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Wir schreiben den 20. Nesan Einleitung Der Autor RJ's Blog Buchübersicht Buchdetails Handlung Kurzgeschichte Weitere Produkte Enzyklopädie Personen Heraldik Alte Sprache Prophezeiungen Namensgenerator
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Im Kerker Warten. Das war beinahe alles, was sie noch tun konnte. Warten auf die nächste Gelegenheit. Diesmal würde sie bereit sein, hatte sie sich versprochen. Von Zeit zu Zeit warf Elaida do Avinry a'Roihan einen fast unmerklichen Seitenblick auf ihre kostbare Sammlung. Es war leider das einzige im ganzen Raum, das der Beachtung wert war. Auf dem kleinen aber stabilen Holztisch, der nicht die geringsten Verzierungen aufwies und allein dadurch eine bewusste Beleidigung war, lag unter anderem ein Krieger aus Elfenbein, so schien es zumindest, kaum größer als ihre Hand lang war. Zwischen dem Falken und dem Raben aus ihrer Sammlung, beides prachtvolle Stücke von unschätzbarem Wert, fiel die Figur kaum auf, aber nun mochte sie noch äußerst nützlich werden. Es war gut, dass sie beizeiten über derartige Situationen nachgedacht hatte, auch wenn es deutlich schlimmer gekommen war, als sie es je hätte erwarten können. Die meisten ihrer Einflussträger und Unterstützer im Saal war effektiv ausgeschaltet und der Rest weigerte sich, auch nur in der angemessen Form und Höflichkeit mit ihr zu sprechen. Sie saß in einem Kerker, Die Amyrlin saß in einem Kerker!, und das widersprach selbst den ältesten Grundsätzen der Weißen Burg. Dieser Putsch, Und nichts anderes war es!, war ganz eindeutig ein Werk der Verschwörer, die Siuan Sanche, - Möge man sie an den Füßen aufhängen, wie diese verdammte Fischfrau es auszudrücken pflegte! - um sich versammelt hatte. Elaida war jung in dieses Amt berufen worden und sie war sich dessen immer bewusst gewesen, aber Siuan war noch jünger gewesen. Unmöglich, dass die Frau ganz alleine etwas Derartiges hätte planen können, aber es gab Schwestern, die dafür durchaus in Frage kamen. Sie beide, das war völlig offensichtlich, wenn auch nur schwer zu verdauen, waren noch zu jung und unerfahren gewesen, die Position der Amyrlin einzunehmen, und viele der Schwestern zeigten nur einen äußerst mangelhaften Respekt. Die Verhältnisse im Saal waren dergestalt, dass sie beide ihren Ajah verpflichtet waren, und dadurch hatte ein Großteil ihrer Arbeit darin bestanden, zwischen den Interessen der sieben, Nein! Sechs!, Ajah zu vermitteln und zugleich die Interessen der Burg zu berücksichtigen. Diese Bedürfnisse würde es auch in Zukunft geben, denn die Weiße Burg hatte Bestand. Wie viel Respekt eine dürftig ausgebildete Novizin bekommen würde, war ebenso klar wie unvermeidlich, daher war dieser vorübergehende Zustand vermutlich schon morgen vorbei. Sobald sich die Spielerin im Hintergrund zeigte, war wieder alles möglich, und sie hatte endlich erkannt, dass es neben der Amyrlin noch einen weiteren Mitspieler gab. Wer sonst sollte es sein, wenn nicht die Anführerin der Schwarzen Ajah? Weder Siuan noch die angebliche Schwarze Ajah Galina oder auch Tarna Feir – noch nicht einmal Alviarin! - war alt genug, um in eine solche Position zu gelangen, sollte es sie tatsächlich geben. Falls Mesaana - unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen - sich in die Weiße Burg begeben hatte, war die Anführerin der Schwarzen Ajah möglicherweise geflohen und befand sich längst andernorts. Ein Drittel – sogar mehr als ein Drittel! - aller Schwestern war weder in die Burg zurückgekehrt noch den Rebellen gefolgt. Aber es gab noch Hoffnung, davon war sie überzeugt. Sie musste etwas unternehmen, damit die Weiße Burg unter ihrer Herrschaft wieder erstrahlen konnte. Wieder wanderte ihr Blick kurz über den Krieger. Schnell riss sie ihren Blick wieder davon los, um keine Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Nur weil sie bisher