl über die Stadtwache zu übernehmen. Anscheinend war ich der höchstrangige Einheimische, den er bisher getroffen hat, wenn man von einigen unbedeutenden Adeligen absieht, die sich geweigert haben, Eurem Ruf zu folgen.“ Ein kurzes Lächeln blitzte auf. „Er nannte sie „gierige Narren, die zu nichts zu gebrauchen sind“, General.“ „Also ist er zumindest nicht dumm. Und wo hast Du Hyndram gelassen?“ „Der alte Haudegen führt vorläufig die Stadtwache. Er hebt zwar gerne einen, aber wenn er seinen Verstand zusammennimmt, sollte er einigermaßen zurecht kommen.“ Ituralde kommentierte das mit einem Nicken. Der alte Hyndram von Karenas war einer der ersten gewesen, die seinem Ruf gefolgt waren. Zwar verstand er so gut wie nichts von Taktik und hatte zuweilen eine etwas … eigenwillige Art, aber er war wenigstens nicht völlig auf den Kopf gefallen. Aus dem niederen Adel stammend und ohne Familie – seine beiden Söhne hatten gegen Tarabon ihr Leben gelassen und seine Frau war jung gestorben – hatte er es immerhin geschafft, sein Haus zu halten, indem er sich als Anführer einer Söldnertruppe durchschlug. Er war der einzige Adelige gewesen, der bereit gewesen war, mit nach Bandar Eban zu reiten. Ituralde machte den anderen deshalb keinen Vorwurf, Hunderttausende von Aiel waren dazu geeignet, jedem Respekt einzuflößen. „Hat dieser Dobraine auch gesagt, was er hier will, außer Unruhe zu stiften?“ „Das scheint er selbst nicht so recht zu wissen. Er gab an, er solle „Arad Doman auf Tarmon Gaidon vorbereiten“, was immer das bedeuten soll. Ich glaube nicht, dass der Wiedergeborene Drache es auf uns abgesehen hat. Angeblich befinden sich in Illian ebenfalls zahlreiche Truppen. Auch sie werden von Asha'man unterstützt.“ Illian bedeutete, dass der Wiedergeborene Drache sich um die Seanchaner kümmern wollte, das war klar zu erkennen. Sicher hatten diese als Reaktion bereits weitere Truppen in Bewegung gesetzt, ihre Zeit hier wurde knapp. „Wie viele?“ fragte er sofort. Es war nicht nötig, zu sagen, wen er damit meinte. „Etwa zweihundert und noch einmal die gleiche Zahl in Illian. Es sind auch einige Aes Sedai dabei, aber sie verhalten sich sehr seltsam.“ „Inwiefern?“ „Nun, sie scheinen einen völlig offenen Umgang mit diesen Asha'man zu pflegen. Bei einigen hatte ich sogar den Eindruck, sie wären...“ „Was?“ fragte er ungeduldig, als sein Stellvertreter zögerte. „Es schien fast, als wären sie ein Paar, General. Es war wirklich sehr seltsam. Und außerdem machten sie, was ihnen gesagt wurde.“ „Die Aes Sedai machten, was ihnen gesagt wurde?“ vergewisserte er sich. „Ja, General, sie alle. Und es waren sogar Rote dabei.“ Also, das war es wirklich wert, als seltsam bezeichnet zu werden. Aes Sedai machten grundsätzlich nie, was von ihnen erwartet wurde, das wusste er nur zu gut. Und mit Sicherheit knüpften sie keine wie auch immer gearteten Beziehungen zu männlichen Machtlenkern! Wäre es jemand anders als Jaarlam, der ihm eine solche Geschichte auftischen würde, er hätte keine Silbe geglaubt. Die Drachenverschworenen hatten behauptet, der Wiedergeborene Drache verändere alles. Es sieht so aus, als hätten sie zumindest damit recht behalten, überlegte er grimmig. „Wie ist die Situation in der Stadt?