Glück gehabt hatte, weil niemand ihr Beachtung zu schenken schien, musste es nicht so bleiben. Es musste noch solche geben, die treu waren. Sie wusste von mehreren Schwestern, wo sie sich befanden und Unterstützung würde durchaus zu finden sein, aber zuerst musste sie es schaffen, hier heraus zu kommen. Es war richtig gewesen, dieses Ter'angreal als Sicherheit ihrer Sammlung hinzuzufügen. Jeder wusste, dass es sich bei den Stücken um alte und wertvolle, jedoch nicht mit der Einen Macht verbundene Gegenstände handelte. Außerdem wusste jeder, wie sehr sie den Inhalt dieses Kästchens schätzte, daher hatte niemand etwas dagegen, dass es ihr gebracht wurde. Sie hatte sich bei der damaligen Ersten ihrer Ajah danach erkundigen müssen, - Unfassbar, dass ausgerechnet Galina Casban eine Schattenfreundin sein sollte! Eine weitere klare Intrige gegen die Rote Ajah! - aber das Tarngewebe tat seine Wirkung und vom eigentlichen funkelnden Kristallglanz des Kriegers war nichts zu sehen. Solange er still dalag, war er nur ein unscheinbares, schmutzig wirkendes grau-braunes Figürchen und sie hatte sich gehütet, den Krieger noch einmal zu bewegen, sobald er einmal griffbereit auf dem Tisch lag. Bei einem Angreal oder auch einem ganz normalen Gegenstand zeigte das Gewebe keinerlei Wirkung, aber bei einem Ter'angreal wie diesem verschleierte es Resonanzen genauso wie das auffällige Äußere. Kaum anzunehmen, dass ihre Sammlung nicht daraufhin überprüft worden war. Es gab eine ganze Reihe von Geweben, die ausschließlich Mitgliedern ihrer Ajah – oft erst nach Jahrzehnten – offenbart wurden, ganz so, wie es auch bei den übrigen Ajah der Fall sein musste. Die meisten davon bezogen sich natürlich auf den Umgang mit männlichen Machtlenkern, aber eine Handvoll kam aus anderen Bereichen. Sie hatte von Anfang an zu spüren bekommen, dass sie es mit einer harten Opposition innerhalb der Burg zu tun haben würde. Dass gleich eine Spaltung daraus geworden war, lag an den Aufständischen, die den Intrigen der verdammten Sanche-Frau auf den Leim gegangen waren. Jedenfalls war es ihr von Beginn ihrer Amtszeit an sicherer erschienen, den Ter'angreal in ihrer Nähe zu behalten. Niemand wusste von ihm, jetzt, da Galina bei den Quellen gefallen war, denn sie allein hatte es in Caemlyn gefunden. Es war riskant gewesen, seine Funktion selbst herausfinden zu wollen, aber das Risiko hatte sich gelohnt. Nur einen Hauch Saidars, mehr brauchte sie nicht! Mit mühsam erzwungener Geduld zog Elaida in ihrem Gefängnis ihre Kreise. Wie üblich schenkten ihr die Schwestern, die sie gerade bewachten, nicht die geringste Beachtung. Es schien keinerlei Unterschied zu machen, dass jetzt ausschließlich Rote mit diesem Dienst betraut waren. Die stets vorwurfsvollen und verachtungsvollen Blicke, mit denen sie – wenn überhaupt – gemustert wurde, hatten sich nicht verändert, aber von Schwestern ihrer ehemaligen Ajah taten sie besonders weh. Vielleicht sollte dies sie dazu bringen, sich doch noch weit genug zu erniedrigen und dem Mädchen den verlangten Treueschwur zu leisten. Nun, genau genommen war es nicht das Mädchen gewesen, das einen Treueschwur zur Sprache gebracht hatte, sondern Tarna Feir, aber das machte keinen wesentlichen Unterschied. Die verdammte Frau war sich vermutlich sogar großzügig vorgekommen, denn der Schwur würde verhindern, dass sie über kurz oder lang gedämpft wurde. Hatte sie zumindest behauptet. Rasch verdrängte sie das Schaudern, das sie bei der Aussicht auf eine Dämpfung überlief. So weit würde es nicht kommen, wenn das Licht mit ihr war. Elaida schalt sich eine Närrin, dieser Frau je Vertrauen geschenkt zu haben. Nie hätte sie erwartet, dass ausgerechnet Tarna Feir Machtgelüsten nachgeben würde, aber es war eindeutig, dass jetzt sie es war, die die Fäden der Weißen Burg in der Hand hielt. Wie hätte sie sonst ein derart unverschämtes Angebot machen können? Sie hatte ja sogar zugegeben, dass das Mädchen nichts davon gewusst hatte. Diese Farce mit dem Führen des Protokolls mochte andere getäuscht haben, aber nicht sie. Nein, auf einen so billigen Trick fiel sie nicht herein! Noch immer konnte sie die Stimme der Verräterin hören, wie sie ihr unter dem Lauschschutz mit kalter Wut gedroht hatte: „Wenn Du nicht endlich auf mich hörst, wird das Mädchen den Saal als Amyrlin verlassen, Elaida!“ Und das war noch nicht alles gewesen. Wie hatte sie es wagen können! Sie verstand noch immer nicht, wie es der Frau gelungen war, den gesamten Saal gegen sie einzunehmen, aber sie würde schon noch dahinter kommen. Mindestens genauso deprimierend waren die Erinnerungen an die Besuche einiger der Schwestern. Besonders schlimm war es mit Lelaine von den blauen Verrätern gewesen, aber auch an Romanda und speziell an Saerin erinnerte sie sich nur ungern. Die Braune Schwester hatte doch tatsächlich hartnäckig versucht, sie davon zu überzeugen, dass die al'Vere-Wilde eine hervorragende Amyrlin abgeben würde! Verrückt. Mühsam zwang sie sich dazu, Novizinnenübungen durchzuführen, um wieder ruhiger zu werden, aber es brauchte eine Weile, bis ihre Schritte sie wieder angemessen ruhig und gelassen durch ihre Zelle trugen. Es schien niemandem aufzufallen, dass sie dabei nie allzu weit vom Tisch entfernt war. Nicht, dass sie viel Platz in ihrer Zelle hatte, aber weiter als drei Schritte entfernte sie sich niemals davon. Sie unterdrückte ein Seufzen. Wenigstens zeigte ihr Gesicht der Welt weiterhin ein kühles und gefasstes Äußeres; nicht, dass ihr jemand im Moment auch nur die geringste Aufmerksamkeit schenken würde. Jeder Versuch ihrerseits, ein Gespräch zu beginnen, würde nur Erniedrigung bringen und ihre Stellung als Amyrlin noch weiter untergraben – sofern das überhaupt noch möglich war - also ließ sie es bleiben. Ständig jedoch spitzte sie die Ohren, um vielleicht etwas Nützliches von den Wachen aufzuschnappen. Nicht, dass sie auf diese Art sonderlich viel in Erfahrung brachte, aber selbst wenig war besser als nichts. Und einiges, das sie gehört hatte, war nahezu unfassbar gewesen! Rote Schwestern mit Behütern? Tarna hatte zwei Männer an sich gebunden, die Saidin lenken konnten, und Pevara und einige weitere gleich drei? Sicher hatten Tarna und die anderen sich mit ihnen verknüpft und der Makel hatte ihren Verstand verwirrt, so musste es sein. Es war unwahrscheinlich, dass es für diese armen Frauen noch Heilung geben konnte. Sie mussten gedämpft werden, daran führte kein Weg vorbei, und die Männer natürlich getötet. Ein herber Verlust für die Roten, aber es war nun einmal nicht zu ändern. Alles war schiefgelaufen, seit sie Andor verlassen hatte, musste sie schließlich erkennen. Dabei wusste sie als einzige, dass das Königshaus Andors der Schlüssel zu Tarmon Gaidon war. Doch was konnte ihr dieses Wissen jetzt noch nutzen? Sie hätte Caemlyn nie verlassen dürfen! Sie wusste nicht, warum man ihr keinen Spaltwurzeltee verabreichte, aber mit Sicherheit würde sie keine Fragen darüber stellen. Wenn das verdammte al'Vere-Mädchen sie vergessen hatte – und es hatte fast den Anschein – dann wollte sie niemanden auf dumme Ideen bringen. Denn immerhin gab es, dem Licht sei Dank!, wenigstens noch die Möglichkeit zur Flucht. Sie konnte noch immer nicht glauben, was sie über diese seltsame Abschirmung des al'Vere-Mädchens herausgefunden hatte, geschweige denn, eine Erklärung dafür anbieten. Das Licht musste wahrhaftig mit ihr sein, wenn weder sie noch Tarna Feir bisher daran gedacht hatten, welche Konsequenzen sich daraus ergaben. Es war erst vier Tage her, da war am Vormittag plötzlich Saidar verschwunden. Einige Reste ihrer Abschirmung, die ursprünglich diese Verräterin Leane gewoben hatte, waren nach dem Wiederauftauchen der Quelle seltsamerweise noch verblieben. Sie hatte für deren Beseitigung lange genug gebraucht, um von