“ „Als ich ankam, war alles ruhig, aber einige Gebäude machten einen verbrannten Eindruck, also muss es zu Anfang noch Widerstand gegen die Besetzung gegeben haben. Das Hauptproblem ist die Nahrungsversorgung, aber Dobraine gab an, dass dafür bereits gesorgt sei. Wann diese „ausreichend großen Lieferungen“ eintreffen, dazu machte er allerdings keine Angaben. Vermutlich weiß er es selbst nicht. Kleinere Vorratslieferungen treffen jedoch regelmäßig durch diese Tore der Asha'man ein. Ist wirklich unheimlich, wie diese Wagen direkt aus Tear oder Cairhien in den Hof rollen, als kämen sie aus dem Nichts. Im Moment scheint das allerdings praktisch alles zu sein, was die Stadt noch am Leben hält.“ Der Schluss klang resigniert, aber wer wollte es Jaalam zum Vorwurf machen, bei diesen Zuständen. Jetzt war also genau das eingetreten, was nicht hatte eintreten dürfen. Die Ankunft des Wiedergeborenen Drachen in der Hauptstadt hatte all seine sorgfältigen Planungen nutzlos gemacht. Welchen Sinn machte es jetzt noch, mit dem seanchanischen Heer kurzen Prozess zu machen? Trotz aller Versuche, es aus seiner Position zehn Meilen südlich zu locken, bewegten die Seanchaner sich keinen Schritt mehr von der Stelle und jetzt wusste er auch, warum. Selbst, wenn es ihm gelang, dieses Heer zu schlagen, würden dabei doch viele seiner Männer das Leben lassen. Wer sollte es dann noch mit den Truppen dieses al'Thor aufnehmen? Und wenn die Lieferungen durch diese Tore das einzige waren, was Bandar Eban vor dem Verhungern bewahrte, konnte er es dann überhaupt verantworten, es auch nur zu versuchen? Es führte kein Weg daran vorbei, er musste mit diesem Dobraine sprechen. So schnell wie möglich sogar. Das würde ihn mindestens zwei Wochen kosten, eher drei, aber daran war nichts zu ändern. Er konnte nur hoffen, dass die Seanchaner so lange still hielten, bis er wieder hier war. „Es sieht so aus, als müsste ich mal ein paar Takte mit diesem Dobraine reden. Ihr haltet hier so lange die Stellung.“ Es war nicht leicht, seine Stimme ruhig klingen zu lassen, aber er schaffte es. Seine Männer hier so lange allein zu lassen, konnte in eine Katastrophe führen, und nur das Licht allein konnte wissen, wann oder ob er überhaupt wieder zurückkehren konnte. Es war unwahrscheinlich, dass seine Abreise unbemerkt bleiben würde, denn auch nachts kreisten immerzu diese wie Schattengezücht wirkenden Flugtiere der Seanchaner am Himmel. „Wenn es Euch nichts ausmacht, eines dieser Tore zu benutzen, könnt Ihr schon gegen Abend wieder hier sein, General.“ Jaalams Lippen zuckten fast unmerklich. Er musste wissen, welche Sorgen ihn plagten, also gab es nur einen Grund, den seine Heiterkeit haben konnte. „Wo ist er?“ fragte Ituralde sofort. Es gefiel ihm nicht, dass der Mann einen dieser Asha'man mitgebracht hatte, aber er musste zugeben, dass es sehr praktisch gedacht war. Jetzt wurde auch verständlich, wie er so schnell hatte zurück sein können. Ging dieser Zug vielleicht auf diesen Dobraine zurück? Wahrscheinlich, denn ohne dessen Befehl oder wenigstens Erlaubnis hätte sich vermutlich keiner dieser Asha'man so weit von der Stadt entfernt. Sofort wurde Jaalam wieder ernst. „Etwa eine Meile weiter nördlich. Es ist auch eine Aes Sedai dabei und dazu zwanzig dieser Aiel.“ „Verzeiht die Unterbrechung...“ kam plötzlich eine kräftige Stimme von der Seite. Aus einer Bodenwelle, die kaum geeignet schien, ein Kaninchen zu verbergen, erhob sich jetzt ein Hüne, der ihn um etwa zwei Haupteslängen überragte und bei dem es sich zweifelsfrei um einen Aielmann handelte. „...aber das stimmt so nicht ganz, Jaalam Nishur. Damer Flinn kann sicherlich alleine auf sich achtgeben und für Corele Hovian Aes Sedai gilt sicherlich dasselbe. Ich hoffe, es stört Euch nicht, wenn wir anderen uns solange ein wenig hier umsehen.