ihren Wachen mit Leichtigkeit erneut abgeschirmt zu werden, bevor sie Saidar tatsächlich ergreifen konnte, aber beim nächsten Mal wären diese unerklärlichen Reste fort und dann würde sie entkommen. Da war sie sich absolut sicher. Sie würde eine solche Gelegenheit kein zweites Mal verstreichen lassen! Und so sehr sie die Leichtigkeit, mit der sie überwältigt worden war, auch im ersten Moment verärgert hatte, hatte sie doch ihr Gutes, denn mit etwas Glück hielten die beiden Grünen es aus diesem Grund nicht für nötig, ihre jetzigen Bewacher auf diese Episode hinzuweisen. Dass ihre Bewacher jetzt ausschließlich Rote waren, war dabei durchaus hilfreich, denn die Stimmung innerhalb der Burg war noch immer von starkem Misstrauen zwischen den Ajah geprägt. Einst hatte ihr das wie ein Stein im Magen gelegen, aber jetzt mochte es sich als Segen herausstellen, zumindest für sie. Die Wahre Quelle war schon vorher zweimal verschwunden und sie hatte sich im Nachhinein schwarz geärgert, die oberflächliche Erklärung mit dem Rebellenangriff tatsächlich geschluckt zu haben. Inzwischen hatte sie genug gehört. Seltsamerweise schien tatsächlich das Mädchen allein dafür verantwortlich zu sein, diese ungewöhnliche Abschirmung zu erschaffen, oder zumindest glaubten das offenbar alle. Pah! Dafür hatte sie nur Verachtung übrig. Natürlich musste es Tarna Feir sein, die diese Geschichte verbreitet hatte, niemals hätte sie eine solche Entdeckung in die Hände dieses Kindes gelegt. Die bunte Kleidung, die das Mädchen jetzt anscheinend ständig trug, diese ominöse „Rüstung des Lichts“, war sicherlich ein Ablenkungsmanöver, um eine halbwegs glaubwürdige Erklärung dafür zu liefern. Und perfekt dazu passend sollte das Mädchen auch noch die Stärkste Mutter sein. Sie hatte gehört, wie ehrfürchtig die Grünen diese Bezeichnung gebrauchten, wann immer welche von denen sie bewacht hatten. Leichtgläubige Närrinnen! Wie konnten sie diesen Unsinn der Gaidin tatsächlich für bare Münze nehmen? Hätte sie bloß eher von dieser Prophezeiung der Behüter gehört! Dann hätte sie selbst diesen Titel für sich beanspruchen können. Die Lage in der Burg war schlimmer als je zuvor. Egwene al'Vere war lange genug in der Nähe Rand al'Thors gewesen, um sich mit ihm verknüpft zu haben. Der Makel musste auch in sie bereits eingedrungen sein. Wie sonst könnte man erklären, dass sie gleich fünf Behüter auf einmal an sich gebunden hatte? Das war eindeutig ein Verhalten, welches nur Wahnsinnige zeigen würden. Es war zwar ein herber Verlust für die Weiße Burg, aber sie war zu gefährlich, um am Leben gelassen zu werden, selbst wenn sie nur Tarnas Marionette war. Ihre vergleichsweise Jugend hatte auch hier den Ausschlag gegeben, sie war mit dem Kind einfach zu weichherzig und zu wenig vorausschauend umgegangen. Wie die Schwestern in der Anfangszeit der Burg hatte sie den Makel unterschätzt, der die männliche Hälfte der Quelle verseuchte. Allerdings schien bisher noch niemand diese Zusammenhänge so klar erkannt zu haben, wie sie selbst. Das Schlimmste an ihrer Situation war für Elaida, dass sich sämtliche Schwestern weigerten, ihr lange genug zuzuhören, um ihnen die Wahrheit klarzumachen. Beim letzten Mal, als die Abschirmung verschwunden war, hatte sie zu langsam reagiert. Saidar war nur für die Zeit eines Blinzelns verschwunden und sie war nicht darauf gefasst gewesen. Der Schild Korellyns von den Grünen war zu schnell für sie gewesen, da sie ja auch noch die Reste des alten beseitigen musste. Jetzt war sie darauf gefasst und würde es auch bleiben. Die erste Chance hatte sie verpasst, aber beim nächsten Mal würde sie bereit sein. Sie würde bereit sein! Elaida war überrascht, als plötzlich die Tür aufging, für die Wachablösung war es noch zu früh. Besuch hatte sie, außer von der vom Licht verlassenen Tarna Feir, auch seit Tagen nicht mehr bekommen. Umso mehr überraschte es sie, als sie ihre Besucherin erkannte. Innehaltend erwiderte sie den stechenden Blick Tsutama Raths ohne zu blinzeln. Wie stets seit der Rückkehr aus dem Exil trug die Frau genug Schmuck, um damit einen kleinen Palast zu kaufen, Ringe und goldene Armreifen und gleich mehrere Goldketten, alles mit wertvollen Edelsteinen angetan. Trotzdem passte es gut zu dem eleganten, tiefroten Gewand, das sie heute trug, und wirkte nicht allzu überladen, sondern unterstrich nur die zeitlose Schönheit ihres Gesichts. Ihre derzeitigen Wächterinnen erhoben sich auf der Stelle und Kamirois zeigte sogar die Andeutung eines Knickses. Das war weit mehr, als man üblicherweise gegenüber einer höherstehenden Schwester zeigte, selbst wenn Tsutama Demiras Platz als Sitzende für die Zeit ihrer Abwesenheit – wo mochte die wohl stecken? Nicht dass das im Moment eine Rolle spielte – übernommen hatte. Was immer dahinter steckte, Tsutama jedenfalls schenkte den zwei anderen roten Schwestern keine weitere Beachtung, sondern trat wortlos auf Elaida zu. Sie fragte sich, ob Tsutama möglicherweise Galinas Nachfolge angetreten haben konnte, jetzt, wo ihr Tod bei den Quellen von Dumai durch Katerine Alruddin bestätigt worden war. Es gab nur wenige, die dafür so gut infrage kamen. Da es Elaida gewesen war, die ihr Exil beendet hatte, sollte sie doch zumindest ein wenig Dankbarkeit empfinden. Kurz vor den Gitterstäben, die angesichts des Schildes, der sie von Saidar trennte, nur bloßer Zierrat waren, blieb Tsutama stehen und musterte sie kühl. Ruhig trat auch sie daraufhin an die Gitterstäbe heran. „Wie ich sehe, übst du dich noch immer in körperlicher Ertüchtigung, Elaida.“ Also hatte zumindest sie es nicht versäumt, sich über ihre Aktivitäten hier auf dem Laufenden zu halten. „Etwas Bewegung tut dem Körper gut, meinst du nicht?“ Dies war zwar eigentlich keine Art, mit der Amyrlin zu sprechen, aber der Ersten der Roten konnte sie es durchgehen lassen, falls sie es denn war. „Sicher, Tochter.“ gab sie ruhig zurück. Tsutamas Augen verzogen sich zu wütenden Schlitzen, aber ihre Stimme klang unbewegt, während sie leicht ihre Hand hob und beiläufig in Richtung der Tür winkte, ohne den Blick abzuwenden. „Ihr beide wartet draußen.“ Eilig verließen die wachhabenden Schwestern den Raum und übergaben der Frau vor ihr den Schild, sobald diese vom Leuchten Saidars umgeben war. Ja, diese Frau war ganz eindeutig die neue Erste der Roten und offenbar war es Tsutama nach ihrem Exil sehr rasch gelungen, einen gewissen Respekt innerhalb ihrer Ajah zu bekommen. Ihrer ehemaligen Ajah, korrigierte sich Elaida rasch in Gedanken. Diese Anweisung widersprach denen der „Amyrlin“, doch die beiden verneigten sich sogar leicht und zögerten keinen Augenblick, ihr Folge zu leisten. Leider war die Frau stark genug, dass jeglicher Versuch, den Schild zu durchbrechen der sie umgab, von vornherein zum Scheitern verurteilt war, aber vielleicht bot diese Gelegenheit andere Chancen für sie, solange sie sich gut unter Kontrolle hatte. Sie war nicht die einzige im Raum, die Fehler gemacht hatte, und das würde sie zu nutzen wissen. Sobald die Tür sich wieder geschlossen hatte, wob Tsutama wenig überraschend einen Schutz gegen Lauscher. Dann allerdings riss ein blitzschneller Schlag mit einem harten Strang aus Luft Elaidas Kopf nach links, bevor ein weiterer Strang sie an den Haaren in die Höhe riss. Energisch unterdrückte Elaida jegliche Gefühlsregung, wobei es half, dass Silvianas Riemen die Schmerzen bei dieser simplen Ohrfeige mühelos wiederholt übertroffen hatte. Gerade noch mit den Zehenspitzen den Boden berührend, erwiderte sie weiterhin gelassen den feurigen Blick und die Frau schien sich, - dem Licht sei Dank! - daraufhin wieder zu beruhigen. „Tetsuan.“ Es war nicht einfach, ein Blinzeln bei dieser unerwarteten Bemerkung zu unterdrücken, aber sie schaffte es und erwiderte den stechenden Blick mit aller Ruhe, die sie aufbringen konnte. „Bonwhin. Elaida.