“ Der lockere Klang seiner Worte stand in deutlichem Gegensatz zu seiner kampfbereiten Haltung. Zwar war der Mann nicht verschleiert, aber einige der Männer hatten automatisch ihre Waffen erhoben, als er so plötzlich aufgetaucht war. Rasch bedeutete Ituralde ihnen, die Schwerter wieder zu senken, woraufhin der Aiel sich ein wenig zu entspannen schien, während er fortfuhr. „Ihr seid also der, den sie Rodel Ituralde nennen. Ich sehe Euch, möget Ihr stets Wasser und Schatten finden. Ich bin Rhuarc, von der Neun-Täler-Septime der Taardad-Aiel.“ Damit trat der Aielmann auf ihn zu und streckte seine Hand aus. Rodel war bei weitem zu oft in seinem Leben überrascht worden, um es sich bei dieser Gelegenheit anmerken zu lassen. Er ergriff die ausgestreckt Hand ohne zu zögern. „Ich sehe Euch Rhuarc von den Taardad-Aiel. Möget auch Ihr stets Wasser und Schatten finden.“ Es erschien angebracht, Höflichkeit zu zeigen, und anscheinend hatte er die richtigen Worte gefunden. Zumindest zerquetschte dieser Rhuarc ihm nicht die Hand, wie es andere vielleicht an seiner Stelle getan hätten. Der Mann musste wissen, dass er sich in der besseren Position befand, nutzte das jedoch nicht aus, was soweit vielversprechend war. Zwar war es es gewohnt, von oben herab gemustert zu werden, aber dieser Bursche hier maß ihn mit einem Blick, der an Unverschämtheit grenzte. „Ihr seid klein, selbst für einen Feuchtländer.“ stelle der Aiel dann knapp fest. „Ihr könnt mich anstarren, solange Ihr wollt, größer werde ich nicht.“ gab er daraufhin kühl zurück. Es hatte ihm noch nie gefallen, wenn jemand Witze über seine geringe Körpergröße machte, auch wenn er es meistens einfach ignorierte. Für einen Moment ärgerte er sich darüber, etwas grob geworden zu sein, aber zu seiner Überraschung lachte Rhuarc herzhaft auf. „Ein Feuchtländer mit Sinn für Humor! Ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch erlebe!“ Pflichtschuldig erwiderte er das Lachen mit einem Lächeln, das er gerade so zustande brachte. Er konnte beim besten Willen nicht erkennen, was an seiner Bemerkung so komisch sein sollte, aber vorerst war es sicher besser, mit dem Strom zu schwimmen. Wer dieser Rhuarc auch war, vermutlich hatte er einiges zu sagen, zumindest bei den Aiel. Er machte durch sein selbstsicheres Auftreten den Eindruck, völlig Herr der Lage zu sein, und dem durfte er selbst natürlich nicht nachstehen. Wenn dieser Bursche wüsste, dass er bei einer Gelegenheit während des Aielkrieges ganze dreitausend seiner Landsleute praktisch eigenhändig in einer Schlucht begraben hatte, würde er vermutlich weniger herzlich sein. Sobald der Aiel wieder zur Ruhe kam, hielt Ituralde seinen Tonfall freundlich, aber bestimmt: „Ich nehme an, Ihr habt den Auftrag, mich nach Bandar Eban zu bringen?“ „Eigentlich nicht.“ gab Rhuarc gelassen zurück. „Es ist nur so, dass ich eure stickigen und beengten Feuchtländerstädte nicht ausstehen kann. Seit wir mit den Banditen aufgeräumt haben, die sich hier überall herumtrieben, wurde mir langweilig, also habe ich beschlossen, mir Euer Heer mal aus der Nähe anzusehen.“ „Und was haltet Ihr nun davon, wo Ihr es gesehen habt?