“ Das Schweigen nach Nennung dieser drei Namen hielt lange genug an, dass sie schon daran zu zweifeln begann, es käme noch etwas. Sie waren auch für sich genommen schon Anklage genug. Es tat weh, ihren eigenen Namen neben denen der zwei schlechtesten Amyrlins, die die Burg je gehabt hatte, zu hören. Andererseits war ihr klar, dass jedes eigene Wort jetzt fehl am Platze wäre, also schwieg auch sie, es blieb ihr nichts anderes übrig, als abzuwarten, worauf Tsutama hinaus wollte. Die gelassene Stimme ihres Gegenübers hatte ihren Namen viel zu gut in diese Liste des Versagens passen lassen. Plötzlich gab der Strang aus Luft sie wieder frei und sie schwankte leicht, bevor sie ihr Gleichgewicht wiederfand. Die Haare standen ihr jetzt buchstäblich zu Berge, aber es half nur wenig, dass sie sie mit beiden Händen in eine passendere Form zu bringen versuchte. Als sie es aufgab, sanken einige ausgerissene Stränen zu Boden. Sie ermahnte sich energisch, ihre Wut darüber nicht zu zeigen. Was waren schon einige verlorene Stränen angesichts ihrer derzeitigen Lage? Die Erste der Roten achtete garnicht mehr auf sie, sondern begann nun ihrerseits, an der Seite des verdammten Käfigs auf und ab zu marschieren. „Die Rote Ajah ist nicht nur die größte, sondern führte über drei Jahrtausende hinweg auch die wichtigste aller Aufgaben aus. Woran mag es liegen, dass ausgerechnet wir Roten in den Augen der Geschichte so schlecht abschneiden?“ Sie klang nicht, als erwarte sie eine Antwort und fuhr denn auch große Unterbrechung fort, als spräche sie nur zu sich selbst. „Alle drei Amyrlins, die aus den Roten erhoben wurden, haben die Weiße Burg in Krisen geführt, die tiefer waren, als alles, was man in der Geschichte sonst noch findet. Und jetzt, in einer Zeit, in der die Weiße Burg sich der größten aller Herausforderungen gegenübersieht, beansprucht ein Kind den Amyrlin-Sitz. Ein Kind. Schon ihre Vorgängerinnen waren kaum alt genug, um Aes Sedai genannt zu werden, doch sie ist keine zwanzig.“ Elaida konnte den brennenden Zorn, der hinter diesen Worten steckte, deutlich spüren. Ja, sie teilte ihn auch selbst, aber in der Stimme ihres Gegenübers lag nur eiskalte und gefühllose Ruhe, obwohl die Frau ihre Fäuste geballt hatte und jeder einzelne Schritt wirkte, als wolle sie Löcher in den Boden stampfen. Eine beunruhigende Mischung. Dass Tsutama das Alter des Mädchens und ihrer Vorgängerinnen erwähnt hatte, machte deutlich, wie aufgebracht sie tatsächlich sein musste. Zwar gefiel es ihr keineswegs, mit der verdammten Sanche-Frau in einen Topf geworfen zu werden, aber wenn die Erste ihre Fehler ihrer Jugend zuschrieb – was für sich natürlich eine Unverschämtheit war! - war sie möglicherweise doch noch bereit, sich auf ihre Seite zu schlagen. Sich offen und bereitwillig zu präsentieren, war jetzt die angebrachte Strategie. Es würde alles andere als angenehm sein, über die verdammte Alviarin Freidhen zu sprechen – und die Frage würde kommen – doch wenn sie die Übersicht behielt, konnte sie es so darstellen, wie es wirklich gewesen war: Im Grunde waren alle ihre Fehler auf die „Beratung“ durch diese Frau zurückzuführen. „Und das ist beileibe noch nicht alles. Dieses Kind steckt offensichtlich mit dem Wiedergeborenen Drachen unter einer Decke. Warum sonst zieht sie ausgerechnet Logain ins Vertrauen, während sie den Sitzenden nur so viel mitteilt, wie es ihr gerade passt? Sie verwendet Zwang, als wäre es das Natürlichste auf der Welt und in einem Umfang, der sonst höchstens den Verlorenen zugeschrieben wird. Nicht, dass ich einen effektiveren Weg wüsste, sich der Gesinnung der Behüter und der Angestellten der Burg zu versichern, aber sie wird sich dafür noch verantworten müssen, sobald es möglich ist, ohne eine weitere Spaltung zu riskieren. Und dann...“ ein ungläubiges Kopfschütteln „...duldet sie auch noch eine Verlorene in ihrer Nähe, als ob sie nur ein harmloses aber hübsches Kleinod wäre. Prophetische Träume, Märchen über Wilde, absurde Geschichten über Aes Sedai, die Eigentum sind. Ich habe selbst gesehen, wie sie auf den Eidstab geschworen hat, die Wahrheit zu sagen, wäre es anders, würde ich nicht ein einziges Wort davon glauben. Sie beansprucht auch noch, diese „Stärkste Mutter“ zu sein, was sämtliche Behüter dazu bringt, ihr wie abgerichtete Schoßhündchen zu folgen, und die meisten Grünen anscheinend noch dazu. Und als wäre das alles noch nicht genug, sitzen beinahe vierzig verdammte Schwarze Ajah...“ erstaunlich, wie ruhig Tsutamas Stimme klang, wenn man deren abgrundtief verächtlichen Gesichtsausdruck sah, „...in genau diesem Moment in ihren Einzelzellen weiter unten, soweit sie nicht gerade verhört werden. Vierzig, und es müssen noch weitere auf freiem Fuß sein. Und dazu noch zahlreiche weitere Schattenfreunde, die sich in der Weißen Burg aufhielten. Schattenfreunde, hier in der Weißen Burg, sogar dieser Narr Chubain ist einer von ihnen. Wenn dies nicht so wäre, hätte ich längst etwas gegen das Mädchen unternommen, aber so sind mir die Hände gebunden, immerhin hat sie die Schwarzen im Alleingang gefangengenommen und die Spaltung ohne großes Blutvergießen beendet. Aber die Art, in der sie in die Belange der Ajah eingreift, ist absolut unzumutbar.“ Abrupt blieb Tsutama direkt vor ihr stehen. Die geballten Fäuste waren erhoben, als wolle die Frau sie schlagen, und die Augen glühten förmlich vor Zorn. Elaida unterdrückte energisch den Impuls, zurückzuweichen, sondern hielt ihre Fassade der Gelassenheit weiterhin aufrecht. „Wie konntest Du es ihnen erlauben?“ fragte sie so ruhig sie es zustande brachte. Sie musste nicht aussprechen, was sie meinte, ohne Erlaubnis der Ersten hätte es keine der Roten gewagt, Behüter an sich zu binden. Unfassbar, dass sie diese Entscheidung ohne Zustimmung der Amyrlin getroffen hatte! Natürlich hätte sie sie verweigert, aber das war nicht der Punkt. „Es war notwendig.“ Die Wut in Tsutamas Augen ließ nicht nach, aber wenigstens senkte sie die Fäuste. „Zumindest erschien es mir seinerzeit so.“ schränkte sie sich dann ein. Es war richtig gewesen, auf deren eigene Fehler hinzuweisen, das verlieh ihren eigenen weniger Gewicht. Warum bloß hatte die Frau zugelassen, dass Rote Schwestern diese verfluchten Männer als Behüter banden? Zusammen mit den schattenverzerrten Lügengeschichten des verdammten Logain Ablar hatte dieser Schritt der Roten Ajah möglicherweise bereits den endgültigen Todesstoß versetzt! Am liebsten hätte sie dies der Ersten grimmig an den Kopf geworfen - sollte sie doch sehen, wie sie sich aus dieser Misere wieder befreite! - doch sie hatte eine Verantwortung gegenüber ihrer ehemaligen Ajah, die sie nicht verweigern konnte, nicht verweigern würde. Sie würde versuchen zu retten, was zu retten war. „Diese vom Licht verfluchten Männer haben auch Aes Sedai an sich gebunden. Nachdem Pevara mir Tarnas Vorschlag unterbreitet hatte, erschien es mir nur logisch, dass wir dieses Opfer bringen mussten.“ fügte Tsutama noch hinzu. Ja, dieser Punkt machte ihr schwer zu schaffen und bot eine Angriffsfläche, die nützlich sein mochte, aber etwas anderes ließ diese Überlegung fast unwichtig wirken. Wieder Tarna! Die verdammte Frau hatte offenbar schon unmittelbar nach ihrer Rückkehr aus Salidar damit begonnen, hinter ihrem Rücken für den Niedergang der Roten Ajah zu sorgen. Wenn Logain – das Mädchen arbeitete mit ihm zusammen? - und Tarna Feir in Salidar doch Kontakt gehabt hatten, hatte sie sich vielleicht dort mit dem Wahnsinn infiziert. Das erschien zwar unwahrscheinlich, immerhin war er zu dieser Zeit noch gedämpft gewesen, aber wer wusste schon, ob in diesen Zeiten ein solcher Makel nicht tiefer reichte, als es früher der Fall gewesen war. Es gab genügend anderes, das aus den Fugen geriet, auf nichts war mehr Verlass. „Wahnsinn.