“ „Eure Männer scheinen durchaus etwas von ihren Handwerk zu verstehen.“ Der Aielmann nickte ihm anerkennend zu. „Für Feuchtländer natürlich. Aber diese Seanchaner sind auch nicht zu unterschätzen, ausgezeichnete Disziplin, obwohl sie in der Minderheit sind. Und ihre Stellung ist gut geschützt.“ Das konnte er unmöglich in Erfahrung gebracht haben, während er hier in Jalaans Nähe durch die Landschaft kroch. Es gab nur eine Erklärung. „Seit wann beobachtet ihr uns schon?“ fragte er höflich. „Seit fast zwei Wochen.“ Nichts deutete an, dass daran etwas ungewöhnlich sein könnte. „Ich selbst hatte allerdings zu der Zeit noch anderweitig zu tun, darum ist dies mein erster Besuch hier.“ Seit ungefähr zwei Wochen wusste also nicht nur dieser Dobraine genau, wo sie sich befanden, sondern auch der Wiedergeborene Drache. Auch ihre Mannschaftsstärke – und offenbar auch die der Seanchaner, war beiden schon längst bekannt. Das war alles andere als ein beruhigender Gedanke. Während der Mann ihn offen anlächelte, als hätte er einen guten Scherz gemacht, begann der graue Himmel, leise zu grummeln und die Last herabzulassen, die er schon den ganzen Tag über mit sich herumtrug. Kurz gesagt, es begann in Strömen zu regnen. Er konnte Regen nicht ausstehen. Die Wachen mussten verdoppelt werden und näher an den Feind heran, damit ihnen nichts Wichtiges entging. Besonders bei den verdammten Seanchanern ein äußerst gefährliches Wagnis, falls sich plötzlich unerwartet eine Lücke in den Wolken auftat und sie den Blicken dieser lichtverfluchten Damane preisgab. Er hatte allein bei dieser unergiebigen Belagerung schon an die achtzig Mann nur wegen des verdammten Regens verloren. Sowohl Kavallerie, als auch Infanterie kamen bei Regen deutlich schlechter voran und gebrochene Wagenräder waren von jetzt auf gleich an der Tagesordnung, weil die Wagenlenker tiefe Schlaglöcher plötzlich für seichte Pfützen hielten. Regen hatte schon zahlreiche Schlachten, ja manchmal sogar ganze Feldzüge entschieden, weil ganze Landstriche sich geradezu in Sümpfe verwandelt hatten, oder auch gleich ein ganzer Fluss über die Ufer trat und tausenden Männern einen unrühmlichen Tod durch Ertrinken bescherte. Von plötzlichen Erdrutschen und Schlammlawinen ganz zu schweigen. Jeglicher Überblick über das Geschehen auf dem Schlachtfeld ging oft bei Regen verloren, und wenn er nachließ, konnte die Schlacht bereits entschieden sein. Er wusste nicht, ob es etwas gab, dass er wirklich hasste, aber wenn es etwas gab, dann vermutlich den Regen. Umso mehr schockierte es ihn, als Rhuarc erfreut aufblickte, sobald das Grummeln begann. Nur Augenblicke später konnte er verblüfft beobachten, wie dieser gestandene Aielmann seine Hände ausstreckte, um einzelne Tropfen aufzufangen, wie es kleine Kinder manchmal taten. Dabei zeigte sein Gesicht beinahe genauso viel Staunen, wie das eines Kindes es in so einer Situation tun würde. „Es regnet!“ stellte der Aielmann, offenbar hocherfreut, fest. „Ihr Feuchtländer habt ja keine Ahnung, was für ein Glück ihr habt, dass es bei Euch regnet!“ „Darum ziehen wir es auch meistens vor, nicht selbst dabei nass zu werden.“ gab er trocken zurück, während der erste einer langen Reihe von Tropfen, die noch folgen würden, von seiner Nasenspitze fiel. Seltsamerweise brachte dieser Kommentar den Aielmann erneut zum Lachen. |
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