“ sagte sie leise und als Tsutama fragend eine Braue hob, begann sie, es ihr zu erklären. Der Wahnsinn des Makels konnte alles erklären, was das Mädchen sich einbildete, und auch Tarna – und mittlerweile natürlich Pevara und die anderen! - war eindeutig davon beeinflusst. Selbst die dreimal verfluchte Siuan Sanche hatte in Schienar Kontakt zu dem Jungen gehabt, seine Nähe war vielleicht gefährlicher, als sie je befürchtet hatten. Nur sie allein war anscheinend diesem verheerenden Einfluss entgangen, als sie ihm in Caemlyn begegnete, denn damals war er offenbar noch nicht in der Lage gewesen, Saidin zu lenken. Ja, so musste es sein. Und so schwer es ihr auch fiel, die angemessene äußere Ruhe zu zeigen, gelang es ihr doch. Im Verlauf dieses Gesprächs, des ersten richtigen Gesprächs, das sie seit über einer Woche führte, welche Erleichterung!, kam sie wie erwartet nicht daran vorbei, Tsutama von den verräterischen Taten Alviarins zu berichten, aber das war ein kleines Opfer für diese Gelegenheit, wieder in das Geschehen einzugreifen. Elaida hatte keinerlei Probleme mehr, diese entsetzlichen Frau für eine Schwarze Ajah oder Schlimmeres zu halten, nach allem was sie getan hatte! Warum war sie so lange aus der Burg verschwunden? Und warum war sie als einzige nicht unter den Gefangenen „Schwarzen Ajah“? War es möglich, dass sie Kontakt zu den Rebellen und dem al'Vere-Mädchen gehabt hatte? Sie war sich nicht sicher und brachte das auch deutlich zum Ausdruck, aber es würde vieles erklären. Wer wusste schon, auf welche Weise eine Schattenfreundin unter den Aes Sedai – welch widerwärtiger Gedanke! - oder gar eine der Verlorenen selbst den Eidstab zu beeinflussen vermochte? Tsutamas Fragen wurden zunehmend verhaltener und so spielte sie schließlich ihren Trumpf aus.„Der Weißen Burg stehen harte Zeiten bevor, Tsutama, und nur ich allein kenne den Schlüssel, der uns bei Tarmon Gai'don den Sieg bringen wird. Das ist die Wahrheit, beim Ersten Eid.“ Das Königshaus von Andor war der Schlüssel, wie nur sie allein wusste! Deutlich weniger zornig als zuvor, war die Erste der Roten noch immer sehr angespannt, aber wenigstens hatte sie ihren Antworten aufmerksam zugehört. Und so unangenehm manche ihrer Fragen auch waren, hatte sie selbst doch mit kühler Ruhe die richtigen Antworten gefunden. Misstrauisch hob ihr Gegenüber jetzt eine Braue. „Ist das eine Prophezeiung?“ wollte sie wissen. Elaida spürte, wie die Worte sich bildeten, und brachte sie energisch hinaus: „Der Weißen Burg stehen ihre härtesten Schläge noch bevor und das Mädchen wird Tar Valon nicht retten, Tochter! Und das ist eine Prophezeiung! Niemand außer mir sollte jetzt den Amyrlin-Sitz inne haben!“ Tsutama zuckte leicht zusammen und sagte leise und beinahe wie abwesend „Ich komme wieder. Gib mir Bescheid, wenn Dir noch etwas einfällt.“ bevor sie sich mit grimmiger Miene umwandte und mit energischen Schritten den Raum verließ. Es sah fast so aus, als wäre doch noch nicht alles für sie verloren. Und für die Burg. Wenn es ihr gelang, Tsutama zu überzeugen, hatte sie wieder eine Chance. Trotzdem würde sie die nächste Gelegenheit zur Flucht nutzen, beschloss sie. Notfalls konnte sie auch von außerhalb Tar Valons Kontakt zu den Roten und vor allem ihrer Anführerin aufnehmen, erstmal aus diesem Kerker heraus zu kommen, war nur der erste Schritt, aber es war nötig. Als kurz darauf ihre beiden roten Wächterinnen eintraten, hatte Elaida ihre ruhelose Wanderung bereits wieder aufgenommen und wartete geduldig darauf, dass Saidar verschwand. Es gab jetzt wieder Grund zur Hoffnung und ihr Schritt war leichter als seit langem. Vielleicht ergab sich durch Tsutama eine Gelegenheit, aber sie würde auch die andere nutzen, falls sie sich zuerst ergab. Und während sie ihre Kreise zog, schmiedete sie eifrig Pläne für die Zeit danach |
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